Röstigraben – 10.06.2020

Doris Kleck: Der Corona-Graben n’existe pas

Doris Kleck ist Co-Inlandchefin CH Media.

Ich gebe es zu, ich bin etwas erschrocken als mir zu Ohren kam, eine Waadtländer Staatsrätin fordere eine Ausgangssperre. «Immer diese Welschen!», schoss es mir durch den Kopf. Da hängt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron den ­Harten raus, verhängt ein «confinment» und schon rufen unsere West­schweizer Mitbürger ebenso nach der drakonischen Hand ­des Staates. Dabei, seien wir ehrlich, einen Zettel ausfüllen, weil ­man zur Arbeit oder zum Einkaufen geht – das ist doch sehr unschweizerisch.

Die Diskussion um die Ausgangssperre, später um die Öffnung
der Schulen und Restaurants: Sie bediente gängige Klischees. Wie ­
tief dieser Corona-Graben aber tatsächlich war, ist mir bis heute nicht ganz klar. In der Stadt Zürich etwa wurde das Seeufer schon bald gesperrt, in Genf liess man davon ab. Während Deutschschweizer Detaillisten sich sklavisch an die Sortimentsbeschränkungs-Vorgaben aus Bern hielten, liess man in der Westschweiz eher mal eine fünf gerade sein.

Sicher ist aber: Die Westschweiz war und ist stärker vom Coronavirus betroffen. Dass in Schaff­hausen, wo die Infektionsrate zehn Mal tiefer ist als in Genf, die Diskussion eine andere ist, liegt auf der Hand. Wirtschaftliche Fragen standen in der Deutschschweiz schneller im Zentrum der Debatte als in der Westschweiz. Exemplarisch dafür war die Diskussion um die Schliessung von Baustellen. Auch sie er­reichte zwar die Deutschschweiz, war aber stark von Westschweizer Gewerkschaften getrieben.

Wir Deutschschweizer haben in diesen Corona-Tagen die West­schweizer besser kennengelernt – vor allem ihre zwei Bundes­räte. Alain Berset und Guy Parmelin spielen eine Schlüsselrolle, ent­sprechend oft sassen wir ihnen an Medienkonferenzen gegenüber. Besonders Parmelin nahmen wir bis anhin wenig wahr in seiner Magistraten-Rolle. Ich gebe zu, bis heute tue ich mich schwer damit, ihn zu verstehen – egal, in welcher Sprache ­er spricht. Die epischen Medienkonferenzen mit Experten und Bundesräten zeigten aber auch, dass wir West- und Deutschschweizer ganz oft ähnliche Fragen hatten. Kinder, Masken, Tests beschäftigten uns gleichermassen.

 

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