Büssers Medienschau – 03.11.2021

Kurzes am 2. November 2021

Preise für gute Leistungen – und für einen Bremser

Es ist immer wieder eine Freude, wenn hervorragende journalistische Arbeit geleistet und dann auch gewürdigt wird. Etwa mit Preisen. Die Zürcher Radiostiftung hat ihren Fernsehpreis dem Regisseur Felice Zenoni für seinen Dok-Film «Der Spitzel und die Chaoten» zugesprochen, den Radiopreis den NZZ-Podcaster:innen This Wachter, Katharina Bracher, Lukas Fretz und Simon Meyer für «Vermisst: Ursula Koch».

Preise gab es auch vom Verein «real21 – Die Welt verstehen»: Platz eins belegt Meret Michel für die in der Republik erschienene Libanon-Reportage «Das Haus am Krater», auf Rang zwei liegen Aline Wanner und Reto U. Schneider (NZZ Folio) mit der Tanker-Crew-Recherche «Die San Padre Pio war ihr Schicksal», Rang drei belegen die Journalistin Karin A. Wenger und der Fotograf Philipp Breu mit der in der WOZ erschienenen Geschichte über Alte in Albanien, «Die Zurückgelassenen». Alles sehens-, hörens- und lesenswert.

Preiswürdig auf andere Art ist der Glarner FDP-Ständerat Thomas Hefti. Er hat – bisher erfolgreich – im Parlament beantragt, Artikel 266 der Zivilprozessordnung zu verschärfen. Die Hürde für «superprovisorische Verfügungen gegen Berichte in regelmässig erscheinenden Medien» wird damit tiefer; es wird einfacher, missliebige Artikel zu verhindern. Oder sie zumindest auszubremsen: Wird eine solche Verfügung ausgesprochen, muss das Medium wohl oder übel anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Und das kostet. Hefti hat also den vom Recherche-Netzwerk investigativ.ch vergebenen «Goldenen Sonderbremsklotz 2021» hoch verdient. Er ist übrigens Anwalt.

Es fehlen Ressourcen, es fehlt ein Instrument gegen Desinformation

Die Medienqualität ist «insgesamt stabil», das Vertrauen in die Medien ist in der Corona-Krise gestiegen. Das sind zwei positive Befunde des eben erschienenen Jahrbuchs Qualität der Medien 2021 des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich (fög). Doch es gibt genügend Negatives: Die ökonomische Krise des Informationsjournalismus verstärkt sich, Frauen sind in Medienberichten unterrepräsentiert, bei den zitierten Fachleuten gibt es zu wenig Vielfalt.

Und: Das Thema Desinformation beschäftigt auch das fög. Man habe lange gedacht, Desinformation gebe es nur in anderen Ländern, sagte fög-Direktor Mark Eisenegger beim Podium zur Jahrbuch-Präsentation, aber: «Die Corona-Pandemie hat dieses Bild grundlegend verändert.» Die österreichische Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig wies allerdings – vielleicht einen Hauch süffisant – auf den Schweizer «Verschwörungsideologen» Daniele Ganser hin, dessen WTC-Theorien sich schon früher im ganzen deutschen Sprachraum verbreitet hätten.

Brodnig war es auch, die ein Schweizer Manko aufgriff: Es gibt hierzulande keine unabhängige Faktencheck-Plattform, dabei ist das laut Brodnig, «eines der wichtigsten Instrumente» gegen Desinformation. Ein Angebot wie CORRECTIV.org in Deutschland fehlt.

Tamedia macht manchmal Faktenchecks, doch eben nur manchmal. Beim Podiumsgespräch gefragt, weshalb andere Medienhäuser solche Checks nicht bieten, antwortete Yannick Wiget, Leiter Faktencheck Tages-Anzeiger: «Das ist eine Ressourcenfrage.»

Wie so vieles im Journalismus.

Artikel über «Fritz+Fränzi»: Gegendarstellung gefordert

Beni Frenkel hat für Inside Paradeplatz einen so speziellen Artikel geschrieben, dass sein 4480 Anschläge langer Text das beschriebene Unternehmen dazu veranlasst hat, gleich in elf Punkten eine Gegendarstellung zu verlangen.

Es geht um das Elternmagazin Fritz+Fränzi, herausgegeben von der von Ellen Ringier präsidierten Stiftung Elternsein. Frenkel listete in seinem Text eine Reihe von Vorwürfen auf, von «In der September-Ausgabe wurden die Leserbriefe künstlich auf ganze sieben Seiten ausgewälzt» bis hin zu schwererem Kaliber. Da gemäss Stiftungszweck gegen 70 Prozent der Exemplare von Fritz+Fränzi gratis via Schulen an Eltern verteilt werden, wittert Frenkel «marktwidriges Verhalten»: Das Konkurrenzmagazin Wir Eltern habe eine höhere verkaufte Auflage, doch da Fritz+Fränzi mit den Gratisexemplaren eine höhere Reichweite erreiche, könne «Ringier besser Anzeigen verkaufen». Das Magazin fahre laut einem «Insider» jährlich ein bis zwei Millionen Franken Verlust ein. Und so weiter.

«Der Text strotzt vor Unwahrheiten, Behauptungen und Mutmassungen», sagte «Fritz+Fränzi»-Chefredaktor Nik Niethammer gegenüber persoenlich.com, und: Man habe auf einen Fragenkatalog Frenkels ausführlich geantwortet, doch finde sich «keine Silbe davon» im Text. Darauf angesprochen, findet Frenkel knapp: «Ich habe sehr wohl einige Silben der Mannschaft zitiert.» Welche, führt er aber nicht aus.

Die Stiftung Elternsein hat in einem Gegendarstellungsbegehren «zahlreiche unwahre Behauptungen» moniert und prüft rechtliche Schritte gegen Frenkel und Inside Paradeplatz.

PS1: Speziell ist, dass Frenkel nirgends erwähnt, dass er hie und da für Wir Eltern Kolumnen schreibt.

PS2: Ebenfalls speziell ist, dass Frenkel Fritz+Fränzi wegen der Gratisauflage marktwidriges Verhalten vorwirft und seinen Text auf Inside Paradeplatz publiziert – einer Gratis-Plattform.

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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