Röstigraben – 10.06.2020

Bernard Wuthrich: Oft fehlen die Antworten

Bernard Wuthrich ist Bundeshauskorrespondent für die Tages­zeitung Le Temps.­

Das Coronavirus hat nicht alle Regionen unseres Landes gleich stark befallen: Das Tessin und die Westschweiz wurden härter getroffen als die Deutschschweiz. Die Westschweizer Journalistinnen zeigten sich sehr feinfühlig. Ihnen leuchtete im Gegensatz zu ihren Deutschschweizer Kollegen von Beginn an ein, warum Anfang März der Gesundheitsnotstand verordnet werden musste. Einerseits konnten sie sich auf Berichte aus erster Hand und andererseits auf alarmierende Informationen über die Verbreitung des Virus stützen. Während in der Romandie die gesundheitlichen Sorgen die Berichterstattung länger dominierten, fokussierte die Presse ennet der Saane sehr früh auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise. Das wäre vielleicht anders gewesen, wenn sich das Virus auch in der Deutschschweiz so heftig ausgebreitet hätte. Doch die wirtschaftlichen Fragen, die auch soziale sind, haben schliesslich im ganzen Land überhandgenommen.

Um die nötige Distanz einzuhalten, hat die Bundeskanzlei in Bern entschieden, pro Medium nur einen Vertreter physisch in den Presseraum zuzulassen. Das war natürlich nicht ideal. Doch sie hat es den anderen akkreditierten Journalistinnen ermöglicht, ihre Fragen per Telefon zu stellen. Das funktioniert ganz gut, ohne Filterung.

Die bundesrätliche Kommunikation leidet allerdings an einem zentralen Problem. Von der Dringlichkeit überrumpelt, musste der Bundesrat seine Entscheide zu einem grossen Teil improvisieren. Die Widersprüche waren deshalb zahlreich. Sie müssen hinterfragt werden. Das wird gemacht, doch oft fehlen die Antworten.

Die Pressekonferenzen des Bundesrates und des BAG sind so erfolgreich wie noch nie: Mehrere Zehntausend Personen verfolgen sie im Internet und die Journalistinnen stellen viele Fragen. Oftmals dauern die Pressekonferenzen länger als 90 Minuten – das ist neu! Doch am Ende bleiben immer auch Zweifel. Zudem sind die Antworten der Verwaltung und ihrer Experten manchmal verwirrend. Oder inexistent. Diese durch ­die Krise hervorgerufene Frustration ist eine grosse Heraus­forderung für alle Medien!

 

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