Für den technischen Teil eines Podcasts mit anderen Personen zusammenzuarbeiten – einer der zahlreichen Tipps, die Noémie Gmür in ihrem Leitfaden preisgibt.

Aktuell – 17.12.2021

«Du willst einen Podcast machen? Los gehts»

Noémie Gmür ist Journalistin, Social-Media-Beraterin, engagierte Macherin, Ausbildnerin und vieles mehr. Die französisch-schweizerische Doppelbürgerin führt eine spitze Feder und hat soeben den Leitfaden «Die Kunst des Podcasts» publiziert.

Interview von Gilles Labarthe

In der Schweiz räumen Medien und Ausbildungsstätten wie das Centre de formation au journalisme et aux médias (CFJM) in Lausanne oder die Schweizer Journalistenschule (MAZ) in Luzern Podcasts immer mehr Platz ein. Die Audiobeiträge werden wegen ihrer grossen Gestaltungsvielfalt und ihrer ständigen Verfügbarkeit sehr geschätzt, gerade auch wenn man unterwegs ist.

Noémie Gmür, eine leidenschaftliche Autorin, hat dem noch jungen Format nun einen Leitfaden gewidmet. Bevor sie sich als Autodidaktin dem Podcast widmete, arbeitete sie in mehreren Bereichen, heute sind Podcasts zu ihrem Beruf geworden.

EDITO: Noémie Gmür, geben Sie uns doch bitte einen Einblick in Ihren Werdegang.

Noémie Gmür: Ich habe an der Pariser Sorbonne-Universität Geschichte studiert. Mein Ziel war es schon damals, Journalistin zu werden. Nach einem Burnout habe ich in den Kommunikationsbereich gewechselt – ich dachte mir, dass ich dort grössere Chancen hätte, einem «richtigen Beruf» nachzugehen. Später dann habe ich als Kommunikationsspezialistin im Social-Media-Bereich gearbeitet. Ich musste alles beherrschen: Copywriting, Projektmanagement, Dreharbeiten und Budgetmanagement. Die Atmosphäre war geprägt von moralischer Nötigung, Sexismus, Rassismus und LGBT-Phobie – zudem dauerten die Arbeitstage jeweils sehr, sehr lange …

2018 dann, als ich mich mit dem feministischen Verein «Stop Harcèlement de rue» engagierte, geriet ich erneut an den Rand eines Burnouts. Unterdessen hörte ich bereits viele Podcasts. Ich sprudelte von Ideen und spürte, dass da etwas vor sich geht. Nachdem ich als Freiwillige an der ersten Ausgabe des Paris Podcast Festival mitgearbeitet hatte, lancierte ich mit Entre Eux Deux einen Podcast, bei dem ich Personen interviewe, welche die Norm in Liebesbeziehungen infrage stellen.

Dieser erste Podcast war ein riesiger Erfolg. Wie haben Sie damit angefangen?

Es war Learning by Doing, gepaart mit Tutorials auf Youtube und wertvollem Wissensaustausch mit Gleichgesinnten. Als Kommunikationsexpertin mit Erfahrung im Bereich Podcasts konnte ich auf ein intaktes Netzwerk in diesen zwei Bereichen zählen. Ich habe relativ schnell Aufträge erhalten, insbesondere im Bereich Verkauf und Werbung.

Ich war motiviert, mich im Bereich des Tonschaffens zu spezialisieren, weshalb ich eine Ausbildung in dokumentarischer Tonaufnahme an der Ecole nationale supérieure Louis-Lumière absolvierte. Dank dieser Ausbildung bin ich glaubwürdiger und wage es eher, meine Ideen auch Tonstudios vorzuschlagen.

Warum haben Sie dieses Ausdrucksmittel gewählt?

Ich habe es schon immer geliebt zu schreiben. Die Medien erlebe ich als nur schwer zugänglich. Ich bin mir natürlich bewusst, dass man mir als Kommunikationsexpertin nicht den roten Teppich ausrollt – zu kompetitiv ist der Mediensektor, zudem ist er stark von Männern dominiert. Dann kam #MeToo, die Sache mit der FB-Gruppe Ligue du LOL und Podcasts mit Frauen begannen zunehmend zu boomen. Damit sind Formate in den Vordergrund getreten, mit denen ich mich viel besser identifizieren kann.

Die Freiheit des Tons, des Themas und des Formats hat mich überzeugt. Ein Podcast ermöglicht es, redaktionelle, theoretische, aber auch administrative und technische Kompetenzen zu vereinen. Als hyperaktive Person langweile ich mich schnell, wenn ich immer das Gleiche mache. Bei einem Podcast ist das aber nicht der Fall!

Ein anderer Aspekt, mit dem noch kaum eine Auseinandersetzung stattfindet, ist die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung oder neuroatypische Menschen. Dass ich mich so stark mit diesem Format identifiziere, hängt auch damit zusammen, dass ich ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität (ADHS) habe. Für mich ist es schwierig, mich auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren. Mit dem Podcast fühle ich mich wohl. Er ermöglicht es mir, Themen in der Tiefe zu behandeln.

Wie kann man sich mit Podcasts profilieren?

Den Podcast, den man produziert, muss man auch selber hören wollen. Das bedeutet zweierlei: Erstens müssen Inhalte kreiert werden, die einen selbst packen. Zweitens muss man, um sich abgrenzen zu können, bereits existierende Podcasts hören, die das gleiche Thema beackern. Selbst wenn es schon viele davon gibt und es deshalb schwieriger sein wird, einen Podcast zu lancieren, ein Ding der Unmöglichkeit ist es nicht. Am wichtigsten ist es aber, einen originellen Blickwinkel einzunehmen. Und wenn es noch nichts zu deinem Lieblingsthema gibt, dann umso besser! Die Regel lautet: Je «nischenhafter» das Thema, desto besser funktioniert der Podcast.

«Als hyperaktive Person langweile ich mich schnell, wenn ich immer das Gleiche mache.»

Noémie Gmür

Gibt es heute genügend Absatzmärkte, um ein regelmässiges Einkommen zu erzielen?

Lautet die Frage, ob mit Podcasts Geld verdient werden kann, dann lautet die Antwort ganz klar ja. Dafür braucht es aber Polyvalenz und Durchhaltevermögen. Die Entwicklung von Podcasts steht noch am Anfang, es gibt noch viel zu entdecken und die Gestaltungsmöglichkeiten sind riesig.

Nur von Podcasts zu leben, ist aber schwierig. Schreiben, produzieren und eine Episode gestalten erfordert viel Zeit – im Vergleich mit dem Schreiben eines Artikels sind mehr Arbeitsschritte nötig. Derzeit ist immer noch schwierig, jemandem zu verstehen zu geben, wie viel Arbeit ein Podcast mit sich bringt und wie dies zu evaluieren ist.

In einem Ihrer letzten Newsletter verweisen Sie auf eine journalistische Recherche Ihrer Mitstreiterin Khedidja Zerouali für die Internetzeitung Médiapart. Ihr alarmierender Titel lautete: «Angst und Burnout: Wer einen Podcast macht, hat Mühe, seine Rechte durchzusetzen». Wie sieht die Situation aktuell in Frankreich aus?

Die Arbeitsbedingungen sind prekär. Es gibt noch keine effizienten Strukturen, welche die Podcast-Macher und -Macherinnen schützen und stärken. Es gibt keine fixen Gehaltsstrukturen, keine Gewerkschaft. Es herrscht ständig Wettbewerb, Transparenz fehlt, was die Urheberrechte angeht, und in den Tonstudios herrscht Mangel an Arbeitskräften.

Die einzige Organisation, die es in unserem Berufssektor gibt, ist eine Gewerkschaft von Arbeitgeberinnen und -gebern. Ich denke, dass wir so zahlreich in die Welt der Podcasts drängen, weil uns das Milieu von Zeitungsjournalismus, Radio und TV sehr verschlossen vorkommt. In der Welt der Podcasts dagegen tut sich ein Eldorado auf, um über Themen zu sprechen, mit denen traditionelle Medien nichts zu tun haben wollen. Wir sind aber schnell zurück auf den Boden der Realität gekommen, weil auch in der Welt der Podcasts Machtstrukturen sehr präsent sind. Gerade deshalb müssen sich die Macherinnen und Macher zusammentun, um ihre Rechte geltend zu machen.

Sie sind französisch-schweizerische Doppelbürgerin und leben teilweise in Deutschland …

Da ich mit zwei Kulturen aufgewachsen bin, kann ich die beiden Länder, Frankreich und die Schweiz, mit etwas Abstand betrachten. Ich bin sehr frustriert, dass ich Deutsch nicht seit meiner Kindheit gelernt habe, lebte doch meine Familie väterlicherseits im Kanton St. Gallen. Meine Grossmutter kam ursprünglich aus Deutschland. Als sie gestorben war, verspürte ich das Verlangen, zu meinen Wurzeln zurückzukehren. Der deutschsprachige Markt für Podcasts ist vielversprechend.

Man hat den Eindruck, dass er sich basierend auf einer anderen Radiokultur sehr rasch entwickelt. In Frankreich ist das Tonschaffen einmalig, gerade die Kultur des Dokumentierens ist sehr präsent. In Deutschland dagegen dominiert das Interview-Format. Ich glaube sehr stark an die Verbreitung dieses Marktes und ich möchte ein Teil davon sein. Ich überlege mir übrigens, ob ich mein Buch auf Deutsch übersetzen soll – die Zukunft wird zeigen, ob es klappt!

Ihr 400-seitiger Leitfaden ist sehr verständlich geschrieben und fasst das Wichtigste zusammen. Welches sind die fünf wichtigsten Ratschläge, die Sie an Junge geben, die einen Podcast machen wollen?

Um auf die Dauer erfolgreich zu sein, muss man sein Thema leidenschaftlich beackern. Authentizität scheint mir ebenfalls sehr wichtig, gerade weil ein Podcast von der Stimme lebt. Alle Emotionen werden gehört – und es gibt doch nichts Schlimmeres, als wenn jemand falsch tönt. Dann bin ich der Meinung, dass die Auswahl der Gäste sehr wichtig ist. Man sollte es vermeiden, Personen einzuladen, die überall zu hören sind. Eher sollte man versuchen, verschiedene Blickwinkel abzudecken, aus seiner Komfortzone auszubrechen und seine Fragen gut vorzubereiten.

Für technische Fragen empfehle ich, mit Fachpersonen zusammenzuarbeiten; dieser Austausch ist wertvoll, wenn man zweifelt oder eine externe Meinung braucht. Zudem verschwendet man nicht unnötig seine Kräfte. Und schliesslich ein Ratschlag, den ich zu Beginn nicht angewendet habe: Die Episoden frühzeitig vorbereiten!

Sie sprechen auch die Finanzierung an. Auf was sollte man achtgeben?

Wie ein Podcast finanziert wird, ist sehr unterschiedlich. Es gibt zahlreiche Finanzierungsmöglichkeiten. Ich liste in meinem Buch sechs verschiedene auf: sich von einer Marke sponsern lassen, Crowdfunding, Verkauf von Nebenprodukten und Organisation von Events, sein Know-how (Produktion, Ausbildung, Redaktion) professionell verkaufen und die Zusammenarbeit mit Tonstudios oder Radios.

Jeder Inhalt ist einzigartig, so wie seine Macherin bzw. sein Macher. Deshalb sollte man sich gut überlegen, wie und anhand welcher Kriterien man vorgeht. Entscheidende Kriterien sind der Inhalt, das Format, die Regelmässigkeit, die Zeit und die zur Verfügung stehenden Mittel sowie das professionelle und persönliche Netzwerk. Und dann natürlich auch die potenzielle Hörerschaft rund um das Thema.

Noémie Gmür, L’art du podcast: le guide complet pour vous lancer! De l’idée jusqu’à la monétisation, 7 étapes pour réussir votre projet, Verlag Eyrolles, 416 Seiten.

Ihr Kommentar

Bitte füllen Sie alle Felder aus.
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

* = erforderlich

Sicherheitscode *