Aktuell – 04.10.2021

Der digitale Wandel spaltet die Szene

Längst nicht alle Medien haben die digitale Transformation schon abgeschlossen. Die Befürworter des Referendums gegen die Medienförderung gehen jedoch vom Gegenteil aus.

Von Alain Meyer

Im Rahmen des neuen Mediengesetzes soll ein 150 Millionen schweres Massnahmenpaket die Schweizer Medien wieder flottmachen. Davon sollen 30 Millionen in den digitalen Wandel investiert werden, damit dieser vollständig abgeschlossen werden kann. Doch genau das sorgt für hitzige Diskussionen. Seit Ende Juni wird die Bedeutung dieser gezielten Förderung mit einem Referendum infrage gestellt.

Doch was müsste denn eigentlich noch geschehen, damit Schweizer Medien komplett digital ausgerichtet wären? Oder würde eine solche Unterstützung gar über das Ziel hinausschiessen, da viele Medien ihre Digitalisierung schon vollzogen haben? Solche Kritikpunkte äussert das Referendumskomitee. Es ist der Meinung, dass der digitale Turnaround bereits statt­gefunden habe, und sieht deshalb keinen Grund, einen Markt zu subventionieren, der sich bereits verändert habe.

Sieht regionale Medien als Gewinner: Jungpolitiker Alec von Barnekow

Die staatliche Unterstützung soll insbesondere regionale Verlage dazu bewegen, Angebote für ein zahlungswilliges ­Publikum zu entwickeln. Das Geld soll dazu beitragen, dass alle Schweizer Medien, ob gross oder klein, in einer Zeit des Paradigmenwechsels – weg vom Zeitungspapier – wieder gleichberechtigt arbeiten können.

«Im Hinterhof der Grossen». Im Lager der Referendumsbefürworter sieht der Präsident der Jungfreisinnigen des Kantons Freiburg, Alec von Barnekow, die regionalen Medien jedoch bereits jetzt als grosse Gewinner des Medienwandels. «Sie können im Hinterhof der Grossen von ­einem grösseren Publikum profitieren», so sagt der gelernte Informatiker. Die Unterscheidung von regionalen und gros­sen, ­nationalen Medien sei in der digitalen Ära nicht mehr sinnvoll. «Um ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, haben grosse Mediengruppen oft mehr Kosten als kleine.»

Thierry Mauron, geschäftsführender Direktor der ­St-Paul Holding AG in Freiburg und Verleger der Tages­zeitung La Liberté, sieht es differenziert: «Die Mittel, die den verschiedenen Zeitungen zur Verfügung stehen, sind sehr verschieden. Manche stehen in verstärkter Konkurrenz mit den Online-Auftritten von nationalen und lokalen Radio- und TV-Stationen, die stark von öffentlichen Geldern profitieren. Eine permanente Newsproduktion erfordert Anpassungen der Verlags- und Redaktionsabläufe sowie bei der Ausbildung von journalistischen und anderen Mitarbeitenden.»

Betrachtet die Lage differenziert: Thierry Mauron, St-Paul Holding

Bei der Zeitung La Liberté haben 16 Prozent der ­Kundinnen und Kunden derzeit ein Online-Abo. 69 Prozent lesen die Zeitung auf Papier und 31 Prozent kombinieren beide Formate. «Gemessen am Umsatz beträgt der digitale Anteil 12 Prozent der Abonnementsein­nahmen. Für die anderen Titel der Gruppe (La Gruyère, La Broye Hebdo, Le Messager) ist dieser Anteil noch geringer», erklärt Thierry Mauron. Er bleibt ­jedoch zuversichtlich, dass mit den künftigen Fördergeldern der digitale Wandel vorangetrieben werden kann. Denn, so fügt er hinzu: «Die meisten unserer neuen Investitionen fliessen in digitale Medien.» Damit sollen Fachkräfte angestellt werden, die den Wandel begleiten: etwa Community Manager, Videoproduzentinnen, Online-Datenjournalisten.

Den Tech-Giganten Paroli bieten. Als einer der grossen Medienkonzerne befindet sich Ringier mitten im digitalen Wandel. «Bereits heute kommen 69 Prozent unserer Einnahmen aus diesem Geschäft», sagt Aline Theiler, stellvertretende Kommunikationschefin bei Ringier. Das Massnahmenpaket aus Bern  ­findet sie «ausgewogen»; es werde kleinen wie grossen Medienunternehmen zugutekommen. Theiler hofft, dass damit die Unabhängigkeit der Schweizer Medienlandschaft ­garantiert werden kann. Während in Freiburg die Tageszeitung La ­Liberté um ihre Existenz kämpft, sieht Ringier die internationalen Tech-Giganten als Hauptkonkurrenten: «Die Schweizer Medien müssen nicht zuletzt deshalb unterstützt werden, um den Mächtigen wie Google oder Facebook Paroli bieten zu können.»

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