Bundesrat Ueli Maurer blickt gähnend aus dem Fenster der Chartreuse de la Lance in Concise, Waadt, während der Bundesratsreise am 1. Juli 20201

Fotolabor – 01.11.2021

«Bilder können die Welt verändern»

Keystone-Fotograf Laurent Gilliéron gibt Einblick in seine Arbeit.

Kinder bauen ihre eigene Zivilgesellschaft auf und wählen am 23. November 2020 die Flagge ihres Dorfes. Drei Lausanner Kindergärten hatten ein Projekt lanciert, bei dem Kinder zu Akteuren des Zusammenlebens wurden.

Bundesrat Alain Berset während eines Besuchs in einem Klassenzimmer der Haute Ecole Arc Santé am 16. Dezember 2020 in Neuenburg.

Fassungslosigkeit nach einem heftigen Sturm in Cressier (NE): Ein Auto ist unter Trümmern begraben, 23. Juni 2021.

Fast ein Stück Normalität: Ein Älpler lauscht dem Klang der Alphörner an der Désalpe de Charmey am 26. September 2020 in Charmey (FR).

Ein Krokodil schlüpft aus dem Ei, 25. Juni 2020 im Aquatis in Lausanne.

Interview: Jean-Luc Wenger, Bilder: Keystone/Laurent Gilliéron

EDITO: Warum begeistert Sie Fotojournalismus und was fasziniert Sie an der Arbeit für eine Agentur?

Laurent Gilliéron: Im Fotojournalismus kann ich mit meinem ganz eigenen Blick, mit Technik und modernstem Material im Rahmen ethischer Berufsgrundsätze einen Event informativ und ästhetisch abbilden. Dank der vielfältigen Arbeit für eine Agentur bin ich sehr unabhängig. Es kommt oft vor, dass ich am selben Tag ein politisches Thema, eine Pressekonferenz und ein Fussballspiel ab­decke. Das macht aus mir einen kompletten Fotografen, der in kürzester Zeit qualitativ hochstehende Bilder liefert. Dies ist eine tägliche Herausforderung.

Sie waren auch an den Olympischen Spielen in Tokio. Mit ­welchen Eindrücken sind Sie zurückgekehrt?

Die Spiele waren ganz klar von der Pandemie geprägt. In 21 Tagen musste ich 21 PCR-Tests absolvieren. Wegen dieser «überwachten» Quarantäne kam ich leider mit der Lokalbevölkerung nicht in Kontakt. Mir fehlten vor allem die Emotionen, die anfeuernden Zurufe in den Stadien und der Austausch zwischen den Athletinnen und den Fans.

Wonach suchen Sie, wenn Sie ein Foto machen?

Ich versuche einen Moment, eine Aktion festzuhalten – ­so, dass die Leserschaft spüren kann, was da passiert ist. Ich will Informationen, aber natürlich auch Ästhetik vermitteln. Ein gutes Foto erfüllt diese zwei Kriterien.

Haben Sie manchmal Angst, ein falsches Bild zu vermitteln?

Davor brauchen wir keine Angst zu haben. Wir sind aus­gebildete Fachleute und erfüllen unsere Arbeit gemäss ­ethischen Grundsätzen. Wovor ich mich vielmehr fürchte, ist, dass unsere Bilder verfälscht werden. Das ist mir kürzlich mit einem Bild von Alain Berset so passiert. Das Bild zeigte ihn in einer Krankenpflegeschule – in einem Praxissaal mit Trainingspuppen. Verschwörungstheoretiker aus der ganzen Welt haben dann erzählt, Bundesrat Berset habe ein Krankenhaus mit gefakten ­Covid-Patientinnen besucht …

Ausserdem werden die Aus­sagen meiner Bilder hin und wieder auch durch die Kunden verfälscht. So wurde kürzlich ein Artikel zum Prozess gegen einen der Pädophilie angeklagten Angestellten einer Kinderkrippe mit einem Archivbild illustriert, auf der eine andere Krippe und eine Person erkennbar waren. Leider kommen solche Dinge jede Woche vor.

Kann ein Bild die Welt verändern?

Ja, natürlich kann ein Bild oder eine Bildserie die Welt verändern. Den Beweis liefern die jüngsten Bilder aus Kabul, welche die Hilflosigkeit der Leute zeigen. Darin sehen wir beispielsweise, wie sich Leute an den Flugzeugen fest­halten.

Oder das Bild von Aylan: Es zeigte 2015 den leblosen Körper des syrischen Flüchtlingskindes, das an einen Strand gespült worden war. Das Bild löste eine grosse Welle von Reaktionen und Emotionen aus. Es hat uns allen vor Augen geführt, wie akut und brutal die Flüchtlingskrise ist.

Diese zwei Beispiele zeigen, dass mit Bildern Veränderungen angestossen werden können. So werden Dramen, die sich fernab von unserer Vorstellungskraft ereignen, zu uns nach Hause in die Stube geholt.


Laurent Gilliéron (45) arbeitet seit 1997 als Fotograf und seit über 20 Jahren für die Agentur Keystone-SDA. Er hat an zahlreichen Grossevents fotografiert, unter anderem sechsmal an den Olympischen Spielen. Er wurde mehrmals mit dem Swiss Press Award ausgezeichnet.

laurentgillieron.ch

Ihr Kommentar

Bitte füllen Sie alle Felder aus.
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* = erforderlich

Sicherheitscode *