Büssers Medienschau – 15.06.2021

Kurzes am 14. Juni 2021

«Cooles» Öffentlichkeitsgesetz und Schaffhauser AZ ärgern die Behörden

Sie hat es wieder getan – mit Erfolg: Die Redaktion der Schaffhauser AZ hat sich nach einem abgelehnten Einsichtsgesuch in behördliche Dokumente auf das Öffentlichkeitsprinzip berufen und vor Obergericht Recht erhalten. Bereits 2016 und 2019 verschaffte sich die AZ über den Rechtsweg Einsicht in Protokolle kantonaler Kommissionen. Nun ging es um Protokolle einer städtischen Kommission; das Obergericht gab im Mai der AZ wieder Recht.

Die Schaffhauser Bestimmungen zum Öffentlichkeitsprinzip seien schlank und schlössen im Vergleich mit anderen Kantonen sehr wenig aus, sagt Schaffhauser AZ-Co-Chefredaktor Mattias Greuter: «Das ist cool. Aber wir erleben von Seiten der Behörden einen relativ grossen Widerstand.»

Dieser besteht nach wie vor. Der Schaffhauser Stadtrat will nun die gesetzlichen Bestimmungen «auf kantonaler Ebene» anpassen, wie es in einer Mitteilung heisst, die Stadtpräsident Peter Neukomm unterzeichnet hat. Er sitzt auch für die SP im Kantonsrat und ist zudem Vorstandsmitglied des Gönnervereins der AZ. Seiner Einschätzung nach sind die aktuellen Bestimmungen «so offen, dass fast alles dem Öffentlichkeitsprinzip unterliegt». Deshalb solle eine gesetzliche Regelung gefunden werden, die «den Ansprüchen der Öffentlichkeit und den Medien» genüge, aber auch «die berechtigte Vertraulichkeit gewisser behördlicher Entscheidungsprozesse» ermögliche.

Vielleicht wird es auch hier eine Wiederholung geben: 2018 lancierte die Stadt Schaffhausen eine Verordnung, die das Öffentlichkeitsprinzip einschränken sollte. Es gab – unter anderem von der Schaffhauser AZ initiiert – ein Referendum dagegen. Knapp 60 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lehnten die neue Verordnung ab.

Francesco Benini spitzt zu, wir fragten nach

Francesco Benini hat unter dem Titel «Die Krise der SRG lockt die SVP» einen Leitartikel für die CH-Media-Medien verfasst. Darin attestiert er der SRG «eine politische Schlagseite». Als Beispiele dafür nennt er das Echo der Zeit – es höre sich zuweilen an wie «ein Podcast der linksalternativen Wochenzeitung» – sowie «manche Regionaljournale», die «fast so behördennah wie die russischen Staatsmedien» berichteten.

Wir fragten ihn, worauf er sich bei diesen Urteilen abstütze. Auf Studien? Und ob er ein «intensiver Hörer» von Regionaljournalen und Echo der Zeit sei. «Mein Urteil beruht auf dem Hören dieser Sendungen», sagte er dann, «nicht auf Studien». Er höre regelmässig die Regionaljournale Zürich/Schaffhausen und Aargau/Solothurn: «Sie sind sehr behördennah, da werden keine kritischen Fragen gestellt, mir fehlt ein Rechercheansatz.» Auch die Positionierung des Echo der Zeit sei von der Themensetzung her klar. Und: «Es handelt sich um einen Leitartikel, nicht um einen Artikel über diese Sendungen. Da spitzt man auch zu.»

Ganz unzugespitzt: In den Schweizer Behörden sind Parteien aller Couleur vertreten – es soll sogar SVP-Vertreterinnen und -Vertreter darunter haben. «Behördennähe» sorgt also noch nicht für eine «politische Schlagseite».

Das Echo der Zeit wiederum belegt im Medienqualitätsrating 2020 Platz eins in der Kategorie Radio/TV, bei der Inhaltsanalyse, aber auch bei der Qualitätswahrnehmung, die mittels einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung ermittelt wird.

Bei den Tages- und Onlinezeitungen liegt übrigens die NZZ auf dem ersten Platz. Nur damit niemand auf die Idee kommt, es seien ausschliesslich Linksalternative befragt worden.

Ständerat stimmt gegen die Mehrheit der Kantone

Sie sei, sagte die grüne Genfer Ständerätin Lisa Mazzone in der Ständeratssitzung vom 10. Juni, etwas «déboussolée» – fassungslos.

Thema war ein Vorstoss von SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher: Sie forderte 2016, dass für den Zugang zu amtlichen Dokumenten der Bundesverwaltung in der Regel keine Gebühren mehr erhoben werden. Bisher hätten zwar nur wenige Verwaltungsstellen Gebühren gefordert, manche hätten diese aber «gezielt als Zugangshindernis» eingesetzt.

Die Staatspolitischen Kommissionen SPK von Nationalrat und Ständerat stimmten dem Vorschlag 2016 bzw. 2017 zu. Dieser sollte bei einer Teilrevision im Öffentlichkeitsgesetz verankert werden. Da die Revision verschoben wurde, erarbeitete die SPK des Nationalrats 2018 eine Vorlage desselben Inhalts. Sie stiess allenthalben auf Zustimmung: in der Vernehmlassung, beim Bundesrat und beim Nationalrat.

Nur die Mehrheit in der Ständerats-SPK wollte jetzt plötzlich nicht mehr und schlug dem Ständerat Nichteintreten vor. Weil in den allermeisten Fällen bisher keine Gebühren erhoben worden seien. Und weil ein «Paradigmenwechsel» zu einem Anstieg der Gesuche führen könne, was Kosten generiere.

Eine Mehrheit im Ständerat folgte dem Vorschlag, ungeachtet eines Appells von Medienschaffenden, Medienunternehmen und Medienorganisationen. Der Ständerat als Vertretung der Kantone stimmte gegen eine Vorlage, für die sich in der Vernehmlassung mit einer Ausnahme alle Kantone, die reagiert hatten, ausgesprochen hatten.

Wir sind wie Lisa Mazzone, die sich in der SPK und im Ständerat für die Gebührenbefreiung eingesetzt hat, ziemlich «déboussolés».

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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