Aktuell – 17.09.2013

Die Schwächen Maurers Medienkritik am Verlegerkongress

 Philipp Cueni kommentiert die Maurer-Rede am Verlegerkongress.

Die traditionelle Rede des Bundespräsidenten am Verlegerkongress war dieses Mal zwischen Champagner-Apero und Bankett im festlichen Barocksaal angesetzt worden. Statt als passende Überleitung zu einer festlichen Nacht endete sie in Buhrufen von Verlegern. Souverän war diese Reaktion nicht. Sie zeigt schon fast symbolisch die Nervosität der Branche. Die Rede des Bundespräsidenten hat aber tatsächlich Empörungspotenzial.

Maurer war wohl bewusst, war er mit seiner Rede auslösen würde. Er habe bereits den Notausgang sondiert, witzelte er zum Einstieg. Dass der Bundespräsident die Provokation statt einer langweiligen Festrede wählte, ist immerhin mutig.

Ueli Maurer stellt eine wichtige Frage: "Was geschieht, wenn die Medien ihre Rolle nicht mehr richtig wahrnehmen?" Es gehe um die Medienleistungen, die für die Demokratie notwendig sind – also um Kritik- und Diskursfunktion. Maurer definiert dabei die demokratierelevanten Funktionen der Medien ähnlich wie der Medienwissenschafter Kurt Imhof im "Jahrbuch Qualität". Und der Bundesrat nennt die ähnlichen Schwächen und Gefahren im Mediensystem wie Imhof: Konzentration, Qualitätsverlust, mangelnde Tiefe.

Soweit, so interessant im Ansatz. Nur fehlt der Analyse Maurers selbst die Tiefe. Das beginnt bei der Interpretation der Kontrollfunktion der Medien. Die Medien haben nicht nur die Aufgabe, die Staatsmacht, sondern Macht generell zu kontrollieren – also auch jene in der Wirtschaft, in der Zivilgesellschaft, in der Politik usw. Das blendet Mauer einfach aus und beschränkt "Macht" auf den Staat, ""Kontrolle" auf die Sicherung der Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat.

Eine weitere Unterlassung Maurers: Der Bundesrat berücksichtigt in seiner Analyse just jene Faktoren nicht, welche zentral sind: Das Einbrechen der traditionellen Geschäftsmodelle, das Versagen des Marktes, die Strategieschwäche der Medienunternehmen, den Abbau beim Redaktionspersonal. Nicht nur die Medienwissenschaft, auch der Nationalrat hat schon mehrmals auf diese Probleme in der Schweizer Medienlandschaft hingewiesen – und vom Bundesrat Massnahmen gefordert. Dieser wollte damals noch nicht handeln, sondern vorerst mal vier Jahre analysieren. Von Maurer hörte man damals nichts.

Die Kritik des Bundespräsidenten fokussiert auf der falschen Ebene – auf jener des Meinungskartells. "Sie alle schreiben mehr oder weniger dasselbe." Maurer spricht von "Gleichschaltung", "Einheitsmedien", "Einheitskost", gar von "Zensor". Vielleicht kommt diese Fehlanalyse daher, dass Maurer kaum Zeitungen liest, wie er selbst kokettiert. Die Realität ist ein Medienangebot mit einem breiten Spektrum von Themen, Analysen und Meinungen – von Berner Zeitung, NZZ, Weltwoche, AZ, BaZ, SRF, Blick bis zum Tagi usw.. Der zweite zentrale Vorwurf von Maurer betrifft die "Staatsnähe" der Medien. Die Realität sind viele aktuelle Beispiele, bei welchen staatliche Institutionen schonungslos mit Kritik konfrontiert werden.

Natürlich gehört es dennoch zur Selbstkontrolle der Medien zu überprüfen, ob relevante Themen oder Positionen von "den" Medien konsequent ausgeblendet würde, ob die kritische Distanz zu den Akteuren der Macht genügend gross ist.

Maurer analysiert und kritisiert aber nicht die Qualität der redaktionellen Leistungen. Sondern er bewertet ideologisch nach seinen politischen Präferenzen.

Das zeigen seine konkreten Beispiele. Er fordert die Medien auf, sich doch mal für Steuererleichterungen einzusetzen. Abgesehen davon, dass der Bundespräsident hier kaum die Haltung des Bundesrates vertritt: Ist das die Aufgabe der Medien, politische Kampagnen zu führen? Selbstverständlich Nein. Selbstverständlich hingegen eine Aufgabe, über solche Themen Debatten zu führen. Um beim Beispiel zu bleiben: ich meine, ein breiter Diskurs zur Steuer-Thematik finde in den Medien statt.

Maurer führt weitere Beispiele an, bei welchen die Medien einseitig gleichgeschaltet seien: Klimafrage, Atomenergie, Einwanderung, Internationale Vereinbarungen, usw.). Man meint, das Parteiprogramm der SVP zu lesen. Das ist offenbar der Massstab Maurers. Etwas vereinfacht könnte er auch sagen: Journalisten, berücksichtigt in der Medienarbeit vermehrt jene Positionen, die ich richtig finde, und dann ist eure Arbeit gut.

Maurers Medienkritik fehlt die Tiefe. Und sie enthält eine grosse Ironie: Sie beruft sich auf die ideologische Tradition des Liberalismus.

Dass Maurer den Verlagen auch noch vorgeworfen hat, sie wollten ihre Probleme mit Unterstützung des Staates lösen, zeigt, wie uninformiert Maurer argumentiert. In diesem Punkt nämlich sind die Verleger überaus klar – auch am Kongress war das deutlich zu hören: Wir wollen ja keine direkte Medienförderung und keine staatliche Unterstützung. In einem anderen Punkt allerdings hat Bundesrat Maurer eine Schwäche der Verleger aufgezeigt: Der Verlegerverband reagiert empfindlich auf Kritik und pflegt gerne Feindbilder: die Journalistenverbände, die Medienwissenschafter, früher (jetzt nicht mehr) der Presserat, das BAKOM, der Staat. Jetzt ist wohl auch der Bundesrat zu den Lieblingsgegnern dazugekommen.

Mehr zum Kongress der Verleger unter edito.ch

2 Kommentare

#1

Von Bernard Maissen
17.09.2013
Eine gescheite Analyse von Philipp. Über die Buhrufe und die Pfiffe kann man geteilter Meinung sein. Nach mehreren derartigen Auftritten von Magistraten an den Medienkongressen wollten aber nicht mehr alle Anwesenden die Medienschelte mit Applaus zur Kenntnis nehmen. Das war vielleicht nicht sehr stilvoll, aber ob es stilvoll ist, als geladener Gast die Gastgeber bewusst zu provozieren und zu verunglimpfen, kann man sich auch fragen. Kritik in allen Ehren, aber pauschalisierende Rundumschläge sind wenig zielführend.
Immerhin hat es der Medienkongress dank der Buhrufe zumindest zu ein paar Artikeln und Blog-Einträgen gebracht. Sonst hätte er in den Medien kaum stattgefunden. Das ist erstaunlich, denn welcher Branchenkongress sollte die Medien mehr interessieren als der eigene? Doch die Zahl der anwesenden Journalistinnen und Journalisten (inkl. Chefredaktoren) hielt sich während der Vorträge in sehr engen Grenzen. Dabei wäre es doch wichtig, dass gerade die Macher der Medien sich mit Zukunftsmodellen auseinandersetzen, dass sie sehen, wie anderenorts auf die neuen Herausforderungen reagiert wird, dass sie frühzeitig erkennen, wohin die Reise gehen könnte, und sich, wie allenfalls auch ihre Leserinnen und Leser, darüber informieren. Der Medienkongress muss zu einem Medienthema werden. Und zwar nicht nur auf den Promi-Seiten. Aber offenbar herrscht auf vielen Redaktionen immer noch die Meinung vor, dass der Verleger "der natürliche Feind des Journalisten" ist. Das ist nach den unrühmlichen Diskussionen über einen GAV zwar nicht erstaunlich, aber doch etwas gar kurz gedacht. Denn eines darf man nicht vergessen: Bundespräsident Maurer hat die Kritik zwar an die Verleger gerichtet, gemeint waren aber die Journalistinnen und Journalisten und gerügt hat Maurer deren tägliche Arbeit.

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