Büssers Medienschau – 14.02.2022

Kurzes am 14. Februar 2022

Aktionsplan: Medienschaffende besser schützen

Journalistinnen und Journalisten müssen einiges wegstecken, nicht erst seit Pandemie-Beginn: Gift und Galle online, Druck und Drohungen bei Recherchen, Gerempel und Geschimpfe an Demonstrationen.

Dagegen will Medienministerin Simonetta Sommaruga etwas unternehmen. An einer Ministerkonferenz des Europarats zum Thema Medien und Informationsgesellschaft kündigte sie im letzten Juni einen nationalen Aktionsplan zum Schutz von Medienschaffenden an.

Es bleibt nicht bei der Ankündigung: Ab sofort laufen Vorbereitungsarbeiten; federführend ist das Bundesamt für Kommunikation Bakom. Es will als erstes möglichst viele Journalistinnen und Journalisten erreichen, die bis Ende Februar einem Fragebogen angeben, wo es Probleme gibt und was sie zu verbessern wünschen. Dafür hat das Amt nun Medienunternehmen und Gewerkschaften, Verbände und NGOs im Medienbereich angeschrieben, die den Fragebogen-Link bei ihren Mitarbeitenden und Mitgliedern verbreiten sollen. Im Frühling 2022 will das Bakom dann Gespräche mit Interessierten und Betroffenen führen und gemeinsam mit ihnen Massnahmen erarbeiten.

PS: Journalistinnen und Journalisten, die weder über ihr Medienunternehmen noch via Verband/Gewerkschaft zur Teilnahme eingeladen werden, können sich via nap(a)bakom.admin.ch an das Bakom-Projektteam wenden.

Positionspapier: mehr auf Jungjournis hören

Gute Möglichkeiten zum Berufseinstieg, Vielfalt und kein Sexismus beim Personal, genügend zeitliche und personelle Ressourcen, ein für die Arbeit förderliches Klima, anständige Arbeitszeiten, offener Umgang mit psychischer Belastung, faire Bedingungen für freie Mitarbeitende, Einsatz für innovative und nachhaltige Geschäftsmodelle sowie für Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des Unternehmens.

Eigentlich, sollte man meinen, müssten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, deren Ziel ein florierendes Unternehmen mit Zukunftsperspektive ist, all dies erfüllen. Oder wenigstens anstreben.

Doch offenbar sehen das bei weitem nicht alle Unternehmer und Unternehmerinnen in der Medienbranche so. Weshalb sonst hätten sich die Jungen Journalistinnen & Journalisten Schweiz JJS die Mühe machen sollen, diese und andere Voraussetzungen für einen «nachhaltigen, vielfältigen und unabhängigen Journalismus mit hohem Qualitätsanspruch» aufzulisten? Sie haben die Liste eleganterweise «Positionspapier» genannt – aber dass sie sich für diese «Positionen» einsetzen wollen, zeigt ja: Sie sind nicht Realität.

Die Medienbranche diskutiert intensiv darüber, wie sie junge Zielgruppen ansprechen könnte. Ein sinnvoller Schritt wäre dabei, den eigenen Nachwuchs so gut zu behandeln, dass er in der Branche bleibt.

Erfahrungsbericht: Boulevard im Quartier

In Niederwangen bei Bern wird ein achtjähriges Mädchen tot im Wald aufgefunden. Und dann kommen die Reporterinnen und Reporter. Wie sich das für die Anwohnerinnen und Anwohner anfühlt, schildert Laura Bachofner, die im Quartier lebt und aktiv ist, auf der Plattform fairmedia.ch in einem eindrücklichen Text.

«Die Medienschaffenden strömten ins Quartier, es wurden Bilder von den Haustüren der Angehörigen gemacht oder von Anwohnern, die gerade ihre Anteilnahme aussprachen. Ein Online-Medium schaltet sogar einen Livestream. (…) Die Klicks der Online-Artikel standen im Zentrum, die Sensationsgier wurde bedient – ohne gross Rücksicht auf die vielen kleinen und grossen trauernden Menschen zu nehmen», schreibt Bachofner unter anderem.

Wer Artikel zu diesem Fall sucht, findet viele. Unter anderem die in Bern ansässigen Medien Nau.ch und Bund/Berner Zeitung waren vor Ort und beobachteten den Einsatz der Polizei. Vor allem aber waren Blick und 20 Minuten aktiv; ihre Journalistinnen und Journalisten zitierten unter anderem:

• eine Rentnerin, die das Kind oft hatte spielen sehen.
• einen Nachbarn, dessen Katze es gestreichelt hatte.
• eine Nachbarin, mit deren Tochter es gespielt hatte.
• eine Anwohnerin, die es oft bei den Grosseltern gesehen hatte.
• mehrere Mütter, die Angst um ihre Kinder haben.
• einen Nachbarn, der zugeschaut hatte, als die Gedenkstelle für das getötete Kind eingerichtet wurde.
• eine Anwohnerin, die mit anderen an der Gedenkstelle gebetet hatte.

Sie alle waren betroffen und traurig.

Wer je als Journalistin/Journalist Strassenumfragen oder etwas Ähnliches gemacht hat, weiss, wie viele Menschen man ansprechen muss, um die wenigen zu finden, die Auskunft geben wollen.

«Es wäre in einem solchen Fall angebrachter, den Anwohnern ein Care-Team zur Seite zu stellen, als sie Reportern auszusetzen, die ihre Sorgen und Ängste so intensiv bewirtschaften, dass dadurch die Verarbeitung der Geschehnisse erschwert wird», schreibt Laura Bachofner.

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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