Pandemie – 18.06.2020

«Man gewöhnt sich an schlechtere Qualität»

Journalismus aus dem Homeoffice ist möglich. Wer aber Bilder macht, muss raus, auch während eines Shutdowns. Wie arbeiten Kameraleute und Fotografen während einer Pandemie?

Von Bettina Büsser

Beat R. Kälin rückt aus, wenn es brennt. Der «Blaulichtreporter», Inhaber von BRK News im Thurgau, filmt und fotografiert zusammen mit seinem Team Brände, Unfälle, Schauplätze von Verbrechen in der Deutschschweiz. Viele Medienunternehmen, darunter auch TX Group, Ringier und SRF, haben die Dienste seiner Firma abonniert.

«In den ersten Tagen des Corona-Shutdowns haben wir festgestellt, dass unsere Bilder kaum mehr verwendet werden», erzählt Kälin. Also hat er sich an die Situation angepasst: Da er durch seine bisherige Arbeit über ein gutes Netzwerk bei verschiedenen Organisationen verfügt, konnte er etwa den Zivilschutz bei Einsätzen wie Zaunbau oder der Einrichtung eines Covid-Zentrums in Frauenfeld begleiten. Oder er filmte auf dem Flughafen Birrfeld einen neu Covid-tauglich ausgerüsteten Helikopter. «Solche Bilder haben alle übernommen», sagt Kälin.

Beat R. Kälin, Kameramann BRK News

Leere Stadien fotografiert. Für Kälins Interviews gibt es neue Regeln, das Mikrofon muss in Schutzfolie eingepackt werden und, vor allem: «Da wir die 2-Meter-Distanz einhalten müssen, ist es nun an einer Tonangel befestigt. Wir halten es aus der Distanz ins Gesicht der Mediensprecher.» Letztere, so Kälins Beobachtung, sind übrigens seit der Corona-Krise bei einem Unfall oder einem anderen Ereignis seltener am Einsatzort präsent.

Kälin hat umgestellt. Auch für Gian Ehrenzeller, der für Keystone-SDA Graubünden und die Ostschweiz abdeckt, haben sich Art und Themen der Aufträge verändert. «Corona dominierte alles. Ich habe versucht, auch leichtere Themen einzubringen, aber es gab keine Nachfrage danach», erzählt er. Einzig seine Bilder von der Trockenheit in Natur und Landwirtschaft wurden aufgenommen.

Die Veränderung beschreibt er am Beispiel Sport: «Normalerweise fotografiere ich an Super-League-Spielen. Nun habe ich Geisterspiele oder Trainings in leeren Stadien fotografiert, schliesslich nur noch die leeren Stadien.» Einschränkungen hat Ehrenzeller keine erlebt: «Wenn ich fotografiere, komme ich den Leuten meistens nicht mehr als zwei Meter nah.» Masken und Desinfektionsmittel haben die Keystone-SDA-Fotografen von ihrer Arbeitgeberin erhalten; er hat sie immer im Auto dabei.

Gian Ehrenzeller, Fotograf Keystone-SDA

Die Bilder, die in der Corona-Krise entstehen, sind, so Ehrenzeller, gesellschaftliche Zeitdokumente: «Es ist wichtig, dass alles dokumentiert wird. Die Bilder von Bergamo haben klar aufgezeigt, was geschehen könnte.» Gleichzeitig denke er bei der Arbeit kaum über Corona nach: «Ich fotografiere einfach. Wir haben viel zu tun in der Nachrichtenfotografie.» Dies im Gegensatz zu den freischaffenden Kolleginnen von Ehrenzeller: Viele von ihnen leben von Corporate-Aufträgen, machen Porträts. Das sei stark zurückgegangen, so die Kollegen.

Video statt Bild. Corporate-Porträts sind auch für Katharina Wernli, freie Fotografin in Zürich, ein wichtiges Standbein. «Da ich viele Kadermitglieder porträtiere oder Menschen fotografisch bei der Arbeit begleite, hatte ich, als der Shutdown  begann, plötzlich keine Arbeit mehr», erzählt sie. Aufträge wurden auf unbestimmte Zeit verschoben: «Die Leute hatten Angst, obwohl man auch aus zwei Metern Distanz fotografieren kann.» Einen Monat lang habe sie überhaupt keine Porträt-Aufträge mehr gehabt, nun kämen wieder entsprechende Anfragen. «Vorausgesetzt wird: ‹Maximum fünf Personen, Abstand einhalten›.»

Katharina Wernli, freie Fotografin

Ihren Auftraggebern, vor allem Unternehmen und Gemeinden, hat Wernli während des Shutdowns andere Bildkonzepte angeboten: Sie hat zum Beispiel für sie dokumentiert, was in den Gemeinden geschah, hat etwa geschlossene Läden, Einkaufende in geöffneten Lebensmittelgeschäften und Apotheken, aber auch die Arbeit von Polizei und Zivilschutz fotografiert. Sie trage dabei eine Maske, «um die Leute zu schützen und damit sie sich während des Fotoshootings sicher fühlen».

Wernli sieht mögliche Auswirkungen der Corona-Zeit auf die Fotografie. Man habe viel über Skype und ähnliche Angebote kommuniziert, deren Bildqualität oft nicht sehr gut sei, sagt sie: «Man gewöhnt sich an die schlechtere Qualität, entsprechend könnte es für Fotografen schwieriger werden, gute Bildqualität zu verkaufen.» Ausserdem hätten viel mehr Leute Video-Dienste genutzt und selbst Videos produziert: «Ich denke, dadurch wird Video die Fotografie weiter ablösen.»

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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