Im «Blick»-Verhör
Die Medien sehen sich als vierte Gewalt, und damit als Kontrollinstanz der drei anderen Gewalten im Staat. Bisweilen gefallen sie sich aber auch in anderen Rollen. So auch der Blick, der jüngst als selbsternannter Strafermittler auftrat. In einem Interview mit einem jungen Mann, der sich nach Veröffentlichung von Überwachungskamerabilder einer Prügelei freiwillig der Polizei gemeldet hatte, quetschte der Blick den mutmasslichen Täter in bester Polizeimanier aus.
Die Fragen erinnern mehr an ein Verhör als an ein journalistisches Gespräch: „Was haben Sie überhaupt letzten Samstagmorgen um 4.30 Uhr in dieser Unterführung gesucht?“, „Hatten Sie zuvor getrunken?“, „Warum haben Sie sich erst zwei Tage später gestellt?“, „Musste nicht einmal die Polizei ans Wasserfest nach Aarburg ausrücken, weil Sie sich prügelten?“
Der Blickjournalist mimt den Hilfssheriff und nimmt die Ermittlungen in die eigene Hand. Doch woher hat der Blick die Personalien des mutmasslichen Täters und die Kenntnis über vorangehende Fälle, in die er ebenso verwickelt sein soll? Arbeitet der Blick als verlängerter Arm der Polizei und erhält von ihr deshalb vertrauliche Informationen? Dem ist nicht so, wie Andreas Mock, Leiter des Mediendienstes der Kantonspolizei Solothurn, versichert: „Wir wissen nicht, woher der Blick diese Informationen hat. Von der Polizei hat er jedenfalls keine Daten zu Personalien erhalten.“
Trotz der eigenwilligen Interviewtechnik des Blick, bleibt der Informationsgehalt des Interviews letztlich dünn. Der mutmassliche Täter relativiert seine Anschuldigungen damit, dass er sich nur habe verteidigen wollen. Doch ob es sich tatsächlich so abgespielt hat, wissen weder der Blick noch die Leserschaft. Das Ergebnis des Interviews: einseitige und nicht überprüfbare Aussagen eines Protagonisten, die primär der Unterhaltung und der Effekthascherei dienen.
Positiv ist zumindest, dass das Interview Veröffentlichung von Überwachungskamerabilder wieder thematisiert. Der Befragte beklagt sich nämlich über die Publizierung der Aufnahmen, die ihn unrechtmässig in ein schlechtes Licht rücken würden. Aber anscheinend mag er das Rampenlicht der Medien trotzdem, hätte er sich doch sonst nicht für ein Blick-Interview mit Foto bereiterklärt.