Kommen sie zusammen?
Leo Kirch hat bei Springer ausgespielt, Ringier will sich am deutschen Springer-Verlag beteiligen. Die Hefte und Zeitungen des Schweizer Verlages sind in Deutschland jedoch weitgehend unbekannt.
In Deutschland sorgte das Haus Ringier in letzter Zeit nur durch die Affäre um das Sexleben des Schweizer Ex-Botschafters Thomas Borer für Schlagzeilen. Der vermeintliche Seitensprung Borers, der mit seiner schillernden Gattin Shawne Fielding Borer vor allem die Berliner Partyszene bereicherte, wurde von den deutschen Medien dankbar aufgenommen. Doch die weitgehend erfundene Geschichte platzte und Ringier blamierte sich. Dies hat dem Image des Verlags in deutschen Journalistenkreisen geschadet, in der Öffentlichkeit ist die Sache aber wegen ihrer politischen Bedeutungslosigkeit bereits weitgehend vergessen. Ansonsten spielen die Produkte des Ringier-Verlags wie die “Schweizer Illustrierte” oder die “Glückspost” in Deutschland keine Rolle. “Objekte von Ringier sind in Deutschland nicht im Bewusstsein. Der Verlag wird weniger publizistisch, eher kommerziell wahrgenommen”, sagt Adolf Theobald, der lange Jahre in den Geschäftsleitungen von Gruner & Jahr, dem Spiegel-Verlag und auch Ringier gearbeitet hat.
Langjährige Kontakte
In der Verlagswelt war Ringier früher vor allem als Drucker bekannt. Der Gründer des Verlags hatte vor allem im Farb- und Tiefdruck etliche Neuerungen entwickelt und galt als sehr phantasievoll. Heute wird der Schweizer Verlag als sehr solide und ordentlich eingeschätzt. Peter Lanz, PR-Berater in München, fallen zu Ringier die Attribute “sehr schweizerisch, zuverlässig, konservativ und zurückhaltend” ein. Lanz war von 1996 bis 1998 Chefredaktor des Reisemagazins “Globo” und in der Entwicklungsredaktion von Ringier in Deutschland tätig. Den Verleger Michael Ringier schätzt er als “einen sehr zurückhaltenden, fast scheuen Menschen, der sich nicht in der Vordergrund drängt” ein. Und als politisch liberal.
Ein Zusammenschluss von Ringier und Springer käme für Insider allerdings nicht unerwartet. Seit Jahrzehnten bestehen Verbindungen zwischen den beiden Verlagen. Bereits in den 1960er und 70er Jahren leisteten viele deutsche Journalisten Aufbauhilfe in Zürich, die meisten von Springer. “Der ‚Blick‘ ist eine Adaption der deutschen ‚Bild-Zeitung‘. Da wurde viel Entwicklungshilfe geleistet”, sagt Adolf Theobald. Die personellen Überschneidungen gehen bis in die Führungsspitzen der Verlage. Der Vorgänger des derzeitigen Vorstandschefs Mathias Döpfner bei Springer, August “Gus” A. Fischer, war Mitte der 90er Jahre Mitglied des Verwaltungsrats bei Ringier.
Die Bande zwischen den Verlagen sind schon alt und Gespräche über eine gemeinsame Zukunft auch nichts Neues. Bereits Mitte der 1980er Jahre wollte Ringier in Deutschland kräftig einsteigen, doch die Pläne wurden wieder fallen gelassen. Lediglich am hochwertigen Reisemagazin “Globo” hat man festgehalten. “Ich hatte selbst in den 80er Jahren für Ringier mit Springer verhandelt”, erinnert sich Adolf Theobald.
Inhaltlich wird es nach Meinung von Branchenkennern keine Fusion geben, zumindest bei den Boulevard-Blättern. Redaktionelle Synergien sind dünn gesät. Sowohl “Bild” als auch “Blick” sind national ausgerichtet und das werden sie wohl auch bleiben. Viele Boulevard-Stoffe werden ohnehin seit langem international gehandelt und sind allen Verlagen zugänglich. “Wenn man Erfolg haben will, muss man wissen, dass der ‚Blick‘ nicht die ‚Bild‘ ist. Die Schweiz ist ein höchst sensibler Markt, den man nicht mit Deutschland über einen Kamm scheren kann. Ein Fein-Tuning bei einzelnen Objekten ist möglich, aber kein grosser Rundumschlag”, so Peter Lanz.
Auf den deutschen oder schweizerischen Print-Markt wird sich eine Fusion kaum auswirken. Möglich wäre, “Cash” in Deutschland zu launchen, Überlegungen dazu gab es schon vor einigen Jahren. Doch der Markt für Wirtschaftsmagazine ist derzeit konjunkturbedingt sehr eng. Auch im Jugendsegment, wo Springer mit den Magazinen “Rolling Stone”, “Music Express” oder “Sound” bestens aufgestellt ist, sehen Insider kaum Möglichkeiten. Die Musik in der Schweiz ist teilweise sehr speziell, das Objekt könnte an der zu engen Zielgruppe scheitern. Sichtbare Auswirkungen wird eine Fusion jedoch für den Zeitschriftenmarkt in Osteuropa haben, wo beide Verlage seit Jahren investieren. In Rumänien, Tschechien oder Ungarn werden sich mit grosser Wahrscheinlichkeit Potenziale für eine inhaltliche Zusammenarbeit finden lassen. Die Konkurrenzsituation und der Verdrängungswettbewerb auf dem osteuropäischen Markt werden zunehmen und deutsche Verlage wie Burda könnten sich schon einmal warm anziehen. Bei Burda verweigert man dazu jede Stellungnahme.
Kirchs Anteil soll veräussert werden
Die Sorge des Schweizer Bundesrates Moritz Leuenberger, Springer statt Ringier wäre ein “Kulturschock”, wird von deutschen Experten nicht geteilt. “Die Angst in der Schweiz, jetzt bestimmen die Deutschen, was die Schweizer lesen, sehe ich nicht. Ich kann die Furcht nicht teilen, das ist Unfug”, sagt Adolf Theobald. Gehen Springer und Ringier zusammen, wird dies ein reines Zweckbündnis. Beide könnten möglicherweise auch alleine ihre Verlage weiterführen, aber die Springer-Anteile von Kirch müssen irgendwo untergebracht werden. Doch statt dem politisch sehr engagierten Medienmogul Rupert Murdoch, der sich ebenfalls für das Paket interessieren dürfte, wird Friede Springer eher Michael Ringier an ihrer Seite haben wollen. Der im Vergleich zu Kirch oder Murdoch völlig unpolitische Ringier könnte nach Einschätzung von Branchenkennern sogar für eine liberalere Atmosphäre bei Springer sorgen.
Gehen zwei grosse Unternehmen einer Branche zusammen, kostet das meist eine Menge Jobs. “Im Augenblick ist nicht abzusehen, wie weit das Konsequenzen für die Arbeitsplätze in Deutschland hätte”, sagt Heinrich Bleicher-Nagelsheim, Medien-Fachbereichsvorstand der Gewerkschaft ver.di. In Osteuropa könne eine Fusion allerdings unmittelbare Folgen haben.
Nachdem Friede Springer aus dem Kirch-Paket weitere 10 Prozent der Springer-Aktien übernommen hat, besitzt die Deutsche Bank nun einen 30-Prozent-Anteil. Wie auch immer das Geschäft weiterlaufen wird, auch zur Deutschen Bank hat der Ringier-Verlag alte Kontakte. Mit Vorstandschef Josef Ackermann hat Michael Ringier zusammen in St. Gallen studiert.
Heiko Böttcher ist freier Journalist und lebt in Berlin.
- Tags: Ausgabe 5 | 2002, Verlage
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