Aktuell – 01.04.2014

"Im Sinne des gegenseitigen Verstehens"

Journalistinnen und Journalisten der verschiedensten Fachbereiche organisieren sich in Verbänden – und sehr oft sind darin auch Branchen- und Interessenvertreter mitorganisiert. Das birgt  Konflikt- wie auch Sponsoring-Potenzial. EDITO+KLARTEXT hat einige der Verbände zu ihrer Praxis befragt. Von Bettina Büsser

Motorjournalisten, Bahnjournalisten, Agrarjournalisten, Sportjournalisten und so weiter: In der Schweiz gibt es eine ganze Reihe von fachlich definierten Journalisten-Organisationen. Doch nicht bei allen bedeutet "Journalisten" im Namen, dass auch nur Journalisten drin sind.

Die Vereinigung Bahnjournalisten Schweiz etwa ist laut Geschäftsführerin Sandra Pfyffer Briker ein "Zusammenschluss von qualifizierten Journalisten, Publizisten, Autoren und Fotografen sowie Mediensprechern und Meinungsbildnern, die in den Bereichen des öffentli­chen Verkehrs und des Güterverkehrs arbeiten". 70 davon sind Aktivmitglieder (Journalisten etc.), 14 ehemalige Aktivmitglieder, 3 Ehrenmitglieder, dazu kommen 86 Mediensprecher und 12 Meinungsbilder, also Interessenvertreter.

Bei der Vereinigung Schweizer Agrarjournalisten – laut Präsident Roland Wyss "eine Plattform für Kontakte und Austausch über Themen, Inhalte und Methoden der Land- und Ernährungswirtschaft" – sind von den rund 170 Mitgliedern nur rund ein Drittel Journalisten: "Mitglied werden kann, wer sein Leben hauptsächlich mit der Kommunikation über landwirtschaftliche und ernährungswirtschaftliche Themen verdient. Wir sind sehr offen", so Wyss.

Nur Journalisten finden sich hingegen im Verein Club der Zürcher Wirtschaftsjournalisten (CZW), der allen Schweizer Wirtschaftsjournalisten offen steht und laut Vorstandsmitglied Birgit Voigt "versucht, Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen zu pflegen und vertiefte Einblicke in deren Strategien zu ermöglichen". An sechs bis sieben CZW-Veranstaltungen im Jahr sind CEOs von Schweizer Unternehmen zu Gast, "sie können ‚off-the-record’ vor unseren Mitgliedern ihre Sicht der Dinge darlegen." Der CZW hat 120 Mitglieder, "vollberuflich tätige Journalisten, die ihr Leben zu einem hohen Prozentsatz aus Wirtschaftsjournalismus finanzieren", sagt Voigt. Zur jährlichen GV werden neben den Mitgliedern aber auch Mediensprecher eingeladen.

Grundkurs als Voraussetzung. Hoch ist der Journalistenanteil auch bei sportpress.ch, dem Verband der Schweizer Sportjournalisten. Er umfasst rund 1200 Mitglieder: "Rund 95 Prozent davon sind Journalisten. Es sind aber auch einige Pressesprecher dabei, die zuvor als Journalisten gearbeitet haben. Das ist nach unseren Statuten möglich, ebenso die Mitgliedschaft von Verbandssprechern", so sportpress.ch-Präsident Wolfgang Rytz. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist der Besuch eines fünftägigen Grundkurses des Verbands, den nur absolvieren kann, wer mindestens 18-jährig ist und eine honorierte Tätigkeit seit mindestens einem Jahr nachweist.

Beim Verband Schweizer Fachjournalisten (SFJ) erreichen laut Zentralsekretär Pierre-Henri Badel die Hälfte der rund 750 Mitglieder die Kriterien des SFJ-BR (Berufsregister), die andere Hälfte schreibt nicht genügend, um den "BR" zu erhalten, darunter sind auch PR-Leute: "Wir sind ein Berufsverband, unsere Mitglieder sind Experten in irgendeinem Bereich, aber nicht unbedingt Journalisten im Hauptberuf", so Badel.

Als "Vereinigung von Fachjournalisten, die im weitesten Sinn mit motorisiertem Verkehr zu tun haben" definiert Präsident Erwin Kartnaller den Verband Schweizer Motorjournalisten (SMJ), gleichzeitig soll der Verband aber "im Sinne des gegenseitigen Verstehens Welten zusammenführen". Darum finden sich unter den 167 SMJ-Mitgliedern neben 15 Aktiv-BR-Mitgliedern, 97 Aktiv-Mitgliedern und 16 Passiv-Mitgliedern auch 40 Pressechefs.

Beim Swiss Travelwriters Club schliesslich sind von den aktuell 187 Mitgliedern 115 Journalisten, dazu kommen 72 Branchenvertreter. Laut Präsident Roger Zedi handelt es sich um eine "Networking-Plattform für Reisejournalisten sowie Leute aus der Tourismusbranche, also PRAgenturen mit Tourismus-Mandaten, Tour Operators und Destinationsvertreter".

Konflikte im Verband? Gibt es kein Konfliktpotenzial, wenn Journalisten und Branchenvertreter im gleichen Verband oder Verein sind? Schliesslich vertreten sie – zumindest nach gängigen Journalismusvorstellungen – nicht dieselben Interessen. "Ich wüsste kein Beispiel für so einen Konflikt. Der würde wahrscheinlich nicht über den Club ausgetragen, sondern untereinander ausgemacht", so Zedi.

Beim Verband Schweizer Motorjournalisten kann laut Präsident Erwin Kartnaller in Konfliktfällen der Vorstand intervenieren: "So haben wir ein Mitglied ausgeschlossen, das Testwagen missbräuchlich verwendet hat. Wir reagieren etwa auch, wenn Importeure bei Testwagen die Bedingungen so verschlechtern, dass es unmöglich wird, sie seriös zu testen."

Ein Konflikt in der Vereinigung Schweizer Agrarjournalisten (SAJ) zeigt die Problematik von Branchen-Journalisten-Verbänden auf: SAJ-Mitglied Eveline Dudda, freie Agrarjournalistin, hatte vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hartnäckig immer wieder Informationen erfragt. Dessen Sprecher Jürg Jordi, auch SAJ-Mitglied, beschied ihr im November 2013, sie solle ihre Anfragen künftig nicht mehr an die Medienstelle, sondern direkt an den BWL-Rechtsdienst richten. Diese würden dann als Gesuch nach dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung behandelt. "Weigert sich ein ganzes Bundesamt, anders als auf dem Rechtsweg mit einer ihm unliebsamen Journalistin zu verkehren, hindert es die Medien an der Erfüllung ihrer Aufgaben. Das ist inakzeptabel", schrieb darauf das Recherchenetzwerk investigativ.ch in einem Protestbrief.

Im SAJ-Bulletin wurde der Konflikt zwar thematisiert – allerdings in einem Einerseits-Andererseits-Text, der für das Recht auf Recherche wie für ein gutes Verhältnis zu den Behörden eintrat. "Ich kann mich nicht an einen ähnlichen Konflikt erinnern, der so breite Wellen geworfen hat. Solche Sachen werden eher nicht im Rahmen des Verbands ausgetragen, persönliche Differenzen werden persönlich ausgefochten", sagt SAJ-Präsident Roland Wyss.

Ohne Nähe kein Reisejournalismus. Sind Branchenvertreter und Fachjournalisten im gleichen Verband, kann es Konflikte geben – aber auch viel Nähe. In manchen Branchen ist diese traditionellerweise eher gross, etwa im Bereich Reisen. "Es gibt vom Club aus keine Regelungen bezüglich Gratisreisen", sagt Roger Zedi, Präsident Swiss Travelwriters Club, und weist auf die aktuell schwierige Situation der Reisejournalisten hin: Reisegeschichten werden zwar sehr gut gelesen, aber kaum eine Redaktion bezahlt angemessene Honorare oder verfügt über das nötige Budget. Ohne eine gewisse Nähe zur Branche könnte man heute praktisch keinen Reisejournalismus mehr machen." Der Club empfehle seinen Mitgliedern, Einladungen den Lesern gegenüber transparent zu machen.

Der Verband Schweizer Motorjournalisten wehrt sich laut Präsident Erwin Kartnaller gegen das Bild, ein Autojournalist sei immer ein PR-Journalist. "Früher gab es bei Autopräsentationen teils mehrtägige Reisen, dazu noch ein Geschenk. Heute verbietet unser Ehrenkodex die Annahme von Geschenken", sagt Kartnaller. Punkto Reisen bestehe bei Motorjournalisten aber eine besondere Situation: "Müssten Hersteller ihre neuen Autos in jedem Land präsentieren, wäre das für sie logistisch und finanziell aufwendiger, als wenn sie sie an einem Ort präsentieren und die Journalisten dorthin transportieren." In Bezug auf Sponsoring von Verbandsveranstaltungen ist der VSM laut Kartnaller zurückhaltend: "Wir versuchen uns den Rücken freizuhalten." Man habe den Mitgliederbeitrag angehoben; dafür erhielten die Mitglieder ein Rechtsschutz und ein Arbeitsrechtsschutz-Paket wie auch Fachkurse gratis. Überhaupt kein Sponsoring gibt es beim Verband Schweizer Fachjournalisten; er finanziert sich ausschliesslich aus Mitgliederbeiträgen: "Das ist uns sehr wichtig, denn so sind wir unabhängig", sagt VSF-Zentralsekretär Pierre-Henri Badel. Sportpress.ch hingegen arbeitet laut Präsident Wolfgang Rytz beim Grundkurs mit Sponsoren wie etwa Swiss Olympic, Swisslos, Axpo und Toshiba zusammen, ansonsten gibt es "allenfalls einen Apéro-Sponsor bei unserer Delegiertenversammlung".

Gesponserte Apéros gibt es auch beim Verein Club der Zürcher Wirtschaftsjournalisten: "Die GV hat für unsere Veranstaltungen die Zulassung von Sponsoring beschlossen; es handelt sich dabei um Kostenbeteiligungen an Apéros, am Jahresessen oder an der Saalmiete. Bei heiklen Themen oder Branchen ziehen wir es vor, die Anlässe selbst zu finanzieren", sagt Vorstandmitglied Birgit Voigt.

Gesponserter Neujahrsapéro. Die Vereinigung Schweizer Agrarjournalisten ist laut Präsident Roland Wyss beim Sponsoring "eher vorsichtig": Bei Veranstaltungen wie GV, Neujahrsapéro oder Weiterbildungen arbeite man zum Teil mit Fachverbänden oder kantonalen Verbänden zusammen, die beispielsweise den Apéro bezahlten. "Auf internationaler Ebene hingegen ist es anders", so Wyss: "Wir haben 2013 ein internationales Presseseminar in der Schweiz organisiert, dafür brauchten wir natürlich Sponsoren."

Der Swiss Travelwriters Club bietet seinen Mitgliedern vier bis fünf Events pro Jahr, Podiumsgespräche oder Veranstaltungen mit einem prominenten Gast. "Wir versuchen stets, attraktive Locations zu finden, manchmal sponsern diese unsere Veranstaltung, manchmal präsentieren sich Destinationen oder Reiseveranstalter und bezahlen dafür ein Sponsoring. Gut die Hälfte unserer Veranstaltungen bezahlen wir aus der Clubkasse", sagt Präsident Roger Zedi.

"Anlässe und Studienreisen im In- und Ausland mit dem Ziel, persönliche Begegnungen zu vermitteln, Hintergrundinformationen zu erschliessen sowie Erlebnisse vor Ort zu schaffen" organisieren laut Geschäftsführerin Sandra Pfyffer Briker die BahnJournalisten Schweiz. Dabei seien alle Aktivitäten mittels Sponsoring finanziert.

 

 

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