Redaktionsschluss – 29.03.2016

Die Wut des Jonas Projer

Das ist ungewöhnlich: ein exponierter Redaktor von SRF wehrt sich und greift einen Journalisten einer Zeitung öffentlich an.

"Herr Fahrländers Aussage macht mich wütend", schreibt Jonas Projer, Moderator und Redaktor der "Arena" von SRF. So zu lesen unter "Leserforum" in der AZ vom Ostersamstag.

AZ-Publizist Hans Fahrländer (früher Chefredaktor der AZ) hatte in einer Kolumne geschrieben, die SRG würden deshalb nur wenige Politiker kritisieren, weil sie eine mögliche Einladung in die Sendung "Arena" nicht aufs Spiel setzen wollten. Und damit unterstellt er der "Arena-Redaktion", nach SRG-politischen und nicht nach sachlich-redaktionellen Kriterien über die Zusammensetzung der Diskussionsrunden zu entscheiden. Anders ausgedrückt: AZ-Fahrländer unterstellt seinem Berufskollegen Projer, nicht unabhängig und damit nicht professionell zu handeln und SRG-Kritiker quasi auszusperren. Und das macht Projer wütend.

Dieser massive Vorwurf Fahrländers ist mit den sichtbaren "Arena"-Auftritten von harten SRG-Kritikern statistisch kaum zu belegen. Warum behauptet Fahrländer denn so etwas? Es würde in der Logik ja heissen, dass sich Journalisten (auch jene in der AZ) inhaltlich jeweils nach den Bedürfnissen ihres Arbeitgebers ausrichten. Und das wäre ein ganz schlechtes Zeugnis für den Journalismus in der Schweiz.

Es fällt auf, dass Kolleginnen und Kollegen aus dem Print-Sektor ihren Kollegen bei der SRG in letzter Zeit vermehrt Abhängigkeit unterstellen – aber nie konkret belegt. Solche Verunglimpfungen schlagen zurück und schaden der Glaubwürdigkeit der ganzen Journalismusbranche.

Jonas Projer schreibt: Die "Arena" lade ihre Gäste nach journalistischen Kriterien ein und nicht als Belohnung für politische Gefälligkeiten (wie von Fahrländer unterstellt). "Dafür stehe ich ein … Mit meinem Namen und meinem Gesicht", so der Arena-Moderator.

Gut, wenn ein Redaktor derart direkt auf einen Angriff reagiert und für seine Sache einsteht. Daran kann er gemessen werden. Wir dürfen gespannt sein, wie Fahrländer reagiert und seine Behauptung belegt.

Hans Fahrländer macht in seiner Kolumne auch andere, interessante Aussagen. Zum Beispiel, das (früher) gut austarierte Mediensystem in der Schweiz von Privaten und Öffentlichen gerate zunehmend aus dem Lot. Das stimmt in mehrfacher Hinsicht. Die Gründe sind vielfältig. Aber nicht nur die SGR wird stärker, sondern auch (was Fahrländer nicht erwähnt) die grossen Verlage sind massiv gewachsen und haben ihren Einfluss ausgeweitet.

Ebenfalls stimmt die Aussage von Fahrländer, dass die Finanzierungsquellen der privaten Verlage unter Druck geraten seien und von den öffentlichen Gebühren nur ein Sechsundzwanzigstel an Private gingen. Dazu muss man allerdings anmerken: Viele Verlagshäuser schreiben immer noch riesige Gewinne. Die Gebührengelder sind verfassungsmässig nur für Radio und Fernsehen bestimmt. Und es sind die Verlage selbst, welche jede Form von breiterer öffentlicher Journalismusförderung – wie es zum Beispiel die Eidgenössische Medienkommission diskutiert – ablehnen.

Fahrländer kritisiert das Joint Venture der SRG mit Ringier und Swisscom (weil damit die SRG noch stärker würde) und stellt zur Diskussion, ob die Werbeeinnahmen der SRG nicht generell reduziert werden sollten. Das sind legitime politische Überlegungen. Ich habe dazu immer die gleichen Fragen: Löst eine Schwächung der SRG das wirtschaftliche Strukturproblem der Verlage? Da sind Zweifel angebracht. Und: Warum beteiligen sich neben Ringier denn nicht die anderen Verlage auch am Joint Venture und profitieren von dessen Vorteilen? (phc)

2 Kommentare

#1

Von Ueli Custer
02.05.2016
Es ist halt leider so, dass man beim Lesen von Artikeln und Kommentaren in der Presse eigentlich eine Gebrauchsanweisung bräuchte. Wenn man weiss, wie und wo der Verlag im Bereich der elektronischen Medien aktiv ist, weiss man auch, wie ein Text einzuordnen ist. "His masters voice" ist leider in diesem Bereich alltäglich.

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