Medienförderung – 29.09.2021

Geld für Online-Medien: «Der grundsätzliche Impuls ist löblich»

Das Medienförderungspaket sieht Subventionen für Online-Medien vor. EDITO fragte bei 15 journalistischen Plattformen nach: Was halten sie davon? Werden sie Unterstützung beantragen?

Von Bettina Büsser

Unter keinen Umständen» werde er Antrag auf Subventionen stellen, sagt Christian Keller, Gründer und Inhaber der Basler Plattform Prime News. Denn das geplante Mediengesetz zerstöre durch einseitige Subventionierung die Innovation und sei wettbewerbsverzerrend.

Auch Stefan Millius, Chefredaktor von Die Ostschweiz, ist «gegen jede Form staatlicher Subvention für private Medienunternehmen». Die Ostschweiz wolle, so Millius, kein Geld vom Staat. Erfahre man allerdings einen Wettbewerbsnachteil durch die Subventionierung von Mitbewerbern, werde man sich möglicherweise überlegen, «Medienförderung zu beanspruchen, das Geld dann aber konsequent in journalistische Leistungen zu stecken, die sich kritisch mit dem Staat auseinandersetzen».

Andrea Fopp, Chefredaktorin Bajour

15 reine Online-Medien hat EDITO zu ihrem Umgang mit der im «Bundesgesetz über die Förderung von Online-Medien» vorgesehenen Förderung befragt. Neben Prime News und Die Ostschweiz sagt auch die Medien­woche Nein zu einer allfälligen Förderung: «Als unabhängiges Medienmagazin, das auch in Zukunft kritisch über die Medienförderung berichten will und wird, könnten wir es nicht verantworten, selbst subventioniert zu werden», finden Chefredaktor Nick Lüthi und Ver­leger Thomas Paszti.

Ob watson Medienförderung beantragen wird, ist laut Geschäftsführer Michael Wanner «noch offen». «Noch vollkommen unentschieden» ist man laut Jonas Studach vom Community-Support auch bei der Republik: Die journalistische Unabhängigkeit sei ­extrem wichtig, deshalb müsse man genau prüfen, was eine Unterstützung bedeuten würde. Entscheiden darüber würden die rund 24 500 Republik-Mitglieder in einer Abstimmung.

Für Christian Campiche, Gründer der Westschweizer Plattform Infoméduse, ist das «Projekt zur Unterstützung des investigativen Journalismus» zwar gut gemeint, aber nicht an die Funktionsweise eines Mediums wie Infoméduse angepasst, «das sich abseits des Mainstreams entwickelt und auf unmittelbarer Aktualität, auf Anspielungen, Kommentaren und Analysen aufbaut». Er wird deshalb keine Unterstützung beantragen.

Wenig Begeisterung. Die Betreiber der übrigen neun befragten Plattformen – von Bon pour la tête bis zentralplus – wollen sich um Unterstützung bewerben. Das ­bedeutet allerdings nicht, dass einhellige Begeisterung herrscht. «Wir sind mit der Lösung insofern zufrieden, als überhaupt eine Förderung von Online-Medien ein­geführt wird», sagt etwa Willi Egloff, Co-Präsident des Trägervereins des Berner Journal B.

Christian Keller, Gründer und Inhaber Prime News

Als «akzeptable Lösung» bezeichnet es Simon Jacoby, Chefredaktor von Tsüri.ch; «akzeptabel» nennt es auch Stéphane Riand, Chefredaktor der Walliser Plattform L’1Dex. «Der grundsätzliche Impuls ist löblich», findet Heinrich Weingartner, Initiant und Geschäftsführer der Zentralschweizer Plattform Kultz, während Andrea Fopp, Chefredaktorin von Bajour, und Christian Hug, CEO von zentralplus, den Ausdruck «Kompromiss» verwenden.

Werbefinanzierte Gratis-Plattformen werden nach dem neuen Gesetz nicht unterstützt. Von den Medien, die subventioniert werden wollen, wird aber keine harte Paywall verlangt: Die Subventionen hängen vom Umsatz ab, der durch Abonnements, Member-Beiträge oder Spenden erzielt wird – auch wenn diese freiwillig sind.

Für das Gratis-Angebot watson ist dieses Konzept laut Michael Wanner «unbefriedigend»: «Anstatt die journalistische Leistung in den Vordergrund zu stellen, wird nach Geschäftsmodell diskriminiert.» Doch auch watson hat derartige Einkünfte, freiwillige Nutzerbeiträge. Eine Entschädigung nach dem vorgesehenen Modell würde, so Wanner, höchstens eine Stelle finanzieren.

Wie das Gesetz umgesetzt werden soll, ist in einigen Punkten noch unklar.

Harte Grenzen für die Gratis-Nutzung der Plattform setzen nur wenige der befragten Medien. Bei Prime News etwa muss, wer einen Artikel lesen will, entweder Abonnent sein oder ein Werbevideo anschauen. Bei der Republik können Nichtabonnenten zwei ausgewählte Beiträge oder einen via Social Media verlinkten Artikel kostenlos lesen. Und auch bei L’1Dex stösst man schnell auf die Grenze zwischen kostenlosen und nur für Abonnenten zugänglichen Inhalten.

Schwierige Lage für Spezialmedien. Eine Mehrheit der Plattformen weist zwar mehr oder weniger deutlich auf die Möglichkeit hin, Abonnements abzuschlies­sen, Member zu werden oder zu spenden, schliesst aber eine Gratis-Nutzung nicht aus. Der durch Nutzerinnen und Nutzer erzielte Umsatz und damit die Ausgangslage für eine Subventionierung ist entsprechend sehr unterschiedlich: Bon pour la tête etwa hat laut Sarah Dohr, Präsidentin der ­Association Bon pour la tête, 2600 bezahlte Abonnements: «Wir gehören also in die Kategorie der potenziellen Begünstigten.»

Michael Wanner, Geschäftsführer watson

Journal B wird ausschliesslich durch Mitgliederbeiträge und Spenden finanziert und soll so dieses Jahr einen Umsatz von 100 000 Franken er­reichen. Bajour erhält eine Anschubfinanzierung der Stiftung für Medienvielfalt und hat zuzeit rund 2700 zahlende Member und Gönner. Tsüri.ch setzt bereits seit sechs Jahren auf Crowdfunding und auf Member, aber auch Werbung ist möglich.

Bei zentralplus, wo es bisher Einkünfte aus freiwilligen Abos und Spenden sowie Werbung gab, hat man im Hinblick auf die Medienförderung laut Christian Hug nicht nur die Unternehmensstruktur angepasst – das frühere System mit einem Förderverein wurde durch eine Aktiengesellschaft ersetzt –, sondern auch neu drei Abo-Modelle eingeführt.

Wie das neue Gesetz umgesetzt werden soll, ist in ­einigen Punkten noch unklar. So muss etwa ein Medium aus den Nutzerbeiträgen einen Mindestumsatz erreichen, um Förderung zu erhalten. Wie hoch dieser sein muss, steht aber noch nicht fest, sondern wird in der entsprechenden Verordnung festgelegt.

Sarah Dohr, Präsidentin Association Bon pour la tête

In einem Zusatzbericht des Bundesrats für die Kommission für Verkehr und ­Fernmeldewesen des Nationalrats wurden als mögliche jährliche Mindestumsätze 100 000 Franken für Angebote in deutscher, 75 000 Franken für Angebote in franzö­sischer und 50 000 Franken für Angebote in italienischer Sprache genannt. Für lokale Angebote mit einem Publikumspotential von weniger als 50 000 Personen soll der Mindestumsatz bei 10 000 Franken liegen.

Die als Nachhaltigkeitsmagazin gegründete Plattform Das Lamm, die sich zu rund 80 Prozent aus Abonnements finanziert, wird sich laut Geschäftsführer Jonathan Schuler für die Förderung bewerben, falls es die Bedingungen zulassen: «Es wird in erster Linie von der im Gesetz festgelegten Einkommensgrenze abhängen.»

Eine weitere Vorgabe für Subventionen ist laut Gesetz, dass der redaktionelle Teil der geförderten Online-Angebote zur Hauptsache «Informationen zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen ­Zusammenhängen» enthalten und kontinuierlich ak­tualisiert werden muss. Diese Vorgabe erfüllen Online-Medien, die eine breite journalistische lokale, regionale oder sprachregionale Berichterstattung anbieten, sicherlich. Der grösste Teil der befragten Medien wird hier keine Probleme haben.

Nick Lüthi, Chefredaktor Medienwoche

Schwieriger wird es für die Wissenschaftsplattform higgs.ch. Denn laut BAKOM-Sprecherin Caroline Sause sind gemäss dem neuen Gesetz nur Online-Medien förder­berechtigt, die sich an ein breites Publikum und nicht an ein Fach-/Spezialpublikum richten.

Doch auch higgs.ch wird laut Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor, Unterstützung beantragen. Bisher gebe es Erträge in Form von Spenden, so Glogger, doch im Herbst werde ein Membership-System eingeführt, mit dem Premium-Inhalte nur noch mit einer Mitgliedschaft zugänglich sind.

Glogger hat «grösste Bedenken, was die Ausgestaltung der Förderkriterien betrifft». Denn nach Auskunft des BAKOM-Direktors Bernard Maissen werde man sich sehr eng an die Richtlinien für die indirekte Presse­förderung halten, die zum Beispiel Förderung für die Aroser Zeitung, nicht aber für Finanz und Wirtschaft zuliessen.

«Wenn dieselbe Auslegung auf higgs.ch angewendet wird und wir als Science-Nerd-Kanal abgeurteilt werden, wird es schwierig.» Higgs.ch betrachte Wissenschaft immer als Teil der Kultur mit Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft und den Alltag: «Bisher ist Maissen dieser Argumentation noch nicht gefolgt. Wir bleiben dran.»

 

Ihr Kommentar

Bitte füllen Sie alle Felder aus.
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* = erforderlich

Sicherheitscode *