Der Störenfried
Jean Bonnard ist vielleicht schon bald nicht mehr Chefredaktor von „Le Nouvelliste“. Seine Gegner sind daran, ihn mit Holzhackermethoden zu vertreiben.
Jean Bonnard stört. Er stört den Frieden der Walliser Machtzirkel. Er stört die Strategien der Rechtsparteien. Und er stört die Pläne der grossen Verlagshäuser. Seit Sommer 2001 arbeitet der heute 57-jährige Journalist bei der Walliser Tageszeitung „Le Nouvelliste“, wo er wenige Tage vor der grossen „Gay Pride“, die die Gemüter der Walliser Konservativen erhitzte, seine Stelle antrat. Bonnard ist nicht einer, der aufs Maul sitzt – einer seiner ersten Kommentare war eine Schelte an jene Kreise, die die Schwulendemo mit unzimperlichen Methoden bekämpften.
Jean Bonnard ist kein Linker. Er neigt politisch eher zu den Walliser „radicaux“, zu einem Freisinn, der seine Daseinsberechtigung in der Opposition zu den allmächtigen CVP-Familienclans findet. Und im Wallis ist ein liberaler Denker schnell mal ein „Roter“, besonders wenn sein Vater Bergarbeiter und Mitglied der SP war. Für die SVP jedenfalls ist Bonnard geradezu ein rotes Tuch. Ein „Politkommissär“, der nach „Art der Prawda“ zensuriere, was ihm politisch nicht in den Kram passe. Konkret ging es um einen Beitrag des SVP-Nationalrats Oskar Freysinger: Bonnard wies ihn zurück, weil er ihn als Wahlpropaganda für die SVP einschätzte.
Überraschende Wahl zum Chefredaktor
Der „Nouvelliste“ ist neben der Kantonalbank und dem Staatsrat eines der drei grossen Machtzentren im Wallis. In seinem Verwaltungsrat sitzt alles, was den rechten Glauben sowie Rang und Namen hat. Etwa Marcel Revaz, Chef der Krankenkasse „Le Groupe Mutuel“. Oder Maurice Tornay, der bereits als Nachfolger des Christdemokraten Jean-Jacques Rey-Bellet im Staatsrat gehandelt wird. Oder Jean-Marie Fournier, der Promotor von Veysonnaz, der den Verwaltungsrat der Zeitung präsidiert. Dass Bonnard im Jahr 2004 als Chefredaktor auf François Dayer folgen konnte, war deshalb eine kleine Revolution. Denn Bonnard war der Nestbeschmutzer, der während zwanzig Jahren Walliser Skandale wie etwa die „Affäre Dorsaz“ ans Tageslicht gebracht und als Walliser Korrespondent im Edipresse-Blatt „Le Matin“ veröffentlicht hatte. Dayer selber hatte Bonnard den Weg bereitet, indem er die Zeitung weg vom katholischen Parteiblatt auf den Weg der Öffnung führte. Bonnard betrieb diese Politik weiter, und die Zahlen geben ihm recht: „Le Nouvelliste“ kann auf steigende Werbe- und LeserInnenzahlen verweisen.
Und dennoch musste Bonnard kurz vor den Weihnachtstagen aus der Presse erfahren, dass man einen Nachfolger für ihn suche. Hiess es zunächst, es gehe um eine langfristige Perspektive der personellen Erneuerung, wurde Verwaltungsratspräsident Jean-Marie Fournier bald präziser: Der Nachfolger solle schon in wenigen Wochen gefunden werden, doch Bonnard dürfe selbstverständlich in einer andern Funktion beim „Nouvelliste“ bleiben. Jean-Marie Fournier, muss man wissen, war von Anfang an gegen die Nomination Bonnards zum Chefredaktor. Und jetzt, wo sein Cousin, der Staatsrat Jean-René Fournier, Walliser Ständerat werden will, möchte der Verwaltungsratspräsident wohl eine parteipolitisch zuverlässigere Person an der Spitze der regionalen Monopolzeitung sehen. Der „König von Veysonnaz“ hat auch nie verschwiegen, dass sich die Zeitung nicht allzu sehr vom allein selig machenden Glauben entfernen dürfe.
Einflussreiche Gegner
Doch Jean-Marie Fournier hat noch einen andern Grund, den Kopf von Bonnard zu fordern. Denn Bonnard hatte die Frechheit, letzten Sommer eine Recherche aus „La Liberté“ für sein Blatt zu übernehmen, in der es um die Versuche des Verlegers Philippe Hersant ging, seinen Einfluss beim „Nouvelliste“ zu verstärken. Im Artikel geht es um das Projekt eines indirekten Aktienverkaufs zugunsten von Hersant. Partner Hersants in diesem Deal war niemand anderer als Fournier selbst (vgl. Klartext 3/06). Damals verteidigte sich Fournier, er habe diesen Vertragsentwurf, der auch die Einsetzung eines „Verlegerrats“ zur Kontrolle der redaktionellen Linie der Zeitung beinhaltete, nie unterzeichnet.
Wenn sich Bonnard bis heute halten konnte, dann deshalb, weil er auf die Unterstützung einer Aktionärsmehrheit zählen konnte, zu der sein früherer Arbeitgeber Edipresse gehört. Falls er tatsächlich ersetzt wird, lässt das nur einen Schluss zu: Edipresse hat einen Bündniswechsel vollzogen. Denn im „Nouvelliste“ streiten sich zwei Clans um die Macht, die beide etwas über 20 Prozent der Aktien halten; der Lausanner Verlag spielt die Rolle des Schiedsrichters. Weshalb aber sollte sich Edipresse plötzlich auf die Seite Fourniers schlagen? Gerüchteweise ist von einem Zerwürfnis der früheren Verbündeten wegen der Verwaltung der Pensionskasse die Rede, andere sagen, Edipresse wolle die Zeitung neu positionieren. Oder scheint Edipresse einfach eine Allianz mit Fournier geraten, um Hersant auszutricksen? Das wissen die Götter, und vielleicht noch ein paar Halbgötter in der Lausanner Chefetage. Dass aber Edipresse beim „Nouvelliste“ gutes oder schlechtes Wetter machen kann, ist ganz und gar nicht im Sinn der Wettbewerbskommission.
Was meint der passionierte Jäger und Berggänger Bonnard selbst dazu? „Dass ich gehen soll, erstaunt mich weniger, als dass ich nominiert worden bin.“ ?
- Tags: Ausgabe 1 | 2007, Porträt: Querköpfe
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