Aktuell – 25.02.2014

"Blick" sucht Volksnähe

Der "Blick" verteilt nicht nur Geldsäckli. Er greift auch tief in die populistische Kiste und sucht neu den "achten Bundesrat", zuständig für das "Departement für das Volk".

René Lüchinger, seit Anfang Jahr "Blick"-Chefredaktor, wendet sich direkt an Volk: "Haben Sie Ideen, wie man die Schweiz verbessern kann? Haben Sie nicht nur Fragen, sondern auch etwas zu sagen? Dann bewerben Sie sich hier ab Samstag, 1. März 2014 und werden Sie der achte Bundesrat, der Bundesrat für das Volk. Packen Sie mit "Blick" die Probleme der Schweiz direkt an und verdienen Sie während 45 Tagen den Lohn eines echten Bundesrates: 50 000 Franken", schreibt er auf der Website derachtebundesrat.blick.ch und grüsst "Herzlichst".

"Blick"-Bundesrat wird, wer sich a) ab dem 1. März dafür bewirbt, b) zu den 9 Kandidatinnen und Kandidaten gehört, die beim "Casting" ("maximal 200 Personen") im April von der "Blick"-Jury auserwählt werden, und c) dann bei der Wahl zwischen dem 11. und 24. Mai vom Volk ("Blick"-Leser) via Website erkoren wird. Der "achte Bundesrat" (Frauen sind selbstverständlich mitgemeint) wird am 25. Mai vereidigt – und darf dann erst mal Ferien machen. Zwischen dem 1. und dem 17. August wird er/sie einem "Coaching" von einem "Team aus Beratern und Journalisten" unterzogen – ob dafür wohl Frank A. Meyer aus Berlin anreist?

Das Coaching umfasst laut "Blick" vom "Rhetorik-Kurs" über den "Style-Check" bis zum "Medientraining" "alles, was es braucht, um ein guter achter Bundesrat des Schweizer Volks zu sein". Nach "Blick"-Einschätzung ist das offenbar nicht viel, lernt sich im Handumdrehen beziehungsweise innerhalb von 17 Tagen. Danach wird der/die vom Volk Erkorene vom 18. August bis zum 14. September Bundesrat spielen. "Er oder sie soll neben dem politischen System der Schweiz Lösungsvorschläge für die Schweiz erarbeiten, Diskussionen anregen und die Schweiz zu einem besseren Ort machen", steht dazu auf der "Blick"-Website zu dieser Wahl in der FAQ. Und sicherheitshalber findet sich in den FAQ auch der folgenden Hinweis: "Es gibt in der Schweiz nur sieben Bundesräte. Der achte Bundesrat ist nicht Teil der offiziellen Landesregierung." Offensichtlich hegt "Blick" gewisse Zweifel am politischen Knowhow seiner potentiellen "Bundesrats"-Kandidatinnen und –Kandidaten.

Ausgestattet wird der "Blick"-Bundesrat/die "Blick"-Bundesrätin mit einem "Büro im BLICK-Newsroom" (welche Ehre!), einem "Dienstauto" und mit eben den 50 000 Franken Lohn. Und mit Chefs: "Der Teilnehmer hat sich während des Projekts an die Anweisungen der Projektverantwortlichen zu halten. Der Projektverantwortliche ist auch Ansprechpartner bei Fragen, Unklarheiten und Problemen", heisst es nämlich deutsch und deutlich in den Teilnahmebedingungen.

Man mag diese "Bundesrats"-Wahl genauso wie das "Geldsäckli-Spiel" von "Blick" (Gesamtgewinnsumme 400‘000 Franken!) als Marketing-Aktion eines Boulevard-Titels einordnen, der alles unternimmt, um seine Leser- und Auflagenzahlen zu verbessern. Doch im Fall des "achten Bundesrats" geht "Blick" weit darüber hinaus. Er spielt mit der SVP-Forderung nach einer Volkswahl des Bundesrats und bedient die Vorstellung, es gebe einerseits das "Volk" und andererseits einen nicht zum "Volk" gehörenden Bundesrat.

Ausserdem gibt der "Blick" vor, mit diesem "Volks/Blick"-Bundesrat-Marketing-Gag etwas für die Schweiz tun zu wollen. In einem "Blick"-Artikel, der zum Kandidieren aufruft, findet sich etwa folgende Passage: "Die Schweiz ist aus dem Tritt. Seit dem einschneidendsten Abstimmungsergebnis der letzten zwei Jahrzehnte scheint unsere Politik wie eingefroren. Sicher, alle entwickeln hektische Betriebsamkeit. Überlegen sich, wie man die Einwanderungs-Initiative umsetzen soll. Wie gleichzeitig die Verträge mit der EU zu retten wären. Und wie man dabei nach aussen Einigkeit zeigen kann. Dabei war das Resultat vom 9. Februar nicht nur historisch einschneidend – es schnitt unser Land auch buchstäblich entzwei. In Stadt und Land, in Deutsch und Französisch. Und niemand ist in Sicht, der das Land wieder zusammenführt. Oder doch? Wäre das gar etwas für Sie?"

Mit anderen Worten: Der jetzige Bundesrat kann das Land nicht "wieder zusammenführen", wohl kann das aber der Mann/die Frau aus dem Volk nach einer "Blick"-Schnellbleiche von 17 Tagen. Wir wünschen dem "Blick" deshalb genau die Kandidatinnen und Kandidaten, die er für diese Aktion verdient.

 

PS: Wer sich bewerben will, schaue sich doch sicherheitshalber die Teilnahmebedingungen an. Der "achte Bundesrat" muss sich nicht nur an die Anweisungen des Projektverantwortlichen halten, sondern auch allerlei Rechte an Ringier abtreten ("Der Bewerber tritt die ihm aus seiner Mitwirkung am Projekt entstehenden Urheber-, Leistungsschutz- und sonstigen Immaterialgüterrechte vollumfänglich an Ringier ab. An seinen hochgeladenen Profilbildern tritt der Bewerber Ringier das unentgeltliche Nutzungsrecht ab. Dieses umfasst insbesondere das Recht von Ringier, die Bilder während der Projektdauer sowie vier (4) Monate danach mehrfach auf blick.ch und blickamabend.ch zu veröffentlichen, jedoch ohne persönliche Angaben").

1 Kommentar

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Von Kurt Kueffer
26.02.2014
Als ob Blick nicht schon volksnahe genug wäre, sucht die populistischste Tageszeitung der Schweiz nun auch noch einen "Pisspfosten". Er soll den Volksfrust den Bundesräten ans Bein Pinkeln. In Eigenverantwortung. Blick wird keine Redaktionelle Verantwortung mittragen. (Siehe Teilnahmebedingungen) Nur von der erwarteten Auflagesteigerung profitieren. Warum nicht gleich das altbewährte Trio Blocker-Brunner-Mörgeli einstellen? Blick als Sprachrohr der SVP ohne Blochers Mitfinanzierung. Das "Blocherprinzip" schleicht sich einmal mehr in die Medien.

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