Das Inserat, das im St. Galler Tagblatt nicht erscheinen durfte

Aktuell – 12.01.2017

NZZ-Medien: «Mosaikstein in der Monopolisierung»

«St. Galler Tagblatt» und der «Luzerner Zeitung» sind im Inland-Teil nun gleich. Das verändert die Situation von Freien, die bisher für die beiden Zeitungen gearbeitet haben. Ganz besonders diejenige von Hanspeter Guggenbühl. Von Bettina Büsser

Er ist quasi ein Urgestein unter den Freien: Seit 1974 arbeitet Hanspeter Guggenbühl als freier Journalist mit den Spezialgebieten Energie, Verkehr, Umwelt und Wirtschaft. In all den Jahren hat er sich einen Pool von Tageszeitungen aufgebaut, denen er seine Artikel anbietet, ausserdem schreibt er unter anderem für die WOZ und für die Plattform Infosperber.ch.

Guggenbühls Tageszeitungspool hat sich im Verlauf der Jahre verändert, manche Zeitungen fielen weg, wurden fusioniert oder Teil eines Mantelsystems. Nun fallen weitere zwei Titel weg: das «St. Galler Tagblatt», für das er, so Guggenbühl, seit 1977 regelmässig arbeitet, und die «Luzerner Zeitung». Denn dort ist einiges anders geworden, denn seit 2015 werden die beiden unter dem Titel «NZZ-Regionalmedien» näher zusammengeführt. Im Frühling 2016 wurde für sie mit Pascal Hollenstein ein gemeinsamer «Leiter Publizistik NZZ-Regionalmedien» eingesetzt. Die bisherigen Chefredaktoren Philipp Landmark und Thomas Bornhauser wären nur noch für die regionalen Ressorts zuständig gewesen; sie traten beide zurück.

Für die überregionalen Ressorts von «St. Galler Tagblatt» und «Luzerner Zeitung» bedeutet dies mehr Zusammenarbeit. Guggenbühl, zu dessen Pool sie gehörten, wurde in den beiden Titeln bisher aber unterschiedlich berücksichtigt: «Mit dem ‚St. Galler Tagblatt‘ habe ich bisher viele Sachen abgesprochen, die ‚Luzerner Zeitung‘ war eher ein Mitläufer, hat weniger Texte von mir übernommen, und es gab praktisch keinen Kontakt mit der Redaktion», erzählt Guggenbühl: «So hatte ich im ‚St. Galler Tagblatt‘ – im Gegensatz zur ‚Luzerner Zeitung‘ – eine gewisse journalistische Identität.»

Künftig wird das nicht mehr der Fall sein: Aufgrund eines konkreten Angebots von Guggenbühl an seinen Zeitungspool zeigte sich im Verlauf einer Auseinandersetzung per Mail, dass es für Guggenbühl künftig nicht mehr möglich sein wird, Texte nur im «St. Galler Tagblatt» unterzubringen.

«Wenn Sie das ‚St. Galler Tagblatt‘ und die ‚Luzerner Zeitung‘ anschauen, sehen Sie, dass insbesondere der Inland-Teil der beiden Zeitungen fast exakt gleich ist. Einzige Ausnahme sind unterschiedliche Inseratefelder, die wir ausgleichen müssen. Es sind also die gleichen Geschichten im Blatt – und folglich schreiben auch die gleichen Autoren», sagt dazu Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik NZZ-Regionalmedien, auf Anfrage von EDITO. Darum gehe es ja bei der Zusammenarbeit der NZZ-Regionalmedien: «Dass wir so viel wie immer möglich gemeinsam machen.» Das habe man «selbstverständlich» den Korrespondenten und freien Mitarbeitern mitgeteilt. Guggenbühl habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass er nur mit dem «St. Galler Tagblatt» zusammenarbeiten wolle und nicht mit der «Luzerner Zeitung», so Hollenstein: «Wir haben ihm mitgeteilt, dass das nicht möglich ist. Damit war unsere Zusammenarbeit beendet.»

«Weder Pascal Hollenstein noch sonst ein Redaktionsmitglied von ‚Luzerner Zeitung‘ oder ‚St. Galler Tagblatt‘ hat mir von sich aus mitgeteilt, dass künftig eine Mitarbeit beim ‚St. Galler Tagblatt‘ nur noch in Kombination mit der ‚Luzerner Zeitung‘ möglich sei», sagt hingegen Guggenbühl. Er nimmt jedoch dieses Ende der Zusammenarbeit relativ gelassen zur Kenntnis; er bezieht heute seine Altersrente und ist deshalb nicht mehr existentiell auf die Einkünfte aus seiner journalistischen Arbeit angewiesen. «Es geht mir bei dieser Geschichte nicht um mein Schicksal», sagt er, «sondern darum, dass es jetzt eine Monopolachse von St. Gallen bis Luzern gibt. Als Freier kannst du nur entweder für beide arbeiten oder für keinen von beiden. Das ist ein kleiner Mosaikstein in der Monopolisierung.»

Da Guggenbühl weiterhin für Infosperber schreiben wird, kam von dort die Idee, der Leserschaft des «St. Galler Tagblatts» mitzuteilen, wo sie seine Texte künftig lesen kann. Urs P. Gasche, Mitglied der Infosperber-Redaktionsleitung und Stiftungsratspräsident der Schweizerischen Stiftung zur Förderung unabhängiger Information (SSUI), die die Plattform betreibt, setzte ein Inserat auf (siehe Bild), das er im «St. Galler Tagblatt» veröffentlichen wollte. «Es geht ja darum, dass ein Autor, der der Leserschaft des ‚St. Galler Tagblatts‘ seit Jahren bekannt ist, nicht mehr dort schreiben wird», so Gasche, deshalb sei es für die Stammleser der Zeitung interessant zu wissen, dass man Guggenbühl noch auf Infosperber lesen könne. «Und natürlich», fügt er hinzu, «ging es auch darum, gleichzeitig auf Infosperber aufmerksam zu machen.»

Das Inserat erschien nie. Es wurde abgelehnt. «Ich habe es selbstverständlich gesehen, und den Entscheid, es nicht zu bringen, habe ich in Absprache mit dem Chefredaktor des ‚St. Galler Tagblatts‘ sowie dem Inserate-Chef getroffen», sagt Pascal Hollenstein dazu: «Wir haben das auch Herrn Gasche so mitgeteilt. Wir halten es nicht für richtig, interne Personalien, insbesondere betreffend freie Mitarbeiter, via Inseratenkanal unserer Leserschaft mitzuteilen.»

Gasche sieht das ganz anders: Guggenbühl sei trotz seiner langjährigen Mitarbeit im «St. Galler Tagblatt» nicht verabschiedet worden, deshalb sei es für die Leserschaft interessant zu wissen, dass er nicht mehr im «St. Galler Tagblatt» zu lesen sein werde. «Rechtlich gibt es nichts gegen das Inserat einzuwenden, es ist nicht ehrverletzend und gibt die Vorgänge korrekt wieder», so Gasche: «Dass es aus inhaltlichen Gründen nicht akzeptiert wird, ist unverständlich. Sonst gibt es ja auch eine klare Trennung zwischen redaktionellem Teil und der Werbung.»

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

2 Kommentare

#1

Von marisa
03.03.2017
Ich bin ein entwöhnter Tagblatt-Leser und habe Infosperber schon länger entdeckt und bin sehr zufrieden.

Das Gehabe erstaunt mich überhaupt nicht. St.Galler -Tagblatt , Luzernerzeitung arbeitet seit bald drei Jahren gegen die Leser und die letzten treuen Mitarbeiter die sich mit Interesse und Engagement meine ehemals
geliebte morgendlichen Informationslektüre verfasst haben, verlassen nun auch freiwillig oder eben auch NICHT das sinkende Schiff.

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