«Brief an …» – 27.12.2015

"Brief an …" Roger Köppel

Chapeau, Herr Köppel

Da haben Sie ja einen Coup gelandet! In Ihrer "Weltwoche" haben Sie nicht nur Sepp Blatter mit einem von Ihnen höchstpersönlich geführten Interview viel Platz für seine Sichtweise eingeräumt. Nein, Sie haben dem "Schmerzensmann des internationalen Fussballs" ("Weltwoche") mit seinem "dornenvollen Kampf für eine bessere Welt" (auch "Weltwoche") gleich auch noch zum "Schweizer des Jahres" ernannt.

Sepp Blatter, "Schweizer des Jahres" 2015 – das hat natürlich Aufsehen erregt, in der Schweiz und sogar über die Schweizer Landesgrenzen hinaus: Auch ausserschweizerische Medien wie Spiegel, Stern, Guardian, FAZ, Reuters berichteten darüber. Die ZDF-heute-show liess sich davon gar zu möglichen weiteren "Weltwoche"-Covers inspirieren (Helene Fischer als "Asthmatikerin des Jahres", der Islamische Staat als "Verein des Jahres").

Ihr Blatter-Interview allein hätte wohl kaum so viel Aufsehen erregt; schliesslich hat Blatter vorher und nachher Interviews gegeben. Aber mit dem "Schweizer des Jahres"-Dreh haben Sie Ihrer "Weltwoche" wieder einmal so eine richtig breite öffentliche Präsenz beschert. Das kann sie angesichts der Auflagezahlen ja gut brauchen. Deshalb: Chapeau, Herr Köppel!

Bloss: Da nagt etwas an uns …. diese Parallelen – ja, zwischen Sepp Blatter und Ihnen. Etwa im Bereich Mission. "Seine Gegner höhnen, aber Blatters missionarische Leidenschaft ist echt", attestieren Sie Blatter; doch auch Sie, geehrter Herr Köppel, sind ein Missionar: "Ich muss jetzt in dieses Getümmel einsteigen", sagten Sie in einem Interview: "Meine Mission ist die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Schweiz."

Sie wie Blatter schlagen sich dabei mit ähnlichen Gegnern herum, etwa mit den Mainstream-Medien. Blatter, so schreiben Sie, "wurde auf allen journalistischen Fahndungslisten zum Abschuss freigegeben". Und dass Sie selber die Schweizer Medienschaffenden fast ohne Ausnahme in einen "linken Mainstream" einordnen, ist bekannt.

Dazu kommen – bei Blatter wie bei Ihnen – fremde Richter, die Verwirklichung der Mission verunmöglichen wollen. "Wäre ich nicht auf Distanz gegangen, hätte die US-Justiz nachgeladen. Ich war das Ziel. (…) Der Verdächtige wird abgeschossen, lange bevor seine Unschuld allenfalls fest¬gestellt werden kann", klagte Blatter im Interview mit Ihnen. Sie selbst mussten in die Politik, wie Sie im Gespräch bekannten, weil "man die Volksrechte mit internationalen Richtern einschränken" will.

Und dann gibt es noch – bei beiden – die Verschwörer wider die Mission. Blatter erzählte Ihnen, er habe erfahren, "dass bereits (…) kurz nach meiner ersten Wahl zum Präsidenten aktiv gegen mich ge¬arbeitet wurde. Es sind Dokumente aufgetaucht, die für diesen Zeitraum erste konspirative Sitzungen belegen". Sie wiederum schlagen sich damit herum, dass "man" in Bern alles macht, "um die Schweiz am Volk vorbei in die EU zu schmuggeln."

Sie und Blatter haben noch mehr gemeinsam. "Ich komme aus einem Milieu, in dem man nicht abhebt. Wir Blatters sind eher die lavoratori, die Arbeiter", sagte Blatter. Sie erzählten in einem Interview, dass Ihre Urgrosseltern Bauern waren und Ihr Vater eine Maurerlehre gemacht habe; Sie seien der erste gewesen, der ins Gymnasium ging: "Aber ich glaube nicht, dass ich deswegen die Bodenhaftung verloren habe."

Und schliesslich wollen Sie beide erstens nur das Gute beziehungsweise Beste – und streben dieses Ziel in einem widrigen Umfeld an. "Wir wollen durch den Fussball Hoffnungen und Emotionen in eine Welt bringen, die aus den Fugen zu geraten scheint", so Blatter. Bei Ihnen ist es zumindest die Schweiz, die "den Bach runter geht". Um "die gefährdeten Säulen unseres Rechtsstaats" zu schützen, mussten Sie SVP-Nationalrat werden: "Es geht um die Schweiz. Da müssen persönliche Belange zurückstehen."

So viele Parallelen! Darum fragen wir uns: Kann es sein, dass bei Ihrer "Wahl" des "Schweizers des Jahres" bei Ihnen irgendetwas Unbewusstes gelaufen ist? Und Sie, amänd, eigentlich eher sich selber gemeint haben?

Grübelnd, aber dennoch freundlich grüssend, verbleibt

EDITO

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

1 Kommentar

#1

Von antoinette de boer
04.01.2016
Es fällt mir nicht leicht,es so ausdrücken zu müssen:
Köppel gleicht seiner eigenen ( leider gefährlichen ) karikatur:
Ein januskopf mit wendehals und dazu ein intelligenter und
begabter redner.

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