Aktuell – 23.03.2016

"Fusion? So weit sind wir überhaupt noch nicht"

Die Organisationen der Schweizer Journalistinnen und Journalisten  prüfen, wie und ob sie besser – und enger – zusammenarbeiten wollen. Die Szenarien reichen bis zur Fusion. Solche Ideen stossen aber bereits jetzt auf Opposition.

Bbü. Es gab eine Medienmitteilung – mit Gruppenbild*: Ende Februar haben sich Vertreterinnen und Vertreter von SSM, syndicom, impressum und SFJ/AJS (Verband Schweizer Fachjournalisten) zu einer Diskussion über "die Zukunft der Organisationen der Medienschaffenden in der Schweiz" getroffen. Da, so die Mitteilung, Einigkeit darüber bestehe, dass die Mitglieder aller vier Organisationen den gleichen Herausforderungen gegenüberstünden, werde nun eine Arbeitsgruppe geschaffen, "um verschiedene Szenarien für eine engere und effizientere Zusammenarbeit zu prüfen".

Reaktion auf "Herausforderungen"

Von einem "Diskussions- und Annäherungsprozess" spricht Stephanie Vonarburg, als syndicom-Zentralsekretärin für die Branche Presse und elektronische Medien zuständig. Dies als Reaktion auf Herausforderungen wie sinkende Arbeitsplatzsicherheit, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, "die Schwierigkeit, diese kollektiv gut zu regeln und zu lösen" und sinkende Mitgliederzahlen. "Die Frage ist, in welcher Form wir die Arbeitnehmerinteressen am besten verteidigen können", so Vonarburg, und dass die Arbeitsgruppe nun Szenarien ausarbeite "von einer engeren Zusammenarbeit und Kooperation bis hin zum Zusammenschluss".

Für SSM-Zentralsekretär Stephan Ruppen ist die Bildung und Zielsetzung der Arbeitsgruppe  "ein Auftakt zu einem Schritt, den die Mitglieder erwarten und wünschen". Die äusseren Rahmenbedingungen verlangten – mehr als noch vor ein paar Jahren – die Bündelung aller Kräfte zur Verteidigung der Interessen aller Medienschaffender. Bisher, so Ruppen, hätten die Verbände zu sehr einzeln agiert, doch gebe es viele gemeinsame Interessen, "die wir alle vertreten". Die Arbeitsgruppe soll "relativ zügig" vorgehen und eine Auslegeordnung machen: "Welche Kooperationsformen sind eventuell möglich? Und welche Stufen gibt es, die zu diesen Kooperationen führen?"

"Natürlich diskutiert man bis und mit Fusion alles"

"Wir reden ja schon lange über Kooperationen", sagt impressum-Zentralsekretär Urs Thalmann. Es gebe bereits heute Bereiche, in denen die Verbände zusammenarbeiteten, etwa bei der Stiftung Presserat oder bei der Ausbildung – und es gebe Bereiche, die zusammengelegt werden könnten, etwa Rechtsschutz, Dienstleistungen und Mitgliederwerbung: "Ein Szenario ist eine gemeinsame Organisation, in die man alles Gemeinsame auslagert." Es gehe um einen ersten Schritt, darum, "operativ so viel wie möglich zusammen machen", aber "natürlich diskutiert man bis und mit Fusion alles".

"Fusion? So weit sind wir überhaupt noch nicht", findet Pete Mijnssen, Präsident des Verbands Schweizer Fachjournalisten. Der kleinste der Verbände in der Arbeitsgruppe will  weiterhin bei den Gesprächen dabei sein: "Ich finde es gut, wenn man neue Ideen und Strategien entwickelt. Die aktuelle Situation in der Branche ist schwierig, und die Medien leiden unter einem Bedeutungsverlust. In diesen Zeiten muss man sich umschauen, welche Möglichkeiten zur Zusammenarbeit es gibt", so Mijnssen. Man wolle das Ganze "vorurteilsfrei" anschauen – aber da gebe es schon einen Haken: "Wir sind keine Gewerkschaft, sondern eher eine Standesorganisation."

"Unklug, wenn nicht sogar gefährlich"

Das Thema Gewerkschaft versus Standesorganisation wird in der Kooperations-Diskussion bestimmt zu reden geben – möglicherweise auch in heftigem Tonfall. Das zeigt eine Nachfrage von EDITO beim Zürcher Presseverein (ZPV), der Zürcher Sektion von impressum. "Als Berufsverband haben wir andere Interessen und Prioritäten als die gewerkschaftlich orientierten Journalistenorganisationen", findet ZPV-Präsident Christian Maurer. Eine Zusammenarbeit der Verbände bei den GAV-Verhandlungen sei sinnvoll, bei weiter gehenden Kooperationsideen aber sei er skeptisch und glaube auch nicht, dass die Mehrheit der Mitglieder diese akzeptieren würden, denn: "Bei einer Fusion müsste man wahrscheinlich die Politik des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes mittragen oder würde zumindest damit identifiziert." Das "Vorprellen des impressum-Vorstands mit der Fusionsidee" hält Maurer deshalb "für unklug, wenn nicht sogar gefährlich".

Das Thema Zusammenarbeit der Verbände wurde übrigens bereits im Interview von Edito+Klartext mit Stephan Ruppen, Urs Thalmann und Stephanie Vonarburg diskutiert (Ausgabe 4/15). Einige Ideen dazu sind bereits dort nochzulesen.

 

*Zum Bild: Diese Präsidiums- und Vorstandsmitglieder beziehungsweise Mitarbeitenden von impressum, SFJ/AJS, syndicom und SSM besprachen am 29. Februar in Bern mögliche Zukunftsszenarien. Von links nach rechts: Stephan Ruppen (SSM), Pierre-Henry Badel (SFJ/AJS), Florian Niedermann (syndicom), Roland Kreuzer (syndicom), Rafael Poncioni (SSM), Ruedi Bruderer (SSM), Sina Bühler (syndicom), Christian Campiche (impressum), Stephanie Vonarburg (syndicom), Urs Thalmann (impressum).

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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