Röstigraben – 01.12.2020

Samuel Schellenberg: Ça s’en va et ça revient

Samuel Schellenberg ist Leiter der Rubrik Kultur bei der Tageszeitung Le Courrier.

Sich eine feste Meinung zum Platz der Kultur in den West­schweizer Medien zu machen, ist nicht ganz einfach. Und das mit gutem Grund: Kultur ist ständig in Bewegung, zwischen ­traurigen Rückschlägen und bemerkenswerten Eroberungen. Sogar der Begriff Kultur verschwindet manchmal und taucht später wieder auf. So beispielsweise bei Le Matin Dimanche, der für den Kulturteil zwischenzeitlich einen bizarren Namensersatz («Cultura») gefunden hatte.

Lange Zeit war der Kulturteil eine Art autonome Republik, ein eigenständiger Staat im Staat, eine eigenständige Redaktion in der Redaktion. Er genoss einen Spezialstatus. Doch nach und nach bröckelte diese Autonomie, was zur Folge hatte, dass kulturelle Themen in den Rest der Zeitung integriert wurden. Das gelang manchmal ganz gut. Leider begann dann die Zeitungsbranche zu schwächeln und hinzu kamen einige dem Trend verfallene Chefredaktionen, die hauptsächlich auf Online-Klicks und Kostenreduktion schauten.

Vor einiger Zeit reduzierte eine angesehene Westschweizer Tageszeitung sogar kurzerhand ihre Musik-Berichterstattung auf klassische Musik – um später wieder zum Courant normal zurückzukehren. Die gleiche Tageszeitung ging noch weiter und verzichtete dann auch auf eine Berichterstattung, die diesen Namen verdient, auf Fotografie und Oper. Nach einem Aufschrei musste die Zeitung aber wieder zurückkrebsen.

Mit Ausnahme der stadtbekannten Kinoseiten wurden fast überall die meinungsbetonten Seiten gekürzt. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Unterdessen gibt es nun kritische Blogs. Erstaunlich, dass die Institutionen diesen Blogs die gleiche Bedeutung beimessen wie den traditionellen Medien. So viel zur Wertschätzung journalistischer Gewähr!

Gleichzeitig wird das kulturelle Angebot immer grösser. Einige Redaktionen sind offenbar ratlos. Was tun mit einer Rubrik, die dem Ansehen einer Zeitung förderlich ist, aber auch als elitär kritisiert wird? Derartige Zweifel plagen die kleine Tageszeitung Le Courrier nicht. In den letzten zehn Jahren hat sie kulturellen Themen immer mehr Platz eingeräumt. Aus einfachem Grund: Sie glaubt an die Wichtigkeit der Kultur!

 

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