Aktuell – 11.12.2013

Es lockt das Watson-Abenteuer

Das geplante Online-Portal "Watson" ist das Medienprojekt der Stunde. Derzeit arbeiten 15 Personen am Start-up des ehemaligen "20min.ch"-Chefs Hansi Voigt. Bis zum Start im nächsten Frühjahr sollen 40 Medienschaffende angestellt sein. Auch namhafte Journalisten steigen bei "Watson" ein. Eine Faszination mit wenig Sicherheit. Von Eva Pfirter

Es sind noch nicht alle Namen jener Leute durchgesickert, die beim neuen Online-Portal "Watson" anheuern. Etliche wechseln von 20minuten.ch, der früheren Redaktion von Hansi Voigt. Und einige Namen sind bekannt. Unter anderem wechselt die Kulturjournalistin und Kolumnistin Simone Meier zum jüngsten Start-Up der Medienbranche. Sie gibt dafür nach 16 Jahren ihre Stelle beim "Tages-Anzeiger" auf. "Watson" sei ein Versprechen, sagt Simone Meier. "Ein Versprechen von Abenteuer, Kreativität und Idealismus." Etwas, das es bisher in der Medienbranche nicht gegeben habe.

Es sei für sie rasch klar gewesen, dass sie zu "Watson" wolle – zu diesem "neuen, frischen, agilen und aufregenden Projekt", sagt Meier. Auf die Frage, ob es ihr schwergefallen sei, ihre "Tagi"-Stelle aufzugeben, sagt sie: "Ich wollte nie ein Leben lang am gleichen Ort arbeiten." Ab dem zehnten Jahr beim Flaggschiff der Tamedia habe sie sich immer mal wieder gefragt: "War’s das jetzt? Gibt’s da nichts anderes mehr, was ich ausprobieren könnte?" Die (Medien-)Berufswelt sei für sie immer ein Ort gewesen, der mobil, provisorisch und kreativ sein müsse. Dafür nimmt sie auch ein Risiko in Kauf.

Ziel: neue Erzählformen finden. Risikobereitschaft müssen wohl alle Journalistinnen und Journalisten mitbringen, die zu "Watson" wechseln. "Alle wissen, dass das Projekt auch schief gehen kann", sagt Hansi Voigt. "Materielle Sicherheit kann ich nicht versprechen." Es ist gut möglich, dass sich bereits nach ein oder zwei Jahren Ernüchterung einstellt.

Die Medienwelt verändert sich rasend schnell, dessen ist sich auch "Tages-Anzeiger"-Redaktor Philipp Löpfe bewusst. "Doch das Konzept von Voigt ist nicht schlecht." Löpfe klingt am Telefon weniger euphorisch als Simone Meier. Und doch hat er sich nach reiflicher Überlegung für diesen Wechsel entschieden. Die Entscheidung sei ihm schwer gefallen. "Ich war zufrieden, konnte das machen, was ich wollte", sagt er. "Es ist relativ einfach: Ich bin jetzt gut 60 Jahre alt und möchte noch einmal etwas Neues wagen." Löpfe ist überzeugt, ähnlich arbeiten zu können wie bisher. "Ich wurde für das geholt, was ich jetzt mache."

Zurück zum Inhalt? Voigt sagt, er habe mit den einzelnen Journalistinnen und Journalisten noch nichts definiert: "Das sind alles Leute, die offen für Veränderungen sind." Simone Meier ist für diese Veränderung bereit: "Ich bin offen und gespannt." Sie vertraut darauf, dass Voigt keiner ist, der Journalisten verbiegen will: "Es gibt ein paar Themenfelder und einen Tonfall, den ‚meine’ Leser heiss lieben. Und so, wie ich Hansi Voigt kennen gelernt habe, will er mir das auch gar nicht austreiben."

Es existieren viele Ideen darüber, was "Watson" sein oder werden könnte. Was spürbar ist, ist die Hoffnung, dass "Watson" die Rückbesinnung auf den Inhalt vorantreibt. Hansi Voigt glaubt, dass es dieses "Investment" in den Inhalt ist, das Medienschaffende anzieht. Was er konkret biete, sei eine "Auseinandersetzung mit dem Online-Journalismus und allen Möglichkeiten, die sich da bieten". Man müsse im Online-Bereich neue Erzählformen suchen, sich wirklich einlassen auf dieses neue Medium, auf diesen einen Kanal. Und das möglichst ohne Zwänge, sagt Voigt. "Was ich biete, ist eine nicht-konvergente Redaktion."

Dieses Argument war unter anderem ausschlaggebend für Philipp Löpfe. Der Wirtschaftsredaktor glaubt nicht ans Konzept des konvergenten Newsroom. Die unterschiedlichen Kanäle, die Journalisten heute beliefern müssen, verursachten gros­se Reibereien, sagt Löpfe. "Eine Redaktion ist keine Autofabrik", sagt er. Diese
Art des Arbeitens komme einer "Industrialisierung des Journalismus" gleich. Löpfe bedauert diese Entwicklung. Der "Tages-Anzeiger"-Redaktor und Hansi Voigt kennen sich aus den 90er-Jahren, als sie zusammen bei "Cash" arbeiteten. Für Löpfe hat "Watson" gewisse Parallelen zu "Cash": Zwar sei das Projekt mit einem grösseren Verlagshaus (der AZ Medien AG) verbunden, ansonsten jedoch eigenständig. Löpfe fasziniert, dass es "nur um den Journalismus" gehe. "Es herrscht ein guter Spirit", sagt er und beginnt, von den Räumlichkeiten am Escher Wyss-Platz und der Software zu schwärmen. "Vielleicht könnte dieses Projekt wirklich hinhauen."

Wie bei Geheimorganisation. Die zukünftigen "Watson"-Mitarbeiter vertrauen offenbar vor allem der Person von Hansi Voigt. Denn konkret ist wenig über das neue Projekt bekannt. Es sei ähnlich wie bei einer Geheimorganisation, sagte einer, der bereits unterschrieben hat, jeder wisse bisher höchstens soviel, wie es für ihn ­gerade nötig sei.

(TEXT aus dem Edito +Klartext-Heft, das diese Woche erscheint.)

3 Kommentare

#1

Von Bucher Bruno
11.12.2013
Es fühlt sich an wie bei Jeff Bezos. Mal schauen, ob Hansi Voigt zum Zampanoo des Deutschschweizer Medienzirkus mutiert. Jedenfalls macht er es wie Bezos: er holt nur die Supertalente.

#2

Von Meile
12.12.2013
Allen die bei diesem neuen Projekt mitmachen,herzliche Gratulation.Auch den Printmedien müsste es aufgefallen sein, dass 90% aller Pendler dauernd am I Phone herumspielen.Es ist kaum anzunehmen, dass mit dem älter werden sich etwas ändern wird.Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünsche ich einen erfolgreichen Start in die neue Welt der News.

#3

Von Denise W.
23.01.2014
Bin schon gespannt darauf! Denise W.

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