Büssers Medienschau – 21.03.2022

Kurzes am 21. März 2022

Watson und die bildlosen Ukraine-Infos

Welche Bilder vom Krieg dürfen Medien zeigen? Rütteln erschreckende Szenen die Welt auf? Oder befriedigen sie nur die Sensationslust? Solche Fragen werden aktuell angesichts des Kriegs in der Ukraine heftig diskutiert. Nicht zuletzt, seit die New York Times auf ihrer Titelseite ein Bild zeigte, auf dem die Leichen einer Frau und ihrer beiden Kinder zu sehen waren. Sie waren auf der Flucht nach Kiew von einer Granate getötet worden.

Manche Medienkonsument*innen ertragen solche Bilder nicht. Sie möchten dennoch wissen, was in der Ukraine passiert. Watson hat deshalb am 1. März eine neue frühmorgendliche Rubrik eingeführt: «Das ist in der Ukraine während der Nacht passiert – der Überblick (ohne Bilder)». Sie enthält genau das, was sie verspricht.

Es sei von Watson-User*innen gewünscht worden, «dass man sich über die Geschehnisse informieren kann, ohne sich den teils verstörenden Bildern aussetzen zu müssen», sagt Watson-Chefredaktor Maurice Thiriet. Und wie wird das Angebot genutzt? Verglichen mit den Werten der Live-Ticker, so Thiriet, sei die Story keine «Klickbomben-Sensation»: «Aber wir optimieren die Berichterstattung zur Ukraine auch nicht auf Traffic-Wirksamkeit.»

P.S. Wer die bilderfreien Ukraine-Infos lesen will, ohne vorher durch das Watson-Angebot mitsamt allen Kriegsbildern zu scrollen: Via https://www.watson.ch/u/story_list kommt man zur Liste der veröffentlichten Storys und findet darin täglich den Link auf die aktuelle Version.

Matthias Ackeret und seine spezielle Expertensicht

Er lässt die «Welterklärer» hochleben: Matthias Ackeret, Verleger und Chefredaktor von persönlich/persoenlich.com und Blocher-Interviewer wird in seinem Blog ganz nostalgisch. Denn, so schreibt er, «dank Putins Wahn» feiere der Militärexperte Albert A. Stahel (78) ein Comeback. Und Erich Gysling, «die brillanteste und auch alterslose Allzweckwaffe der Welterklärer», sei sehr gefragt: «Keiner analysiert so perfekt wie der 85-Jährige. Höchstwahrscheinlich wagen sich nicht einmal die Kriegsparteien, sich gegen dessen Prognosen zu stellen.»

Stahels und Gyslings Expertise ist unbestritten. Aber sie gleich zu «Welterklärern» zu erheben, ist, sagen wir mal, ein bisschen überbordend. Nicht zuletzt, weil bei diesem Begriff ein Hauch von Mansplaining mitschwingt: Alte Männer erklären den Krieg und die Welt…

Was aber viel mehr irritiert, ist der Link, den Ackeret in seinem Text zu Corona-Expert*innen macht: «Man lerne: Jede Krise hat seine Kommentatoren. Vorbei die Zeiten, als die Coronagilde rund um Marcel Salathé den baldigen Weltuntergang beschwor.» Karl Lauterbach verspüre einen «medialen Phantomschmerz». Die Pandemie scheine abgehakt: «Gefragt sind Kriegsexperten und nicht mehr Virenphilosophen.»

Man lerne: Wer sich fundiert und professionell mit Krieg und Konflikten beschäftigt, ist ein «Experte». Wer sich fundiert und professionell mit Viren und Epidemien beschäftigt, ist ein «Philosoph».

Immerhin hat Ackeret die Medizin- und Epidemie-Experten nicht als «Ideologen» bezeichnet.

Die Arena und die Rassismus-Falle

Die Arena-Redaktion hat es wirklich versucht. Sie hatte sich gut vorbereitet, unter anderem bei Staatsanwälten und bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus Einschätzungen und Statements eingeholt. Und dennoch sagte SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi im Verlauf der Sendung: «Ich würde genau dasselbe wieder sagen», und: «Ich teile diese Aussage, dass es rassistisch war, nicht.» Er hatte seine Plattform.

Aeschi hatte am 16. März in der Sonderdebatte des Nationalrats zum Krieg in der Ukraine gesagt: «Es darf nicht sein, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen! Das darf nicht zugelassen werden.» Im Rat reagierte niemand, danach aber gab es heftige Reaktionen.

Und gleichzeitig war für letzten Freitag eine Arena zum Ukraine-Krieg mit den Parteispitzen geplant. Die Arena hatte Aeschi schon vor seiner rassistischen Aussage eingeladen – und blieb dabei. «Seine Aussage wird ebenfalls Gegenstand der Ukraine-Debatte in der Arena sein», twitterte Redaktionsleiterin Franziska Egli. Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen, entschied sich, nicht an der Sendung teilzunehmen: «Unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft darf Rassismus keine Plattform geben», schrieb sie auf Twitter.

Es gab klare und auch starke Aussagen gegen Rassismus in dieser Arena, Moderator Sandro Brotz nahm Aeschi in die Zange. Dennoch: Jede Sendeminute, in der es um Aeschis Rassismus ging, fehlte der Diskussion um den Ukraine-Krieg und die Reaktion der Schweiz. Jede Minute, in der Aeschi sich verteidigen, beziehungsweise auf seiner Position beharren konnte, ging der Zeit ab, in der die beeindruckendste Person dieser Arena sprechen konnte: die aus Kiew in die Schweiz geflüchtete Hanna Yushchenko.

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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