Aktuell – 13.12.2013

René Lüchingers Buch über Elisabeth Kopp provoziert Moritz Leuenberger

Am 12. Dezember fand die Buchvernissage zu "Elisabeth Kopp. Zwei Leben – ein Schicksal. Aufstieg und Fall der ersten Bundesrätin der Schweiz" statt. Schon am 3. Dezember sah sich der ehemalige Bundesrat Moritz Leuenberger veranlasst, in dieser Sache eine Richtigstellung an diverse Medien zu verschicken: Im Zusammenhang mit der damaligen Telefonüberwachung gegen den Gatten der damaligen Bundesrätin Kopp würden im Buch falsche Tatsachen dargestellt. Er habe aber nicht vor, juristisch gegen Kopp oder das Erscheinen der Kopp-Biografie vorzugehen.
An der journalistischen Recherche brisant ist: der Autor der Biografie heisst René Lüchinger und ist der heutige Chefredaktor des Blick. Eine Buchrezension von Peter Studer.

Am Donnerstagabend war Buchvernissage von Lüchingers über weite Strecken gelungenem Versuch einer Doppelbiografie der ersten Bundesrätin und ihres Ehemanns. Ich habe des Buch in einem Zug gelesen, weil es auch Teile meiner Vita spiegelt: Ich war vor allem mit dem ein paar Jahre älteren Hans W. in Luzern aufgewachsen und später auch mit Elisabeth befreundet. Dazu kommt, dass ich – Journalist und Jurist – auf die Recherchequalität sehr gespannt war, zumal das Buch bereits letzte Woche heftige Kontroversen ausgelöst hatte.

In einem Interview erklärte die AltBundesrätin der "Berner Zeitung": "Als Leiter der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK liess [PUK-Präsident und SP-Nationalrat] Moritz Leuenberger unsere Telefone abhören. Selbst das unserer Tochter und auch jene im Anwaltsbüro meines Mannes". Deswegen seien Kunden der Anwaltskanzlei abgesprungen, "darauf folgte unser finanzieller Ruin". Lüchinger sekundiert im Buch: Leuenberger habe "über die Bundespolizei und abgesegnet von einem Bundesrichter während dreier Wochen über ein Dutzend Telefone der Anwaltskanzlei Kopp" und Privatapparate abhören lassen" (S. 240). Der insoweit verdächtigte Leuenberger ist tief verärgert und schreibt in einer Medienmitteilung vom 2. Dezember. "Es trifft nicht zu, dass die PUK diese Telefone überwacht hat. Sie hat dies weder angeordnet noch genehmigt und hat auch keine Abhörprotokolle gesehen. Die PUK hat lediglich einen schwerwiegenden Verdacht an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet" und im übrigen am Ende die Kanzlei Kopp voll entlastet (siehe auch Medienmitteilung 12. März 1990).

Leuenberger doppelt nach: Die Bundesrätin habe ihren Mann am 27. Oktober 1988 – kurz vor ihrer Wahl zur Vizepräsidentin – telefonisch über den Tip ihrer Mitarbeiterin informiert, Hans W. Kopp gerate als Verwaltungsvizepräsident der Zürcher Geldwechselfirma Shakarchi ins Zwielicht. Denn diese Firma stehe unter Geldwäschereiverdacht [der sich zuguterletzt trotz einiger Indizien nicht bewahrheitete]. Die Justizministerin riet ihrem Mann zum sofortigen Rücktritt aus dem Shakarchi-Verwaltungsrat. Leuenberger: "Gravierender als das Telefonat fand die PUK, dass Frau Kopp den Bundesrat während mehr als einem Monat nicht über die Wahrheit informierte", nämlich dass der Tip nicht aus Bankkreisen, sondern aus dem Innern des Departements selber kam. Das erfuhr Elisabeth Kopp am 7. November 1988 von ihrem Generalsekretär. Aber auch später noch bestritten Hans W. Kopp und seine Frau den Telefonanruf gegenüber Medienleuten. Am 9. Dezember schrieb "LeMatin" präzis über Telefonat und Quelle. Der Bundesrat nahm von Frau Kopps hastig gelieferter Erklärung Kenntnis, wollte ihr aber nicht das Vertrauen aussprechen. Drei Tage später erklärte die Justizministerin ihren Rücktritt.

Im Vorwort schreibt Lüchinger, der Elisabeth Kopp im Frühjahr 2012 zum ersten mal getroffen hatte und hernach 30 Interviewstunden mit ihr verbrachte: Er habe ihr jedes Kapitel vorgelegt und danach nur einen einzigen persönlichen Satz herausgestrichen: "Keine ihrer Aussagen hat nicht gestimmt", fasst er im Vorwort zusammen. Dieser Darstellung widersprechen allerdings die Fakten, als damals das Eheparr Kopp departementsinterne Vorgänge geleugnet (November 1988).

Das Buch ist von der Sympathie des Autors für sein Gegenüber getragen. Lüchinger steigt tief in die Familiengeschichten der beiden Protagonisten hinein, erläutert die Stammbäume der Familien Iklé und Kopp: Vater Iklé St. Galler Filmkaufmann deutschjüdischer Abkunft, Kriegswirtschaftsplaner im Bundeshaus während des 2. Weltkriegs; Vater Kopp, ein Eisenbahnersohn, freisinniger Stadtpräsident von Luzern. Elisabeth Iklé wirkte jahrelang für die Ungarnflüchtlinge nach dem Aufstand 1956. Hans W. Kopp glänzte als Jungjurist mit 800 seitiger rechtstheoretischer Dissertation, gab sich als aufgeklärter Antikommunist und entwarf das Gerippe einer geistigen Widerstandsorganisation (der ich, wie Niklaus Meienberg, einige kurze Jahre angehörte).

Zumikon wählte Elisabeth Kopp zur ersten Gemeindepräsidentin der Deutschschweiz; auf der freisinnigen Landliste wurde sie Nationalrätin (1979, neben den Erstlingen Christoph Blocher und Moritz Leuenberger). In der FDP, der sie spät beigetreten war, fiel sie auf durch Postulate einer "massvollen Umweltschutzpolitik", was ihr der rechte Parteiflügel übel nahm (Lüchinger nennt sie, etwas übertrieben, "grüne Wanderpredigerin"). Als 1984 ihre Wahl als freisinnige und überhaupt erste Bundesrätin anstand, schlug Misstrauen gegen ihren Gatten hoch. Der war 1979 Gründerpräsident der ersten Schweizer Risikokapitalfirma Trans K-B, die erst als Highflyer an der Börse aufstieg und dann 1982 wie eine Sternschnuppe in die Pleite stürzte. (Das Bundesgericht verurteilte Hans W. Kopp 1994 wegen Betrugs zu einer einjährigen bedingten Freiheitsstrafe). Aber Elisabeth Kopp triumphierte über den wirtschaftsnahen freisinnigen Gegenkandidaten. Als Justizministerin überzeugte sie, punktete mit einer ersten Gesamtanalyse des Asylproblems und schien auf höchste Bundesweihen zuzufahren – bis zum berüchtigten Warnanruf an ihren Gatten.

Elisabeth Kopp wies zunächst "jede rechtliche und moralische Schuld" für Telefonat und Folgen von sich und fühlte sich vom Bundesrat wie auch vom Parlamentsfreisinn verraten. (Das Bundesgericht hat sie später von der Verletzung des Amtsgeheimnisses freigesprochen). Immerhin, unmittelbar nach der PUK-Debatte im Parlament, veröffentlichte sie unter dem Titel "Schwächen und Fehler – Elisabeth Kopp nach der PUK Debatte" ein berührendes Geständnis über ihr Verhalten nach dem Telefonanruf; sie könne es aus der Distanz "schwer nachvollziehen". Und sie entschuldigte sich bei Bundesrat und Parteifreunden, die sie "enttäuscht und verletzt" habe (Mitte Dezember 1989, Buch S.244). Heute äussert sie sich zum Teil anders, was für manche Beobachter und den Schreibenden auch wieder schwer nachvollziehbar ist.

Lüchinger zeichnet dieses Geschehen nach. Ich hätte mir gewünscht, dass er bei den oft trivialen Anekdoten aus frühen Lebensphasen der Kopp-Iklés Recherche und Raum eingespart und dafür die neuesten Vorgänge besser ausgeleuchtet hätte. Weshalb zwei Buchseiten über den Versuch der Philosophin Jeanne Hersch, die Hauptschuld am "Fiasko" der ersten Bundesrätin den Medien anzulasten? Obwohl gewisse Medienschlagzeilen auf das hinweisen, was man heute einen "Shitstorm" nennt, gab es ein wegweisendes Bundesgerichtsurteil, das die Recherche der preisgekrönten "Tages-Anzeiger"-Journalisten zum Shakarchi-Verdacht gerade gegen den Gatten einer Magistratin billigte (Juli 1994). Weshalb fehlt eine Skizze des einstimmigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR? Es stimmte dem Kläger Hans W. Kopp gegen die Schweiz zu und kritisierte die Telefonabhörung als Verletzung des Anwaltskanzleischutzes. Aber es stufte auch die hohe Schadenersatz- und Prozesskostennote von rund 700‘000 SFR auf niedrige 15‘000 SFr. hinunter (März 1998) Klienten der Anwaltskanzlei seien nicht wegen des Abhörens, sondern wegen des Betrugsurteils des Bundesgerichts (1994) und wegen des Entzugs des zürcherischen Anwaltspatents ausgeblieben, befand der EGMR.

Lüchinger hat umfangreiches Aktenstudium betrieben und mit vielen Leuten gesprochen. Weshalb nicht mit Moritz Leuenberger, der auch in seinem Text schlecht wegkommt als einer, der mangels "handfest Belastendem" weniger am PUK-Thema "Kopps Justizministerium" und mehr am Fichenskandal interessiert gewesen sei? (S. 232 ff). Lüchinger: Die Bundesanwaltschaft quittierte nach der Telefon-Abhörung, sie habe ihre Ermittlungen "in enger Zusammenarbeit mit dem PUK-Präsidenten Leuenberger" durchgeführt (6. März 1990). Dieser wollte, wie Lüchinger aus einem Brief Leuenbergers an den Bundespolizeichef zitiert, "über jeden Schritt informiert werden" (5. September 1989). Was immer das heisst: Lüchinger meint, 25 Jahre später wollten alle Beteiligten eben ihre Sicht vermitteln. Aber er gibt zu, er hätte gerade darüber breiter und tiefer schürfen sollen. Die Jugend-Anekdoten des Paars habe er aber nicht opfern wollen; eine solche Biografie müsse ja auch Human Touch und die persönlich-politischen Spannungen jener Jahre wiedergeben. Das ist ihm gelungen; die unvoreingenommene Beurteilung der Fehler, die zum Sturz der ersten tüchtigen Bundesrätin führten, vielleicht weniger.

2 Kommentare

#1

Von Franz Kengelbacher
15.12.2013
Es ärgert mich immer wieder, dass die Presse immer wieder den Ausdruck “falsche Tatsachen” verwendet. Das gibst nun einfach nie und nimmer. Auch wenns Moritz Leuenberger gesagt haben soll.

#2

Von Michael Gerber
09.02.2014
In den zwei wesentlichen Kritikpunkten, der zu ausführlichen Darstellung insbesondere der Familiengeschichte Iklè und der zu knappen Ausführung der rechtlichen und politischen Prozesse um die PUK und die Kanzlei von H. W. Kopp möchte ich mich dem Rezensenten anschliessen.
Andererseits habe auch ich das Buch in einem Zug durchgelesen und habe die positive Grundeinstellung Frau Kopp gegenüber als angenehm empfunden, dem Wirken der ersten Bundesrätin der Schweiz gegenüber angemessen.
Dass sich ausgerechnet der über 10 Jahre ohne jeden Leistungsausweis im Bundesrat einsitzende M. Leuenberger penetrant zu Wort meldet, überrascht mich nicht, er muss wegen seiner Amtsführung gegenüber dem Schweizervolk das schlechte Gewissen haben, welches er Frau Kopp gern weiter einredet!

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