Busen weg
Die Busen- und Po-TV-Sender “Sat 1” und “RTL plus” ziehen nicht nur aus, sondern auch an: Letztes Jahr haben die Werbeeinnahmen der deutschen Privatsender erstmals diejenigen von ARD und ZDF übertroffen. Bei insgesamt 3,5 Milliarden Mark an Nettoeinnahmen aus der Fernsehwerbung liegt die Kölner TV-Anstalt “RTL plus” mit mehr als einer Milliarde Mark klar in Führung. Auf Rang zwei folgt “Sat 1” mit rund 802 Millionen Mark. Obwohl die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF nach Zuschauerzahlen noch immer vorne liegen, wurden sie mit ihrem gemeinsamen Werbeertrag von knapp 1,5 Milliarden Mark klar auf die Positionen drei und vier verwiesen. Prozentual den grössten Zuwachs an Werbegeldern konnte hingegen der Münchner Serien- und Spielfilmkanal “Pro 7” verbuchen: Er meldete für 1991 eine Steigerung von 250 Prozent auf 165 Millionen Mark. Mit knapp 42 Millionen Mark Einnahmen aus TV-Spots liegt jedoch die vierte private Fernsehstation, “Tele 5”, weit abgeschlagen am Schluss der Rangliste. Mehr als den Spitzenplatz beeindruckte die Zuschauer von “RTL plus” allerdings die Meldung, dass der Kölner Sender im Dezember 1992 die nackte Tatsache “Tutti Frutti”, eine Strip-Show, nach drei Jahren aus dem Programm kippen will, weil die “Luft draussen ist”. Bevor die geschockten Voyeure aber selbst tief Luft holen mussten, beruhigten sie die Programmverantwortlichen mit der Ankündigung, dass “RTL plus” natürlich auch in Zukunft eine Erotik-Show ausstrahlen werde.
Kopf ab
Die US-Zuschauer, denen Ted Turners Nachrichtensender CNN bislang zu wenig Gewalt gebracht hat, dürfen sich ab Herbst daran erfreuen, wie Duffy Duck der Kopf weggesprengt oder wie Tom und Jerry von einer Dampfwalze plattgedrückt werden. Im Oktober nämlich will Turner, Chef der Fernsehgesellschaft “Turner Broadcasting System” (TBS), den Zeichentrickfilm-Kanal “The Cartoon Network” via Kabel lancieren. Gefüttert wird der 24-Stunden-Sender mit den Programmen, die TBS 1990 für 320 Millionen Dollar von der Trickfilm-Firma “Hanna-Barbera” gekauft hat.
Zerstückelte Körper
Der amerikanische Nachrichtendienst CIA ist frustriert darüber, dass der News-Kanal CNN ihm während der Kuwait-Krise laufend die Show gestohlen hat. Deshalb will er jetzt unter dem Vorsitz von Präsident George Bush einen eigenen Nachrichtenkanal, ein “real-time electronic information broadcast”, aufbauen. Viele Zuschauer wird “Spy Channel” allerdings kaum haben: Neben dem CIA-Hauptquartier sollen lediglich ausgewählte Mitarbeiter von hundert Aussenstellen das kodierte Programm empfangen dürfen. Dafür werden diese im Kriegsfall auch die Bilder von zerstückelten Körpern der Opfer zu sehen bekommen, die die US-Regierung ihren Bürgerinnen und Bürgern während der Aktion “Desert Storm” aus Imagegründen vorenthalten hat.
Leiche geschändet
In der ehemaligen Sowjetunion gibt es keine Wahrheit mehr: Am 14. März erschien die letzte Ausgabe der achtzig Jahre alten Parteizeitung “Prawda”. Zwar besass das einstige Dreizehn-Millionen-Blatt kurz vor seinem Tod noch immer eine Auflage von rund 1,5 Millionen Exemplaren, doch der niedrige Verkaufspreis reichte nicht mehr, um die steigenden Kosten zu decken. Bereits im Januar waren die Abonnementseinnahmen für 1992 aufgebraucht. Nach dem Putsch gegen Michail Gorbatschow im letzten Sommer, den die “Prawda” begrüsst hatte, verlor die Zeitung die staatlichen Subventionen. Vor allem die massiv gestiegenen Papierpreise beschleunigten das Ende. Die letzte Ausgabe konnte deshalb nur noch in einer Auflage von 100’000 Exemplaren gedruckt werden. Viele orthodoxe Kommunisten empfinden die Stillegung der von Lenin 1912 gegründeten Zeitung als Leichenschändung.
1400 liquidiert
Die Spitzenmanager der “Axel Springer Verlag AG” sind gar nicht zufrieden mit dem letzten Jahr. 1991 schmolz der Gewinn des Hamburger Medienmultis wegen der immensen Verluste von 100 Millionen Mark im Ausland (“Claro”-Flop in Spanien) und wegen der hohen Anlaufkosten in Ostdeutschland auf ein Drittel des Vorjahresergebnisses (65 Millionen Mark) zusammen. Deshalb wollen die Bosse der grössten deutschen Zeitungsgruppe jetzt zu harten Massnahmen greifen. Darunter verstehen sie allerdings nicht die Kürzung ihrer Topgehälter, sondern sie streichen “als Signal an die Mitarbeiter” den Aktionären die Dividende. Zudem werden 1992 und 1993 nicht weniger als 1400 von insgesamt 12’620 Arbeitsplätzen des weltweit tätigen Medienkonzerns liquidiert. Von dieser “Kostensenkungsmassnahme” erhofft sich die “Springer”-Spitze jährliche Einsparungen von 160 bis 165 Millionen Mark.
Leser killen
Kurt Falk, ehemaliger Mitbesitzer des österreichischen Blut- und Massenblattes “Krone”, wetzt wieder einmal die Messer: “Dem deutschen Zeitungsmonopol in Österreich” soll der Garaus gemacht werden. Mit der Lancierung einer eigenen Boulevardzeitung zum Dumpingpreis von drei Schillingen (40 Rappen) will er der auflagestärksten Tageszeitung “Krone”, an der die deutsche WAZ-Gruppe massgeblich beteiligt ist, die Leser killen. Österreichische Branchenkenner gehen aber davon aus, dass Falks plötzliche Heimatliebe nur vorgeschoben ist: Falk braucht das neue Massenblatt vor allem, um sein für 125 Millionen Franken neuerstelltes Druckzentrum auszulasten.
Auszug
Seit die “Schweizerische Nationalbank” die “Orell Füssli Graphische Betriebe AG” übernommen hat, muss eine OF-Zeitschrift nach der andern ausziehen. Nach den Titeln “Orella”, “Treff”, “Spiel mit”, “Internationales Waffenmagazin” (alle neu bei der “Habegger AG” in Derendingen) und “Turicum”, das an die “Zürichsee Medien AG” (ZSM) verscherbelt wurde, sind nun das “Kursblatt der Zürcher Börse” und eine medizinische Fachzeitschrift an der Reihe. Auch diesmal bietet die ZSM neuen Unterschlupf.
Vogelzug
Die Schweizer Grossverleger schwärmen aus wie die Zugvögel: Während es “Ringier” nach Osten treibt, macht sich die Lausanner Verlegerfamilie Lamunière im Südwesten Europas breit: Ihr Verlagshaus “Edipresse” steigt mit der Übernahme des Lissabonner Verlags “Projornal” zum grössten ausländischen Verleger in Portugal auf. “Projornal” gibt die Wochenzeitschrift “O Jornal”, die “Illustrado”, das Kunst- und Medienblatt “Seze” und die Literaturzeitschrift “J. L.” heraus. Die Gesamtauflage aller Verlagstitel beträgt 195’000 Exemplare. Ausserdem gehören der portugiesischen “Edipresse”-Tochter 41 Prozent des wichtigsten Radiosenders TSF sowie ein Buchverlag. In Spanien sind die Lausanner seit der Übernahme des Verlages “Hymsa” bereits zum drittgrössten ausländischen Verleger aufgestiegen.
Beutezug
Während der “Schweizerische Bankverein” noch seinen Millionenverlusten aus dem Absturz des Maxwell-Imperiums nachtrauert, freut sich der Schweizer Bunte-Blättchen-Verleger Jürg Marquard über das Desaster: Die zu seiner Medien-Holding gehörende “Groppera Radio AG” hat aus dem Erbe des britischen Medien-Tycoons die Mehrheitsbeteiligung an der ungarischen Tageszeitung “Magyar Hirlap” (Auflage: 80’000 Exemplare) herausgekauft. Das Budapester Verlagshaus gibt noch eine Reihe weiterer Publikationen heraus. Marquard ist zudem durch den “Magyar Hirlap”-Beutezug Mehrheitseigner an der modernsten Zeitungsdruckerei Ungarns geworden.
Regionalzug
Was lange dauert, wird vielleicht nie etwas. Nachdem der fürstliche Landtag zu Vaduz nach jahrelangen Diskussionen im Frühling 1991 endlich grünes Licht für den Privat-Sender “Radio Liechtenstein” gegeben hat, sind nun im März drei Konzessionsgesuche eingereicht worden. Darunter befindet sich auch dasjenige der “Radio TV AG”, an der die Zürcher “Tages-Anzeiger AG” beteiligt ist. Mit der Realisierung das neuen Lokalsenders wird es allerdings auch künftig nur im Regionalzugs-Tempo vorangehen, weil die Regierung “mit längeren Abklärungen rechnet, da mehrere Projekte vorliegen”. Ausserdem muss die Regierung ihre Wahl erneut dem Liechtensteiner Parlament zur Genehmigung vorlegen.
- Tags: Ausgabe 2 | 1992, Medien-Markt
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