8. Juli 2011 von Klartext

«Wir sind ein Stachel im Fleisch»

Koeppel
Bild: Ruben Wyttenbach

Roger Köppel steht als Fels in der Brandung der Medienwelt. Im Dienste der Demokratie verfolgt er unerschütterlich seinen staatskritischen Kurs. Beatrice Peter und Lukas Langhart haben nachgefragt*.

KT: Herr Köppel, warum schwimmen Sie gegen den Strom?

Köppel: Weil ich muss. Es ist die Aufgabe der Zeitung, Gegensteuer zu geben und die Macht zu kritisieren. Ich bin staatskritisch und wirtschaftsfreundlich. Aus dieser Haltung heraus arbeite ich. Das Wichtigste am Journalismus ist die kritische Unabhängigkeit und die Recherche. Ein amerikanischer Chefredaktor sagte mir einmal: Glaube nie Deiner Regierung. Diesem Credo lebe ich nach.

KT: Ein guter Journalist schreibt also immer staatskritisch?

Köppel: Journalisten sollten Nonkonformisten sein. Wer den Mainstream herausfordert, wer gegen den Strom schwimmt, hebt das Niveau der Diskussion. Erstaunlicherweise befinden sich viele Journalisten im Mainstream. Das hat wohl mit Bequemlichkeit zu tun. Ich aber irritiere – weil die Weltwoche sehr kritischen Journalismus verlangt. Und das ist gut so. Ich finde, alle guten Zeitungen sollten irritieren.

KT: Trotzdem wird der Kurs der Weltwoche immer wieder kritisiert, auch von Journalisten.

Köppel: Wir sind ein Stachel im Fleisch. Wenn wir sagen, dass etwas nicht ganz so ist, wie es andere schreiben, wenn wir Missstände aufdecken, ist es selbstverständlich, dass sich Widerspruch regt. Der Widerspruch, manchmal die Empörung, ist gross, weil die Fakten stimmen und die Weltwoche eine wichtige politische Stimme im Land ist. Wer als Erster eine Burg erobert, bekommt am meisten Pech und Schwefel ab. Damit muss man leben.

KT: Versteckt sich hinter dem Anti-Mainstream-Kurs eine Ideologie oder verkauft sich das Blatt damit einfach besser?

Köppel: Ideologien sind weltfremd und menschenfeindlich, weil sie den Menschen unter die Herrschaft von Ideensystemen stellen wollen und die Realität ausblenden. Das ist mir fremd. Selbstverständlich mache ich alles, um die Marke der Weltwoche zu stärken, schliesslich trage ich als Verleger und Eigentümer das alleinige Risiko. Mir schwebt die Weltwoche als das unabhängige Medium der Schweiz vor, welches man konsultiert haben muss, bevor man sich eine Meinung zu einem wichtigen Thema in diesem Land bilden kann.

KT: Wünschen Sie sich mehr Konkurrenz, die ins selbe Horn bläst wie die Weltwoche?

Köppel: Ich bin ein dezidierter Verfechter des Wettbewerbs, aber ich würde schwindeln, wenn ich sagen würde, ich wünschte mir mehr Konkurrenz. Jeder Unternehmer wäre gerne ein Monopolist. Wir sind es zum Glück nicht. Aber wir sind immerhin so erfolgreich, dass uns andere Medien kopieren.

KT: Ist die Weltwoche demnach die beste Zeitung der Schweiz?

Köppel: Das würde ich nie behaupten, aber unser Vorteil ist unsere Unabhängigkeit. Wir können auch schreiben, was andere nicht zu schreiben wagen. Es muss einfach Hand und Fuss haben. Es gibt viele starke Zeitungen und Journalisten in der Schweiz. Ich bewundere zum Beispiel Peter Übersax, den ehemaligen Chefredaktor des Blicks. Vor seinen Leistungen in den 70er und 80er Jahren habe ich grössten Respekt.

KT: Wen bewundern Sie sonst noch?

Köppel: Den Spiegel der frühen sechziger Jahre. Die Zeitung war ein Ärgernis für das deutsche Establishment. Den Linkskurs des Spiegels teile ich nicht, aber die kritische Haltung ist massgebend. Über meine heutigen Kollegen möchte ich mich nicht äussern, da müssen Sie mich als Unternehmer verstehen: Wenn ich dem Klartext schon mal ein Interview geben darf, sollte ich die Weltwoche in den Vordergrund rücken.

KT: Dann also zu Ihnen: Was können Sie besser als die anderen?

Köppel: Sie bringen mich in Verlegenheit. Ich klopfe mir doch nicht öffentlich auf die Schultern. Ich bin breit interessiert und habe Freude an interessanten Argumenten. Ich finde es wichtig, die Leute zu provozieren, sie also in ein Gespräch zu verwickeln.

KT: Da sind Sie doch aber nicht der Einzige.

Köppel: Das würde ich auch nie behaupten. Was mich von anderen unterscheidet, ist meine Sturheit. Wenn ich nach reiflicher Diskussion einen Weg als richtig erkannt habe, setze ich alles daran, dass er auch eingeschlagen wird. Ich glaube, ich kann ein ziemlich unbequemer Chef sein, weil es mir nicht egal ist, was wir schreiben. Zum Glück habe ich exzellente Leute, die damit umgehen können.

KT: Sie treten häufig im Fernsehen auf. Wird Ihnen der Printjournalismus zu langweilig?

Köppel: Nein. Wenn ich vom Fernsehen angefragt werde, stehe ich hin. Man muss seinen Standpunkt ja nicht nur auf einem Blatt Papier vertreten können.

KT: Stehen Sie gerne vor der Kamera?

Köppel: Die Kamera ist ehrlich. Es spielt nicht nur eine Rolle, was ich sage, sondern auch, wie ich es sage. Ich stemple das Fernsehen nicht als Boulevardmedium ab. Das tun vor allem diejenigen, die vor der Kamera nicht so gut rüberkommen.

KT: Sie fühlen sich dem Medium Fernsehen also gewachsen?

Köppel: Ich hatte noch nie Probleme damit, vor Leute zu stehen und etwas zu sagen. Aber ein Fernsehauftritt ist noch anspruchsvoller. Ich habe jedes Mal Lampenfieber. Verhasple ich mich? Verliere ich den Faden? Mache ich mich lächerlich? Es ist jeweils eine grosse Herausforderung.

KT: Sie sind sogar einmal aus den Ferien für eine Talkshow nach Berlin geflogen.

Köppel: Das war einfach eine gute Sendung zu einem guten Thema. Man wird ja nicht jeden Tag nach Deutschland eingeladen. Ich möchte diese Kontakte pflegen.

KT: In der Schweiz haben Sie erreicht, was es als Journalist zu erreichen gibt: Sie sind Verleger und Chefredaktor eines renommierten Blattes und können machen, was Sie wollen. Was nun?

Köppel: Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es einmal so weit kommt. Aber ich habe noch nicht das Gefühl, dass ich alles erreicht habe. Im Gegenteil: Ich bin der letzte, der sich selber auf die Schulter klopft. Als Unternehmer ist Zufriedenheit der erste Schritt in den Untergang. Auch die Weltwoche muss noch besser werden.

KT: Würde es Sie nicht reizen, in Deutschland eine Art Weltwoche zu lancieren?

Köppel: Mich reizt alles (lacht). Deutschland würde eine solche Zeitung gut tun. Die Frage ist, ob man Erfolg hat oder einfach Millionen in den Sand setzt. Momentan habe ich keine solchen Pläne, ich konzentriere mich auf die Schweiz. Aber wir werden sehen – lassen Sie sich überraschen.

* Beatrice Peter und Lukas Langhart führten das Interview im Rahmen der Werkstatt «Storytelling» von Barbara Lukesch an der ZHAW, Winterthur.

Umtriebiger Journalist und Unternehmer

Roger Köppel, 46, wuchs im Raum Zürich auf. 1988 startete er seinen journalistischen Werdegang in den Ressorts Sport und Kultur bei der NZZ. 1995 schloss er sein Studium der Politischen Philosophie und Wirtschaftsgeschichte ab. Zwei Jahre später wurde er zum Chefredaktor des Tages-Anzeiger-Magazins berufen, 2000 zum stellvertretenden Chefredaktor des Tages-Anzeigers und 2001 zum Chefredaktor der Weltwoche. Danach leitete er für zwei Jahre die Redaktion der deutschen Tageszei-tung Die Welt, bevor er 2006 als Verleger und Chefredaktor zur Weltwoche zurückkehrte. Roger Köppel ist verheiratet und hat einen anderthalbjährigen Sohn.

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