Aktuell – 13.12.2018

Basels Zeitungen müssen sich neu positionieren

Besitzerwechsel, Mantelwechsel, Chefredaktorenwechsel – die Basler Medienszene ist derzeit wohl die unruhigste Medienregion der Schweiz. Ausserdem locken ein Nischenplatz und eine Million Franken Stiftungsgelder.

Von Bettina Büsser

Die Basler Medien sind massiv im Umbruch – und er reicht bis in die Nischen: Die «Basler ­Zeitung» erhält einen neuen Chefredaktor und gehört nun zu Tamedia, die «bz Basel» hat einen neuen Chefredaktor und gehört nun zu CH Media, die ­«TagesWoche» verschwindet, das Nachrichtenportal barfi.ch ist Konkurs gegangen, das Online-Magazin PrimeNews.ch ist neu, und rund um die Nachfolge der «TagesWoche» gibt es allerlei Ideen und Begehrlichkeiten.

Basel wird ummantelt. Basel ist der einzige Ort in der Schweiz, an dem die beiden grossen Deutschschweizer Mantelsysteme direkt aufeinandertreffen werden, der CH-Media-Mantel bei «bz Basel/Basellandschaftliche Zeitung», der Tamedia-Mantel bei der «Basler Zeitung». Diese Ummantelung bedeutet einen massiven Einschnitt: Es gibt in Basel keine Vollredaktion mehr. Die beiden Zeitungen ­können sich also nur durch ihren Lokal- und Regionalteil profilieren.

Bei «bz Basel/Basellandschaftliche Zeitung» hat Verleger Peter Wanner Chefredaktor David Sieber* entlassen und durch Patrick Marcolli ersetzt. Das hat gemäss verschiedenen Quellen mit einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Wanner und Sieber zu tun, und damit, dass ­Wanner offenbar schnell einschreitet: Sieber war wie sein Vorgänger, Matthias Zehnder, nur rund drei Jahre im Amt.

Die Positionierung der «bz Basel» spielt aber auch eine Rolle. Sie wurde 2012 als Stadtbasler Kopfblatt von «bz ­Basellandschaftliche Zeitung» neu in den Markt gebracht, als ­Reaktion auf die Übernahme der BaZ durch rechtsbürgerliche Kreise um Christoph Blocher und als Alternative zur BaZ. Allerdings war dies schwieriger als erhofft. Denn der Mantel der «bz Basel» kam von den AZ Medien – und der «Groove» einer Aargauer oder Basellandschaftlichen Zeitung kam bei den Stadtbaslern nur bedingt an.

Schwierige Positionsbezüge. Nun ist die BaZ nicht mehr Blocher-Zeitung, sondern Tamedia-Zeitung. Wie soll sich die «bz Basel» nun neben ihr positionieren? Kann ihr die «neue» BaZ Abonnenten abnehmen, wird sich die CH Media mittelfristig fragen, ob sich die Investition lohnt. Aber auch die BaZ hat ein Positionierungsproblem: Ein Teil ihres Publikums hatte sie bisher trotz ihrer teilweise rechtsbürgerlichen Ausrichtung (weiterhin) abonniert, ein anderer genau wegen dieser Ausrichtung.

Wird der eine oder andere Teil vergrault, wenn sich die BaZ verändert? Entscheidend ist der lokale und regionale Teil, und hier gibt es ­widersprüchliche Signale. Ein grosser Teil der bisherigen Lokal-Journalistinnen und -Journalisten bleibt bei der BaZ. Gleichzeitig wird mit dem Nachfolger von Markus Somm, Marcel Rohr, ein Chefredaktor eingesetzt, der als politisch offen und als eher unbeschriebenes Blatt gilt.

Die BaZ war keineswegs die geliebte, tief ver­ankerte Zeitung der Stadt.

Gibt es in Basel überhaupt genügend Unterstützung und Abonnenten für zwei Tageszeitungen? Zwar handelt es sich um einen der wichtigsten Wirtschaftsräume der Schweiz; aus werbetechnischer Sicht war die BaZ deshalb schon lange interessant für Verleger aus anderen Regionen. Im ­Leserbereich aber hatte sie immer einen schweren Stand, auch wenn die Aufregung nach der Blocher-Übernahme darüber hinwegtäuscht.

Damals unterschrieben zwar gegen 20 000 Personen den Aufruf «Rettet Basel!», doch die BaZ war keineswegs die geliebte, tief verankerte Zeitung der Stadt. Entstanden ist sie 1977 aus der Fusion der linksliberalen «National-Zeitung» mit den bürgerlich-konservativen «Basler Nachrichten»; es war die erste grosse Zeitungs­fusion in der Schweiz: Zwei Zeitungen waren zu viel für ­Basel. Danach war die BaZ Monopolistin. Und viele waren mit ihr unzufrieden.

Visionen und Verluste. Bereits 1998 entstand mit dem heute noch bestehenden News-Portal OnlineReports von Peter Knechtli ein erstes Nischenprodukt, das in der Lokalberichterstattung unter anderem als Korrektiv gegenüber der Monopolistin BaZ wirkte. Auch über andere Alternativen zur BaZ wurde nachgedacht. 2004 unterschrieben rund 2500 Personen eine Petition an die NZZ mit dem Wunsch nach einem Basler Bund der Zeitung. Nicht zuletzt entstand auch die Idee zur «TagesWoche» bereits vor der Übernahme der BaZ durch Blocher.

Nach der Übernahme waren Zeit und Stimmung reif für die «TagesWoche». Rund 10 000 Personen abonnierten 2011 das aus Online-Artikeln und einer Wochenzeitung bestehende neue Produkt. Die Ausgangslage schien entsprechend gut, zumal die «TagesWoche» weitgehend stiftungsfinanziert war.

Dennoch: Nach Irrungen und Wirrungen, Konzeptänderungen, Streitfällen, gefakten Auflagezahlen, Abbau und auch viel gutem Journalismus kam im November bereits das seit längerem absehbare Ende. Wirtschaftlich kam die «TagesWoche» nie auf einen grünen Zweig – Schätzungen sprechen von einem Defizit von zuletzt zwei bis drei Millionen Franken jährlich. Dies obwohl die «Stiftung für Medienvielfalt» sie teilfinanzierte.

Laut Andreas Miescher, Stiftungsratspräsident der «Stiftung für Medienvielfalt», hat die Stiftung bereits vor zwei Jahren bekanntgegeben, dass sie für die «TagesWoche» eine Million Franken jährlich zur Verfügung stellen könne. Mit der Schliessung der «TagesWoche» könne dieser Betrag für ein  anderes Medium in der Region Basel eingesetzt werden. «Wir sind im Kontakt mit der Gruppe, die ein Folgeprojekt zur ‹TagesWoche› entwickelt», so Miescher. Definitiv entschieden sei aber noch nichts.

«Zu all Ihren Fragen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen, es gibt nichts zu informieren.»

Sibylle Schürch

Projekte und Portale. Bei dieser Gruppe handelt es sich um ein Team um die bisherige «TagesWoche»-Geschäftsführerin Sibylle Schürch, das ein Konzept für ein neues Medium entwickelt. Es handle sich, so ist gerüchteweise zu hören, um ein Printmagazin, das monatlich erscheinen soll. «Zu all Ihren Fragen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen, es gibt nichts zu informieren», sagt Schürch zu EDITO.

Gleichzeitig ist ein zweites Projekt in Arbeit. Angestos­sen wurde es von Guy Krneta, Schriftsteller und einer der Initianten von «Rettet Basel!». In einem «Offenen Brief» brachte er bereits die Idee ins Spiel, «Rettet Basel!» solle Aktien und Infrastruktur der «TagesWoche» übernehmen. Und ging bereits einen Schritt weiter: «Matthias Zehnder und ich wurden von Guy Krneta angefragt und arbeiten nun an einem Konzept», erklärt Hansi Voigt, Ex-Chef watson, Verwaltungsrat zentralplus, Mitbegründer von dasnetz.ch, wePublish und Verband Medien mit Zukunft.

Es handle sich um ein Online-Portal mit «Basler Blick», Schwerpunkten auf Politik und Kultur und «guten und glaubwürdigen Geschichten». Wichtig dabei: «Es ist ein Kollabora­tionsmodell, vernetzt und dezentral. Durch Austausch von Inhalten mit anderen regionalen Plattformen soll es ein breites Portal werden.» Finanziert werden soll es laut Voigt zu einem Teil durch Stiftungen, dazu sollen Nutzerinnen und Nutzer einen geringen Mitgliederbeitrag bezahlen. «Es ist weder ein Konzept von ‹Rettet Basel› noch von der ­‹TagesWoche›», so Voigt: «Wir wollen die Vorgeschichte ausblenden und keine Diskussionen darüber führen, wer wann was falsch gemacht hat. Sollte unser Projekt zu Zwist führen, behalten Matthias Zehnder und ich uns vor, es zurückzuziehen.»

Auch für dieses Projekt soll es eine Eingabe bei der «Stiftung für Medienvielfalt» geben. Laut Andreas Miescher hat die Stiftung vonseiten von «Rettet Basel» bisher nichts direkt gehört: «Es gibt den ‹Offenen Brief›, aber das ist kein Gesuch für die Unterstützung eines konkreten Projekts. Wird ein solches Gesuch von dieser Seite gestellt, wird man es selbstverständlich behandeln.»

Auch eine weitere Partei könnte ins Spiel kommen: «Wir beobachten die Situation in Basel sehr genau und könnten uns vorstellen, dort in der weiteren Entwicklung der ‹Republik› einen Pflock einzuschlagen», so Christof Moser, Co-Gründer «Republik». Gespräche dazu hätten aber bisher nicht stattgefunden: «Wir rätseln ein bisschen, was die vieldeutigen, aber unklaren Aussagen der Verantwortlichen genau bedeuten. Was für die ‹Republik› sicher nicht in Frage kommt, sind Investitionen in ein Printprodukt.»

*David Sieber wird neu Chefredaktor von «Schweizer Journalist».

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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