Aktuell – 05.09.2014

Medienkommission will Systemwechsel bei der Presseförderung

Die Eidgenössische Medienkommission fordert die Politik auf, bei der Presseförderung zu handeln. Und überrascht mit dem Vorschlag, die Förderung über die traditionelle Posttaxenverbilligung durch ein neues Modell zu ersetzen. Unter anderem durch Schaffung einer Stiftung zur Förderung des Journalismus. Von Philipp Cueni

Otfried Jarren, der Präsident der Eidgenössischen Medienkommission EMEK, spricht gegenüber Edito von einem Systemwechsel, "governance change", den die Kommission einleiten möchte. Handlungsbedarf durch die Politik sei gegeben, das zeige die vorgenommene Analyse der Situation im Medien- und insbesondere Pressebereich. Aber angesichts des Transformationsprozesses in der Medienwelt sei es nicht das Ziel, bestehende Strukturen und Angebote zu erhalten, sagt der Bericht der EMEK. Angestrebt werde mittelfristig die Stabilisierung und Verbesserung der publizistischen Infrastrukturen und der journalistischen Leistung. Der Staat solle dabei Rahmenbedingungen garantieren und Mittel bereitstellen – wobei er sich dabei "dem Imperativ der Staatsferne aller Medieninhalte" zu stellen habe, also keinerlei Einfluss auf die Medien nehmen dürfe. Die Vertreter der Medienbranche sollten durch die staatlich initiierten und definierten Vorgaben dann selbst in die Lage versetzt werden, Fördermassnahmen zu konzipieren, zum Beispiel indem sie Einsitz in eine vorgesehene Stiftung nehmen.

Journalismus statt Posttaxen subventionieren

Zuerst überrascht die EMEK einmal: Das traditionelle Mittel der Presseförderung via Posttaxenverbilligung solle aufgegeben werden. Und die Kommission stellte ans bisherige System kritische Fragen: "Warum wollen die Medienhäuser überhaupt Subventionen?" habe man gefragt, so Jarren. "Wofür werden die Gelder der Presseförderung heute verwendet? Wohin fliessen sie genau? Und ist es klug Medienhäuser zu subventionieren, die gleichzeitig Stellen abbauen und bei welchen Arbeitsregelungen nur schwach definiert sind?".

Medienförderung sollte sich also auf die Leistungen und Entfaltungsmöglichkeiten der publizistischen Medien richten, sie sollten den Journalismus und die redaktionellen und organisatorischen Strukturen zum Gegenstand haben, so der EMEK-Bericht. Dafür schlägt die Kommission Massnahmen in zwei Geschwindigkeiten vor:

Zwei Etappen

Im ersten Schritt, kurz- oder mittelfristig auf bestehender gesetzlicher Grundlage, die Unterstützung und der Ausbau der Nachrichtenagentur SDA, der Aus- und Weiterbildung und von Innovationsprojekten. Parallel soll die Posttaxenverbilligung zurückgefahren und dann abgeschafft werden.  Die andere bisherige Fördermassnahme, ein Reduktion beim Mehrwertsteuer-Satz, soll auch auf E-Paper-Abonnemente ausgeweitet werden.

Mit der zweiten Geschwindigkeit sollen dann Massnahmen erreicht werden, für welche neue gesetzliche Grundlagen notwendig sind. Dabei geht es vor allem um die Schaffung einer Stiftung, welche unter anderem redaktionelle und journalistische Leistungen fördern kann.

Keine direkte Förderung

Die EMEK sagt nichts zu Formen einer direkten Presseförderung und schliesst sie damit aus. Von der Medienwissenschaft, aber auch zum Beispiel von der SP sind Vorschläge für eine direktere Form der Förderung eingebracht worden. EMEK-Präsident Jarren, selbst Medienwissenschafter, begründet das "Nein" der EMEK so: Das Modell in Schweden beispielsweise habe einen anderen Kontext als in der Schweiz, die direkte Medienförderung in Österreich oder Frankreich biete Grauzonen, in welchen der Staat Einfluss auf die Medien nehmen könne. Und grundsätzlich wolle die EMEK ja vom System der Presse(Print)förderung wegkommen.

Der "Shift"

Dieses Umdenken bei der Medienförderung auf eine neue Ebene, Jarren spricht von einem "Shift", ist das wohl Bemerkenswerteste am Vorschlag der EMEK: Es sollen keine Medienhäuser mehr gefördert werden, keine allgemeinen Strukturen im Verlagswesen, sondern gezielter das, was den Qualitätsjournalismus begünstigen kann: also Ausbildung, Basisinformationen (via SDA-Agentur). Dann aber auch Infrastrukturen wie Recherchefonds, und schliesslich auch innovative Ansätze. Gefördert werden soll unabhängig von der Art der Verbreitung, also unter dem Titel "Presseförderung" nicht mehr nur die gedruckte Presse, sondern journalistische Leistungen generell.

Zuerst die Debatte

Otfried Jarren sagt, die Kommission sei mit ihren Vorschlägen "harmlos unterwegs". Es sei ihm aber bewusst, dass es Widerstände geben werde. "Man muss auch etwas wagen dürfen, auch Zumutungen formulieren. Es soll durchaus gestritten werden, wichtig ist jetzt mal die Diskussion." Zuerst die öffentliche Debatte, sagt Jarren, dann eine Umsetzung in einem langsamen Prozess, step by step. Wobei dennoch gewisse Massnahmen möglichst bald eingeleitet werden sollen.

Widerstand ist von den Verlegern beim vorgeschlagenen Abschied von der Posttaxenverbilligung bereits angekündigt. Diskussionen auslösen wird ganz bestimmt die Siftungs-Idee: wer wird entscheiden, welche journalistsichen Aktivitäten und Projekte finanziert werden? Wer kann sich dafür bewerben? Und mit welchen Geldern soll die Stiftung alimentiert werden?

Die EMEK lässt noch vieles offen. Man wolle eine Grunddebatte anstossen, sagt Jarren, ohne bereits in Details zu gehen: "Je konkreter man wird, desto mehr Fallstricke, desto schneller scheitert man." Dennoch erläutert Jarren: Ja, bei allen Vergaben von Geldern bleibe etwas Subjektives auch bei einem Stiftungsmodell. Und ja, man wolle gesellschaftlich relevante Medienleistungen nicht nur über den Service public einfordern, sondern auch im Markt fördern; es sollen also alle Medienhäuser, auch kommerzielle mit Gewinn, Förderung erhalten können, sofern sie Professionalitätsregeln einhalten. Und angesprochen, ob der Bund vielleicht etwa den gleichen Betrag, der heute als Presseförderung via Posttaxenverbilligung und andere Mittel eingesetzt werde, mit neuem Gesetz in die Stiftung umleiten könnte, antwortet Jarren mit "warum nicht" – ohne sich aber auf Zahlen zu einem späteren Stiftungskapitel festlegen zu wollen.

Kritische Analyse

Bemerkenswert am Bericht der Medienkommission sind nicht nur die Vorschläge, sondern auch die Analyse. Die festgestellten Trends bei der Medienentwicklung würden die kollektiven Leistungen der privat finanzierten Medien in Frage stellen. Die privatwirtschaftlichen Medienunternehmen, insbesondere börsenkotierte Gesellschaften, würden unter immer stärkerem Druck stehen. "Dies schränkt Überlegungen wie Quersubventionen ein". Damit spricht die EMEK die Gewinne der grossen Medienhäuser an, welche nicht im journalistischen Sektor, aber in anderen Geschäftsfeldern erzielt werden.

Benannt wird von der EMEK ein Qualitätsverlust auf den Redaktionen, "die Abnahme der Qualität der unabhängigen und politikrelevanten Berichterstattung, der Rückgang der professionell fundierten publizistischen Meinungsvielfalt". Die Arbeitsbedingungen seien schwieriger und zuweilen sogar prekär geworden. Der enorme Druck führe zur Erosion eines im Politikumfeld wichtigen Berufszweiges. "Journalismus mit Tiefgang, Hintergrund und Orientierungskraft ist immer schwieriger zu leisten." Und: "Unter den gegebenen Zeitvorgaben und knappen Ressourcen besteht immer weniger die Möglichkeit, vertieft nach den breit abgestützten Richtlinien des Journalismus zu recherchieren und zu reflektieren." Der Mainstream dominiere, gefährdet sei vor allem, kommentiert Jarren, "das Querliegende, das Überraschende im Journalismus".

Jetzt die Politik

Gefordert seien also die Medienunternehmen, die Branche und die Politik. Und es ist der EMEK ernst damit: "Sollte in Sachen Medienförderung politisch nichts unternommen werden, geht die EMEK davon aus, dass die internationalen Unternehmen an Bedeutung in der Schweiz zunehmen werden und Schweizer Medienunternehmen jeder Grösse stärker unter Druck geraten."

Und der Service public?

In ihrem ersten Bericht hat sich die EMEK vor allem auf die Frage der Presseförderung konzentriert. Mit Fragen des Service public werde man sich in einem nächsten Bericht beschäftigen. Aber natürlich analysiert die EMEK die Medienlandschaft als Ganzes. Und sie nennt auch einige Folgerungen zum Bereich Radio und Fernsehen: Der lineare Konsum von Radio und Fernsehen sei rückläufig. Die Schweiz habe einen der "wettbewerbsstärksten TV-Märkte der Welt". Und die Entwicklung bei der Werbung betreffe nicht nur den Printsektor: "Mittelfristig ist der Service public sowohl bei der SRG als auch bei den privaten Radio- und Fernsehsendern gefährdet."

 

 

 

 

 

 

 

 

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