Aktuell – 16.09.2022

Das Bündnerland und sias medias

In Graubünden wird über eine italienischsprachige Nachrichtenagentur nachgedacht. Überhaupt befasst sich der dreisprachige Kanton intensiv mit seinen Medien.

Von Bettina Büsser

Die Bündner Kantonsregierung hat Ende Juni einen Vorstoss aus dem Parlament für eine italienischsprachige Bündner Nachrichtenagentur abgelehnt – aber nur, weil bereits Abklärungen für eine mögliche Unterstützung der italienischsprachigen Medien laufen. Dass dort Handlungs­be­darf besteht, hat eine im Januar erschienene Studie* im Auftrag des Kantons gezeigt. Sie kommt zum Schluss, das Bündner Mediensystem sei «intakt und trotz inter- und innerkantonaler Konzentrationsprozesse noch vielfältig», trotz «Dominanz» von Somedia in Deutschbünden. Die mediale Versorgung von Italienischbünden aber sei «kritisch».

Geld von Bund und Kanton. Graubünden befasst sich viel intensiver mit seinen Medien als andere Kantone. Das hat mit seiner Dreisprachigkeit zu tun. Seit 2017 finanziert der Kanton via Sprachenförderung zusammen mit dem Bund eine 50-Prozent-Stelle für italienischsprachige Nachrichten bei Keystone-SDA. Ab 1997 brachte Graubünden auch gemeinsam mit dem Bund das 1,2-Millionen-Franken-Jahresbudget für die Agentura da Novitads Rumantscha (ANR) auf, die den privaten rätoromanischen Medien Artikel zur Verfügung stellte.

Doch 2017 drohte das Medienhaus ­Somedia, die von ihm herausgegebene La Quotidiana, die einzige rätoromanische Tageszeitung, einzustellen, da sie trotzdem defizitär war. So wurde als ANR-Nachfolgerin die Fundaziun Medias Rumantschas (FMR) mit einem Budget von knapp 1,8 Millionen Franken gegründet. Sie liefert seit 2020 nicht nur Artikel, sondern produziert darüber hinaus die gesamte La Quotidiana mit Layout.

«La Quotidiana ist quasi ein 100-prozentiger Abnehmer, die anderen Partner verwenden zwischen 30 und 50 Prozent unserer Inhalte», sagt FMR-Chefredaktor David Truttmann. Das FMR-Material steht den Partnern – La Quotidiana, Pagina da Surmeir, Engadiner Post-Posta Ladina ­sowie Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) – auf einer Plattform zur Verfügung.

Ein Geben und Nehmen. Speziell an diesem Modell ist die Partnerschaft mit der RTR. «Der FMR stehen alle veröffentlichten Texte von RTR zur freien Verfügung. Bei Bedarf bedient sie sich direkt auf unserer Website», so Tamara Deflorin, Leiterin Kommunikation und Marketing bei RTR. Laut David Truttmann sind es täglich drei bis zehn RTR-Artikel, die die FMR verwendet. «Den umgekehrten Weg – von der FMR zu RTR – machen viel weniger Texte, vielleicht etwa drei pro Monat», so Truttmann.

Die FMR wird in der Studie über die Bündner Medien auch als mögliches Vorbild für eine italienischsprachige Agentur genannt. Wie die Medienförderung für Italienischbünden konkret aussehen soll, steht aber noch nicht fest. Nach dem Nein zum Medienpaket des Bundes hat der Bündner Regierungsrat Jon Domenic Parolini an ­einem runden Tisch mit Vertretern der ­Deputazione grigionitaliana und der Pro Grigioni Italiano mögliche Ziele und ­Lösungen diskutiert. «Nun wird unter ­externer Leitung eine Nutzermarktanalyse durchgeführt. Danach soll per Ende Jahr – in Absprache mit den involvierten Stake­holdern – eine konkret umsetzbare Variante ausgearbeitet werden», so Parolini.

* Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement, Universität St. Gallen, und Institut für Multimedia Production, Fachhochschule Graubünden: «Bericht betreffend Medien und Medienförderung im Kanton Graubünden».

Übersetzer für Rumantsch Grischun

«Speech-to-text» und «Text-to-text»: Die Radiotelevisiun Svizra Rumantscha (RTR) hat zwei Tools entwickeln lassen, die den Umgang mit dem Rätoromanischen vereinfachen.

«Die SRG SSR ist gemäss Konzession dazu verpflichtet, laufend neue eigene publizistische Angebote mit einem hohen gestalterischen Innovationsgrad zu entwickeln. Dabei soll sie die Möglichkeiten neuer Technologien nutzen», sagt Tamara Deflorin, Leiterin Kommunikation und Marketing bei RTR: «Die Digitalisierung der rätoromanischen Sprache ist für RTR und auch die SRG SSR eine zentrale Entwicklung.»

Das «Speech-to-text»-Tool, das gesprochene Sprache in einen schriftlichen Text umwandelt, hat RTR letztes Jahr lanciert. Es transkribiert zum Beispiel Interviews in Rumantsch Grischun und alle fünf rätoromanischen Dialekte. Unter töggl.ch steht es auch der Öffentlichkeit zur Verfügung; die Transkription ist kostenpflichtig.

Das «Text-to-text»-Tool wurde im Juni lanciert. Es übersetzt Englisch, Deutsch, Italienisch und Französisch in Rumantsch Grischun – und umgekehrt. Die fünf Idiome sollen dazukommen. Bis Ende September kann es unter try.rumants.ch von allen genutzt werden, nachher nur noch von der RTR. Diese würde es laut Deflorin gerne der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, doch suche man dafür noch Partner.

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