Aktuell – 06.07.2016

Die «Gokart-Gang» und die Medien – eine Nachlese

Zwei Studenten lancieren eine knackige Story über eine Gokart-Szene in Zürich – und die Medien fallen darauf herein. Immerhin: Es brauchte einen riesigen Aufwand, um diesen Fake so perfekt und beinahe wasserdicht zu lancieren, das zeigt ein Gespräch mit den beiden. Eine «Bruchstelle» aber hätte es gegeben. Von Bettina Büsser

Zuerst waren es ein paar Gokarts, die vor Zürcher In-Clubs herumstanden. Dann fanden sich auf Youtube zwei Videos mit rasanten Gokart-Fahrten im nächtlichen Zürich – und die Medien halfen heftig mit bei deren Verbreitung. Etwas später gab es sogar einen Film über WD40, die Gokart-Rider von Zürich, sowie eine Einladung zu einem «Rave & Ride». Eine Woche vor dem Termin dann die Aufdeckung: Das Ganze war ein Fake, eingefädelt, minutiös geplant und umgesetzt von Michael Schwendinger und Alun Meyerhans, zwei Studenten der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) für ihre Bachelorarbeit im Bereich Cast/Audiovisuelle Medien.

«Unser Ziel war es, einen urbanen Mythos zu kreieren und diesen zu verbreiten. Wir stellten uns die Frage, wie solch ein Mythos entsteht und wie man diesen innert kürzester Zeit in Umlauf bringt. Zudem wollten wir dem Phänomen FOMO (Fear Of Missing Out) und den Mechanismen der Berichterstattung der digitalen Medien auf den Grund gehen», schreiben die beiden in ihrer Erklärung zum Projekt. Ihre Ziele haben sie erreicht; sie haben damit auch eine Diskussion über Medien und deren Sorgfaltspflicht ausgelöst – und sie haben sehr viel Zeit in diesen Fake investiert.

Die Idee zur Bachelorarbeit hatten sie im Dezember 2015 ihrem Studiengangsleiter vorgestellt und ein ok erhalten. Ende Februar startete das Projekt. Zuerst wurde geplant, welche Schritte es bis Ende Mai geben sollte. Und die Geschichte – «dieser Mythos», wie Meyerhans sagt – musste quasi erfunden und geschrieben werden: eine Crew von jungen Leuten, die sich WD-40 nennt, wie das Schmiermittel, mit ihren Gokarts in der Zürcher Nacht halsbrecherisch herumfräst, an Parties geht und überhaupt ein wildes Leben lebt. Die einzelnen Figuren waren genau definiert. Das Ganze war aufwändig und hat, hört man Meyerhans und Schwendinger zu, offenbar auch ziemlich Spass gemacht: «Wir haben die Charaktere gebildet, die im Film vorkommen, aber auch denjenigen, mithilfe dessen wir den Mythos verbreiten wollten.»

Auftritt: Luis Lienhard, FOMO-Kandidat

Letzterer hiess Luis Lienhard, für ihn haben sie bereits Anfang März ein Facebook-Profil eingerichtet, haben ihn Freunde suchen lassen, «ganz bewusst nur Partyveranstalter und DJs, denn sie brauchen ja Freunde, um ihre Partys und Events zu teilen», sagt Schwendinger. Und als der Stock an DJs und Partyveranstalter gross genug war, hat Lienhard auch andere Leute auf Facebook angefragt, «Leute aus der Szene, aus unserer Zielgruppe». Nach knapp drei Monaten hatte Lienhard 1100 Facebook-Freunde.

Er hatte eine Website – luislienhard.ch -, sehr karg; sie wies ihn aber als 28-jährigen Zürcher Filmemacher aus. Auf Facebook war er aktiv, postete regelmässig, auch Posts, die erst einiges später einen Sinn ergaben wie «Bin in der Werkstatt mit den Jungs» oder «Heute ist wieder mal gutes Wetter, ich freue mich auf einen Ride», wie Schwendinger und Meyerhans erzählen. Lienhard sei wirklich «so ein FOMO-Kandidat, der überall dabei sein muss», er habe immer wieder geschrieben, er gehe jetzt an diese oder jene Party – und habe auch die entsprechenden Bilder gepostet: «Bilder von Partys, an denen wir waren oder Freunde von uns, die uns dann die Bilder gegeben haben.»

Gaststar eins: Der «Wilde Werner» aus Berlin

Teil der ganzen Geschichte war auch der «Wilde Werner», der dem Projekt schliesslich den Namen gab (wilderwerner.ch): Er ist, so die Geschichte, die ihm Meyerhans und Schwendinger strickten, Teil der Szene in Berlin und hat beispielsweise «Reclaim the Sparkasse»-Partys veranstaltet. Wild eben. Und weil die Zürcher WD-40-Crew auch Leute in Berlin kennt, hat sie ihre Zürcher Auftritte ihm gewidmet. Diese ganze Hintergrund-Konstruktion spielte nach aussen keine Rolle – «Wir haben das gewusst, es war Teil unserer Geschichte, aber nach aussen gab es nur den Namen, der ‚Wilde Werner’», so Schwendinger.

Als alle Geschichten und Figuren ausgetüftelt waren, folgte das Drehbuch für den Film: «The Wild Werner», 5 Minuten lang, ein Dokumentarfilm oder eben eine Mockumentary über WD 40. Aus dem Material dazu entstanden auch noch zwei Videos für Youtube. Das eine, «WD 40 – Blitzaction», war 40 Sekunden lang und zeigte eine Gokart-Fahrt im nächtlichen Zürich, so schnell, dass der Blitzkasten ausgelöst wird (die Blitzerei, erzählen Schwendinger und Meyerhans, wurde mithilfe eines externen Blitzers vorgetäuscht). Im zweiten, "WD 40 – Tramliebi" (nicht mehr auf Youtube), waren eine Minute lang Gokart-Fahrten und zudem Gokart-Fahrer, die sich vom Tram schleppen lassen, zu sehen. Sie wurden gemäss dem detaillierten Distributionsplan, den Meyerhans und Schwendinger erarbeitet hatten, veröffentlicht, ebenso wie der Trailer zum Film «Der Wilde Werner».

Technik: «verschnellert» und mit Sounddesign unterstützt

In 13 Drehtagen wurde alles abgedreht. Man habe teils mit, teils ohne Bewilligung gedreht, sagt Meyerhans, immer schnell, nachts, in kleinen Abschnitten, «es waren immer Leute postiert, die aufgepasst haben, ob ein Auto kommt». Ausserdem, so betont Schwendinger, sei es zwar dokumentarisch gefilmt, aber «es ist fast alles fiktiv»: Die Szenen seien geschnitten und bearbeitet, die Gokart-Fahrten «verschnellert» worden, und das Sounddesign habe einiges zum rasanten Eindruck beigetragen.

EDITO: Und dann habt ihr als ersten Schritt an die Öffentlichkeit Gokarts in Zürich aufgestellt?

SCHWENDINGER: Nein, zuerst kam noch ein Leserbrief: Eine Dame vom Zürichberg beschwerte sich – handgeschrieben – darüber, dass Personen mit "Seifenkisten" in hohem Tempo eine Strasse hinuntergefahren sind. Wir haben diesen Brief an verschiedene Verlagshäuser geschickt. Das war quasi ein erster Hinweis. Als zweites haben wir dann Gokarts an verschiedenen Orten hingestellt, vor In-Clubs an der Langstrasse, auf dem Helvetiaplatz.

MEYERHANS: Das war am Vorabend des 1. Mai und wir wussten, dass es am 1. Mai viele Leute und vor allem Medien beim Helvetiaplatz haben wird. Tatsächlich war der Gokart dann auf verschiedenen Fotos in den Medien zu sehen. Ausserdem haben mehrere Leute die Gokarts fotografiert und die Bilder auf Instagram gestellt. Da wurde zum ersten Mal über die Gokarts gesprochen, man fragte sich, woher die kommen. Als dritte Massnahme haben wir dann die zwei Videos, die wir gedreht hatten, gestreut. Wir haben sie als «Leserreporter» an Medien geschickt und zwar am Mittwoch, 4. Mai nachts, am Vorabend eines Feiertags. Es war wenig los in den Medien, es gab keinen Skandal, deshalb hofften wir, dass sich alle darauf stürzen.

SCHWENDINGER: Wir haben den Eindruck erweckt, die Szenen seien am Mittwoch aufgenommen worden. Und wir haben für den «Leserreporter», der das an die Medien schickte, sogar eine Handy-Nummer gelöst, die wir einigen Medien mitgeschickt haben. An diesem Abend hat niemand angerufen. Später haben dann einige via die Mailadresse, die der «Leserreporter» angegeben hatte, gefragt, ob wir sie zurückrufen können. Wir haben ihnen aber gesagt, wir seien auf dem Weg in die Ferien, bereits über den Gotthard, im Ausland. Es wurde irgendwie zu gross.

Es wurde tatsächlich «gross». Laut der «Case Study» von Meyerhans und Schwendinger wurden die Videos in über 100 Ländern angeschaut, via TV von über 800‘000 Personen gesehen und in über 30 Online-Artikeln – von 20min.ch über blick.ch, aargauerzeitung.ch, watson.ch, tagesanzeiger.ch bis zu stern.de, spiegel.de verlinkt (auf nzz.ch hingegen waren sie kein Thema).

Eine Woche danach wurde der Film «Der Wilde Werner» lanciert, gleichzeitig mit der Ankündigung eines Events auf Facebook: WD40 beziehungsweise der «Wilde Werner» luden für die Nacht vom 10. auf den 11. Juni auf Facebook zum «Rave & Ride» ein. «Komm mit auf eine spektakuläre Reise. Ein wilder Ride, die steilsten Strassen von Zürich runter. Die letztjährigen Teilnehmer wissen von was wir reden – Hol deinen verstaubten Go-Kart aus dem Keller, polier ihn und mach dich bereit für das ultimative Rennen!», hiess es da, und «Lasst uns zusammen fahren und feiern! Wie jedes Jahr lädt der Wilde Werner zur Einstimmung auf den Sommer die ganze Family und enge Freunde zu einer unvergesslichen Nacht ein» – mit einem Link auf den Film.

Zielgruppe: Partymenschen, Nachtschwärmer

«Der Film», so Schwendinger, habe «noch mehr Leuten» das Gefühl gegeben, die Gokart-Crew WD40 und ihre wilden Fahrten gebe es wirklich: «Wenn es einen Film darüber gibt, muss es ja stimmen.» Und auch bei der Event-Ankündigung war alles genau durchgeplant: Mit der Party wollten die beiden die Zielgruppe – «Partymenschen, Nachtschwärmer» – ansprechen, deshalb gab es auch im Film Partyszenen, aus «speziellen Locations, die nicht jeder kennt».

Auch ein Partyplakat war vorbereitet worden – nachdem sie «sehr viele Partyplakate angeschaut und Texte gelesen» hatten. Denn es ging darum, den Stil, die Sprache der Zielgruppe zu treffen: «Und da wir auch ein Teil dieser Gruppe sind, ist es uns gelungen, so zu schreiben, zu filmen, zu fotografieren, zu erzählen.» Der Aufwand für das Ganze war hoch, «Sechstagewochen» hätten sie gehabt, sagen die beiden.

Darin inbegriffen waren auch Abklärungen gewesen – etwa, ob und wo sie die Plakate aufhängen konnten, oder auch, ob es überhaupt erlaubt ist, auf der Strasse mit einem Gokart unterwegs zu sein. Manches checkten sie mit ihren Mentoren und mit der Studiengangsleitung ab, auch rechtliche Beratung holten sie sich. Und für das angekündigte Gokart-Rennen überlegten sie sich besondere Schutzmassnahmen: «Wir haben weder Ort noch Zeit angegeben, und bei der Facebook-Einladung haben wir verhindert, dass jemand etwas direkt hineinposten konnte. Wir wollten verhindern, dass Leute sich unabhängig von uns für das Rennen organisieren können und es dann eine Eigendynamik annimmt», so Meyerhans.

Die Mediendynamik hingegen ging weiter – die Ankündigung, das WD40 ein Rennen veranstalten werde, wurde aufgenommen und verbreitet, mit einer Mischung von Faszination und Empörung. «’Versicherung ist Sache der Teilnehmer‘: Gokart-Gang plant Nachtrennen durch Zürich», hiess es auf blick.ch.  Die aargauerzeitung.ch berichtete unter dem Titel «Nervenkitzel. Die halsbrecherischen Gokart-Raser sind zurück – mit einem öffentlichen Aufruf» über die Pläne der «Jungs». Watson.ch titelte «Zürcher Gokart-Gang lädt zum gemeinsamen Rennen – und inszeniert sich in einem Kurzfilm» und fragte bei der Polizei nach, die laut Mediensprecher Marco Cortesi plante, die Situation zu beobachten und dann zu entscheiden, «ob, und wenn ja, welche Massnahmen» getroffen werden müssten: «So ein Rennen ist natürlich weder sicher für die Gokart-Fahrer noch für die Autofahrer, die ihnen begegnen könnten.»

Gaststar zwei: Der Blitzkasten

Die Polizei spielte in der Geschichte eine spezielle Rolle: Am Tag nach der Veröffentlichung des Youtube-Videos mit dem Blitzkasten wandten sich mehrere Medien an die Polizei, die unter anderem vor der Gefährlichkeit solcher Fahrten warnte und darauf hinwies, dass die Fahrer – da ja Gokarts und ähnliche Fahrzeuge keine Kontrollschilder haben – kaum identifizierbar seien.

Manche Medien wie etwa TeleZüri und TeleTop schickten Teams an die Strasse, auf der das Video entstanden war – nur: Dort stand kein Blitzkasten. Obwohl vorgegeben worden war, das Video stamme aus der vorhergehenden Nacht. Und obwohl die Polizei darauf hinwies. «Wir haben gewusst, dass dort kein semi-stationärer Blitzkasten mehr steht, deshalb war es klar, dass das Video nicht in der Nacht vorher entstanden sein konnte und die Bilder nicht aktuell waren», sagt Michael Wirz, Mediensprecher Stadtpolizei Zürich: «Das haben wir den Medien auch so kommuniziert, als sie nachgefragt haben. Es war aber etwas eine Saure-Gurken-Zeit, vielleicht ist diese Information deshalb nicht so aufgenommen worden.»

TeleTop erwähnte in seinem Bericht immerhin, dass der «Blitzer» nicht mehr dastehe, und tönte an, es sei nicht sicher, dass das Video tatsächlich aktuell sei. Ansonsten wurde dieses Thema aber kaum erwähnt. In manchen Berichten, etwa bei TeleZüri, entstand sogar der Eindruck, die Polizei habe tatsächlich Bilder der Gokart-Fahrer von Blitzkasten, auch wenn dies nicht aus den Aussagen der Polizeisprecher hervorging. Dies wiederum verstärkte wohl beim Medienpublikum die Glaubwürdigkeit der Geschichte: Wenn sich die Polizei dazu äussert und die «Täter» sogar geblitzt hat, muss es ja stimmen.

Dennoch, finden Schwendinger und Meyerhans, hätten die Medien bei dieser Blitzkasten-Geschichte darauf kommen können, dass es ein Fake sei: «Es wurde ja dargestellt, als ob der Film am Vorabend der Veröffentlichung entstanden sei. Doch am nächsten Tag stand da nirgends ein Blitzkasten. Es war aber ein Feiertag, und sie hätten sich überlegen können, dass die Polizei wohl kaum an einem Feiertag einen Blitzkasten abbaut.» Das, finden sie, wäre ein Hinweis darauf gewesen, dass das Ganze so nicht stattgefunden habe.

EDITO: Habt Ihr bewusst Dinge oder Momente eingebaut, an denen die Medien oder diejenigen, die sich die Filme anschauten, hätten merken müssen, dass alles gefakt ist?

SCHWENDINGER: Unser Ziel war ja nicht, dass die Medien herausfinden sollten, dass es ein Fake ist. Wir wollten ja, dass es funktioniert. Also haben wir uns so gut wie möglich abgesichert. Wir dachten, es könnte beim fehlenden Blitzkasten auffliegen, oder auch, weil man sieht, dass die Gokart-Fahrten bei der Bearbeitung massiv beschleunigt wurden.

MEYERHANS: Am meisten Sorgen machten uns Mitwisser: Als wir die Idee entwickelt haben, haben wir auch mit Kollegen darüber gesprochen. Und auch bei den Dreharbeiten waren ja noch andere Leute als wir dabei. Deshalb hatten wir Angst, dass sich jemand verplappert. Aber ansonsten: Wir haben ja drei Jahre lang im Studium gelernt, wie man all die verschiedenen Kanäle nutzt und bespielt, damit es authentisch wirkt. Wir haben jeden Kanal dazu benützt, wozu er gut ist.

Verplappert hat sich niemand, das Projekt verlief nach Plan: eine Woche vor dem angekündigten Gokart-Rennen mit Party liessen die beiden die Geschichte auffliegen, in einem Interview mit persoenlich.com. Gewählt haben sie den Branchendienst, weil «wir zeigen wollten, wie das Ganze aufgebaut und was unsere Absicht war, dass es nicht einfach ein blöder Bubenstreich war, sondern dass viel mehr dahintersteckt».

«Die beiden haben sich ein paar Tage vor der Aufdeckung der Geschichte unter dem Namen Luis Lienhard bei unserem Chefredaktor gemeldet und uns Informationen angeboten», erzählt Sonja Gambon, Praktikantin Redaktion persoenlich.com und Autorin der Geschichte. Sie selber habe die die Gokart-Geschichte vorher nur am Rande mitgekriegt und nicht über ihre Echtheit nachgedacht: «Sie kamen vorbei, haben erzählt, Einblick in die Projektarbeit und die Präsentation der Bachelorarbeit gegeben und weitere Fragen beantwortet. Wir haben den Artikel dann, wie mit ihnen abgesprochen, spätnachts online gestellt.»

Neben persoenlich.com erhielten auch blick.ch und watson.ch einen quasi privilegierten Zugang. Denn, so erzählen Meyerhans und Schwendinger, der Blick-Video-Chef sei in der Diplom-Jury dabei gewesen und habe so etwas früher erfahren, dass es sich um einen Fake handle. Deshalb hätten sie ihm ein Interview zugesichert. Und bei watson.ch hätten sie geschätzt, dass die Berichterstattung immer «mit einem Augenzwinkern» stattgefunden habe. Ausserdem habe die betreffende Journalistin auch versucht, sie via das Facebook-Profil von Luis Lienhard zu kontaktieren.

EDITO: Die Medien haben bis zu eurer Aufdeckung mitgemacht, wie ihr es geplant habt. Für die Glaubwürdigkeit von Medien ist das ja nicht gerade hilfreich.

MEYERHANS: Das war nicht unsere Message. Es ging uns in erster Linie darum, auf das FOMO-Phänomen aufmerksam machen. Zweitens wollten wir den Konsum von digitalen  Medien und die schnelle Verbreitung dort thematisieren. Wir wollten aber niemandem schaden, niemanden verarschen.

SCHWENDINGER: Es zeigt aber schon, dass es möglich ist, die Massenmedien zu beeinflussen. Diesmal haben wir, zwei Studenten, das gemacht, aber wenn man sich überlegt, was alles möglich ist, ist es doch ziemlich beängstigend.

EDITO: Was geschah, nachdem bekannt wurde, dass es ein Fake war?

MEYERHANS: Wir hatten sehr positives Feedback, alle fanden es eine Supersache. Wir gaben den ganzen Tag lang Interviews. Aber in jedem Interview kamen die Medien auf diese Sachen mit den Gokarts, die sich mit einem Seil ans Tram angehängt hatten, zu sprechen. Und auch wenn wir sagten, dass wir uns dazu nicht äussern wollen und in Kontakt mit den VBZ stehen, wurde es jeweils ein wichtiges Thema.*

SCHWENDINGER: Wir haben gemerkt: Sobald die Story raus ist, hat man es nicht mehr in der Hand.

Fazit: Meyerhans und Schwendinger haben einen riesigen Aufwand betrieben, um ihren Fake den Medien und ihrem Zielpublikum die Gokart-Geschichte glaubwürdig zu verkaufen. Eine so perfekt geplante Geschichte ist schwer zu knacken. Dennoch: Dass die Medien die «Bruchstelle» mit dem fehlenden Blitzerkasten – und vor allem den Hinweis der Polizei, das Video können nicht aktuell sein – mehr oder weniger verdrängt haben, lässt sie nicht im besten Licht erscheinen.

Dass eine so perfekt geplante Geschichte schwer zu knacken ist, ist darüber hinaus, wie Schwendinger sagt, ziemlich beängstigend: Es klappt, wenn zwei Studenten das Ziel haben, eine unterhaltende Story zu verbreiten. Aber natürlich würde es auch klappen – oder klappt bereits schon -, wenn ganz andere Personen aus bestimmten Motiven bestimmte Inhalte verbreiten wollen.

 

*Zur VBZ-Geschichte wollen sich die beiden nicht weiter äussern als mit dem einen Satz: «Wir sind im Gespräch mit der VBZ und suchen für alle Beteiligten eine gute Lösung.»

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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