Aktuell – 08.04.2013

Medienwissenschaft, die Vertrauen schafft

Zum Praxistransfer der Medienwissenschaft: ein Kommentar von Luzia Helfer, Universität Leiden (NL).

Die Diskussion über die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis ist aus aktuellem Anlass (Tagung SGKM) wieder einmal aufgeflammt. Präsentierte Lösungsvorschläge sind gut aber oft utopisch, denn sowohl Journalisten wie Praktiker arbeiten unter enormen Sachzwägen. Natürlich ware es wünschenswert, dass mehr Medienjournalismus stattfindet (Nick Lüthi in der Medienwoche), und jeder Wissenschafter findet es wichtig, dass Ergebnisse von Studien zugänglich formuliert an die Öffentlichkeit gebracht werden. Doch in der Realität müssen Journalisten in immer weniger Zeit mehr Inhalt produzieren. Und in der Wissenschaft zählt einzig die Publikation in Fachzeitschriften.

Die viel geforderten Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis (Stephan Russ-Mohl in der NZZ) beginnt mit dem Sammeln der Daten, und nicht erst wenn die Ergebnisse da sind – wie andere, die sich zu diesem Thema bereits geäussert haben, oft suggerieren. Der Fragebogen, den wir Wissenschafter an Journalisten oder Verlagsmanager schicken, ist unsere Visitenkarte. Hier teilen wir mit, welche Fragen uns interessieren, und vor allem auch, wie seriös wir arbeiten. Das ist nicht immer einfach. Diese Experten aus der Praxis sind wichtige Informationsquellen, gleichzeitig sind gerade sie schwierig zu erreichen. Ich erlebe es momentan im Rahmen meiner Befragung bei politischen Journalisten in Holland und der Schweiz. So habe ich versucht, meinen Fragebogen durch fiktive Pressemitteilungen so interessant wie möglich zu gestalten in der Hoffnung, dass meine Adressaten neugierig werden. Dennoch es ist verlockend, den Journalisten anzukündigen, der Fragebogen benötige nur 10 Minuten, obschon 20 wohl eher realistisch wären. Denn wir wissen: je kürzer der Fragebogen, desto mehr Teilnehmende. Die Zeitangaben etwas beschönigen, oder doch die eine wichtige Frage aus dem Fragebogen streichen? Oft wird doch Ersteres gewählt, da letztlich die Rücklaufquote zählt.

In diesem Moment, wie auch allgemein im Forschungsprozess, sollten sich die Wissenschafter bewusst werden, dass sich die "Praktiker" genau auf Basis des Befragungs-Settings ein Bild von der Forschung machen. Der Artikel in einer Fachzeitschrift, der für den Forschenden im Zentrum steht, ist jedem Aussenstehenden ziemlich egal. Und so ist hier kurzfristiges und eigennütziges Denken fehl am Platz, denn es schadet dem Ansehen des Fachs an sich. Auch wenn innerhalb der Universität durch die sehr begrenzte Stellenzahl grosse Konkurrenz herrscht, sollte uns doch bewusst sein, dass wir gegen Aussen als Ganzes wahrgenommen werden. Das ist der erste Schritt, der dazu beitragen würde, die Glaubwürdigkeit gegenüber der Praxis herzustellen, auf deren Basis erst ein echter Dialog stattfinden kann.

Luzia Helfer studierte in der Schweiz und Holland Kommunikationswissenschaft und doktoriert nun an der Universität Leiden (NL) in Politischer Kommunikation. Sie befragt dabei unter anderem politische Journalisten in der Schweiz und Holland.

3 Kommentare

#1

Von Stephan Russ-Mohl
14.04.2013
Ein wichtiger Hinweis, das mit der "Visitenkarte", die Fragebögen darstellen. Leider ist er in Winterthur meines Wissens nicht thematisiert worden. Umso auffälliger dagegen, mit welch niedrigen Rücklaufquoten wir Kommunikationsforscher uns inzwischen vor allem bei Journalisten-Befragungen zufriedengeben müssen. Es wird Zeit, dass auch darüber offen diskutiert wird - sonst wird die Wissenschaft bei den Medienpraktikern noch mehr Glaubwürdigkeit einbüssen. @Luzia Helfer: Konnte Ihre E-Mail nicht finden, würde mich aber über Kontaktaufnahme freuen...

#2

Von JUERGEN KLATZER
15.04.2013
Was wäre die "richtige" Taktik? Sollte man sein elitäres Vokabular auch für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?

#3

Von Luzia Helfer
29.04.2013
@ Stephan Russ-Mohl. In der Tat sind die zurücklaufenden Rücklaufquoten ein Problem. Ein auch selbst verschuldetes, das in den nächsten Jahren nur noch prekärer wird da es mit den online Tools viel zu einfach wird Befragungen zu erstellen und verbreiten. Doch vielleicht sind die Auswirkungen letztlich gar nicht so schlecht. Denn so wird Kreativität der Forschenden gefragt und die Qualität 'echter' Befragungen besser. Methodeneffekte, beispielsweise durch die Ermüdung des Befragten, können so reduziert werden.

@ Juergen Klatzer: Worauf genau bezieht sich denn das 'Elitäre'?

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