Aktuell – 02.03.2015

Zum Tod von Kurt Imhof

"Wer, wie wir, ein Gespräch mit Kurt Imhof auf Papier wiedergibt, unterschlägt zwangsläufig eine eindrückliche akustische Kulisse. Kommt der Soziologe erst einmal richtig in Fahrt, lacht es immer wieder glucksend aus ihm heraus, ein kerniges, grundzufriedenes Lachen, und man spürt: Der Mann ist in seinem Element. Wenn er sich dazu noch eine Zigarette nach der andern ansteckt und den Oberkörper über die Tischplatte lehnt, um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen, wähnt man sich eher am Stammtisch als einem Professor gegenüber. Der lockere, bisweilen gar ins Saloppe neigende Rahmen steht in scharfem Kontrast zu Imhofs Antworten. Die sind druckreif bis auf den letzten Nebensatz, gespickt mit akademischem Jargon und oft mit einem Angebot zur Debatte. Imhof ist ein Spieler, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt, aber auch zuhören kann und die Argumente des Gegenübers auf- und ernst nimmt."

Dieser Text stand als Ergänzung zu einem Interview unter dem Titel "Wir können nicht warten, bis alles platt ist", das KLARTEXT 2010 mit Kurt Imhof führte. Und genau so war Imhof: Scharf denkend und formulierend, kritisch, oft auch polemisch – und gleichzeitig jederzeit bereit, in sein Lachen auszubrechen. Manche, die seine Kritik an der Mediensituation in der Schweiz nicht hören wollten, ablehnten und dennoch anhören mussten, haben sich wahrscheinlich innerlich furchtbar geärgert: Dem Kerl macht es auch noch Spass!

Als "Aushängeschild" des fög – Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich und vor allem dessen Jahrbuch "Qualität der Medien" war Kurt Imhof nicht nur in der Medienszene, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt. Zumal er sich, wenn die Medien anfragten, auch gerne und pointiert zu anderen – mehr oder weniger soziologischen – Themen äusserte. Zum Beispiel 2008 zum Thema Botéllon unter dem Titel "Macht Massenbesäufnisse! Es gibt Dümmeres" 2008 im "Tages-Anzeiger": "Was bleibt dir, wenn dich deine Freundin wegen eines anderen verlässt? Die Moral. Alkoholverbot. Sexverbot. Übergriffverbot. Rauchverbot. Nachttrinkverbot. Weil nicht über die Ursache diskutiert wird. Niemand redet vom Scheitern des neoliberalen Systems, niemand von der Regulierung der Wirtschaft."

Politik spielte immer mit. Das fög untersucht "die Grundbausteine der sozialen Welt, Kommunikationsereignisse". Und das Jahrbuch, das Imhof mit seinem Team aufbaute, analysierte und kritisierte die Medien nicht einfach um des Analysierens und Kritisierens willen, sondern auch aufgrund von Fragen wie: Was leisten die untersuchten Medien für die Demokratiemündigkeit der Bürgerinnen und Bürger? Leisten sie genug? Was bedeutet die Boulevardisierung und Banalisierung von politischen Themen für das demokratische System Schweiz?

Diese Arbeit wird das fög-Team hoffentlich weiterführen und seinen nicht immer gerne gehörten Input über die Qualität der Schweiz Medien weiterhin in die Diskussion einbringen können – wenn nötig, ebenso zugespitzt formuliert, wie es Imhof jeweils getan hat. Die Kritik des Jahrbuchs wurde mit der Zeit oft routiniert eingesteckt oder abgelehnt, von Medienhäusern, Medienorganisationen und auch Medienschaffenden. Und es ist zu befürchten, dass all jene, die sich beim Bekanntwerden des Todes von Imhof mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam eine Träne oder Krokodilsträne abwischten, diese Gewohnheiten beibehalten. Doch ganz ignorieren liessen sich die Befunde nicht. Deshalb: Macht weiter. Auch wenn Imhof nicht mehr lacht.

Nachrufe auf Kurt Imhof finden sich zum Beispiel in der NZZ , im "Tages-Anzeiger" , bei SRF , bei Watson und bei Persoenlich.

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