Im April hat das Deutschschweizer Fernsehen eine virtuelle Tour de Suisse mit dem Namen «The Digital Swiss 5» ins Leben gerufen.

Zukunftsmodelle – 17.06.2020

E-Sport zwischen PR und Journalismus

Die Pandemie könnte den elektronischen Sport in der Schweiz in Schwung bringen.

Von Jean-Luc Wenger

Am 22. April startete die Radrundfahrt Tour de Suisse – vom Wohnzimmer aus. Während fünf Tagen erklommen die Radrennfahrer von ihrem Hometrainer aus Pässe und fuhren den Seen entlang. Sie schienen sich zu amüsieren, wie auf den Bildschirmen zu erkennen war. War dieser virtuelle Wettkampf der endgültige Startschuss für den E-Sport in der Schweiz? Das scheint unklar, denn die Simulatoren haben nach der Definition des E-Sports nicht unbedingt einen Bezug mit dem elektronischen Sport.

Das klischeebehaftete Bild vom Jugendlichen, der in seinem Sofa hängt und Videogames spielt, ist weit entfernt vom Bild der professionellen Radrennfahrer, die sich im Wohnzimmer abmühen. Das Bundesamt für Sport (BASPO) hatte im April 2019 in einem Bericht erklärt, dass es sich bei E-Sport nicht um eine Sportart im traditionellen Sinn handelt. Die Tageszeitung Le Temps bemerkte, dass die Entscheidung des Bundes alles andere als anekdotisch sei. «Dieser Entscheid verschliesst dem E-Sport auf lokaler Ebene die Tür, öffentliche Gelder zur Förderung des Sports zu beantragen», schrieb die Zeitung.

Der Kanton Genf betrachtet den E-Sport als «richtigen» Sport.

Der 2008 gegründete Schweizerische e-Sports Verband (SESF) bedauerte damals, vom Bund übergangen worden zu sein. Wie dem Bericht des BASPO zu entnehmen ist, verfolgen die Produzenten immer ein wirtschaftliches Interesse: «[Es sind] monetäre Ziele, [die] im Vordergrund stehen und nicht die dem traditionellen Sport zugrundeliegenden Prinzipien.»

Der Kanton Genf dagegen betrachtet den E-Sport als «richtigen» Sport und führt eine Liste der Clubs, die ausbilden und Turniere organisieren. Die Athleten, die FIFA 20 spielen, ziehen das Interesse von Fussballklubs auf sich: St. Gallen, Lausanne-Sport, FC Basel, Lugano, Luzern, Young Boys, Thun, Zürich, Neuenburg Xamax oder der FC Sion haben in die Ausbildung von jungen Online-Athletinnen investiert. Und das nicht nur für FIFA 20, sondern auch für Rollenspiele oder Kampfsportarten wie «League of Legends», «Counter Strike», «Fortnite» oder «Super Smash Bros Ultimate»…

Bis jetzt unterstützen Schweizer Sponsoren die E-Sport-Welt nicht mit viel Geld. Doch die Telekommunikationsanbieter interessieren sich für die Spieler, stellen sie doch potentielle Konsumenten dar. Swisscom organisiert Turniere und plant eine Profi-Liga. Der Kabelnetzbetreiber UPC investiert schon seit einigen Jahren in diesen Bereich. Postfinance hat seine eigene semi-professionelle Mannschaft ins Leben gerufen. Eine sehr gründliche Recherche der Nachrichtenagentur SDA zeigte im Februar dieses Jahres, dass Sportausrüster anfangen, sich mit E-Sport zu befassen.

Die meisten Spielerinnen sind zwischen 16 und 34 Jahre alt. Sie stellen einen wichtigen Markt dar, da sich diese Altersgeneration kaum der traditionellen Kommunikationskanäle bedient. Die französische E-Sport-Organisation Vitality hat dies umgehend erfasst und mit der deutschen Marke Adidas einen Vertrag ausgehandelt. Die finanziellen Bedingungen waren offenbar viel besser als jene für die Fussballclubs der ersten Liga. Puma ist auch auf den Zug aufgesprungen und entwickelt speziell Produkte für E-Sportler. Nike tastet derzeit den Markt ab.  Viele Firmen entdecken den E-Sport für sich.

Wenn sich der E-Sport professionalisiert, dann wird er den Qualen des professionellen traditionellen Sports wohl kaum entgehen: Korruption, Falschspiel, Doping, Wettbetrug… Aber hey, wenn der elektronische Sport in Zeiten wie diesen Trost spendet, dann ist er ein Gewinn!

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