Aktuell – 14.02.2018

«Obersee Nachrichten»: Umstrittene Entlassung und Urteil zu Facebook

Bruno Hug, Verleger und Chefredaktor der «Obersee Nachrichten», wurde wegen einer persönlichkeitsverletzenden Kampagne gegen die KESB verurteilt. Ob er deswegen auch seine Stelle verloren hat, ist umstritten. Das Gericht hat Facebook-Beiträge von Dritten ebenfalls ins Urteil einbezogen. 

Bettina Büsser

Rund 80 Artikel und Leserbriefe aus 56 Ausgaben muss die Gratis-Wochenzeitung «Obersee Nachrichten» (ON) in ihrem Online-Archiv als persönlichkeitsverletzend kennzeichnen. Ausserdem muss sie über 60 Kommentare auf ihrer Facebook-Site löschen. Das hat Mitte Dezember das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland entschieden.

Bruno Hug hatte die «Obersee Nachrichten» 1981 gegründet und 1999 an Somedia verkauft. Er blieb aber weiterhin Verleger und Chefredaktor. In Medienberichten wurde er mal als «gewiefter Unternehmer, politischer Einzelkämpfer, publizistischer Grenzgänger», mal als «Millionär, Verleger, Behördenschreck» charakterisiert. Die ON erreichen eine Auflage von rund 70‘000 Exemplaren; sie haben die grösste Abdeckung in der Region und entsprechenden Einfluss. Über drei Jahre hinweg hatten sie die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Linth und damit die Stadt Rapperswil-Jona als deren Trägergemeinde sowie KESB-Präsident Walter Grob massiv kritisiert. Die Texte waren angriffig, nahmen klar Partei. Titel wie «Die KESB treibt die Menschen in die Verzweiflung» wurden gesetzt, auch wenn KESB-Massnahmen von Gerichten und Behörden gestützt wurden. Die Angegriffenen reichten schliesslich eine Zivilklage ein. Das Gericht urteilte, die ON, Bruno Hug sowie ON-Redaktor Mario Aldrovandi hätten eine persönlichkeitsverletzende, einseitige und herabwürdigende Medienkampagne geführt. Deren Stossrichtung sei die Diskreditierung von KESB und Grob in der Öffentlichkeit gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da noch nicht klar ist, ob Hug und Aldrovandi es weiterziehen. «Ich entscheide nach Vorliegen der Urteilsbegründung», so Hug gegenüber EDITO. Es handle sich um ein «politisches Urteil, mit dem das Gericht tief in die Medien- und Meinungsfreiheit eingreift», das vor höheren Gerichten einen schweren Stand haben werde: «Insbesondere weil die Artikel der Wahrheit entsprochen haben, was in der Klage auch nicht widerlegt wurde. Auf tönernen Füssen steht auch, dass das Gericht die Zeitung für Dritteinträge auf Facebook verantwortlich machen will.» (siehe Kasten unten)

Im Gegensatz zu Hug hat die Herausgeberin der ON, die Somedia-Tochter Obersee Nachrichten AG, das Urteil gleich akzeptiert. Der Verwaltungsrat hat zudem sowohl Hug wie Aldrovandi entlassen und freigestellt. Wann und weshalb dies geschah, ist umstritten. «Die Trennung von Herrn Hug und Herrn Aldrovandi steht nicht im Zusammenhang mit dem KESB-Prozess. Sie wurde vor dem Prozess und der Urteilsverkündigung vollzogen», schreibt Somedia-Verleger Hanspeter Lebrument in einer Stellungnahme zuhanden von EDITO.  Hug hingegen schreibt: «Ich stehe mit dem Verwaltungsrat der ‚Obersee Nachrichten‘, respektive Herrn Lebrument, in einem Gerichtsverfahren und möchte sein Verhalten deshalb nicht weiter kommentieren. Fakt ist, dass er mich eine Stunde nach Bekanntwerden des KESB-Urteils freistellte. Und dass er das erstinstanzliche Urteil sofort akzeptierte und meine Freistellung in Verbindung mit diesem nicht rechtskräftigen Urteil publik machte.»

Mit den ON hat Hug sein Sprachrohr verloren. Gerüchte, er verhandle aktuell mit Somedia über einen Rückkauf, dementieren beide Seiten. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Hug das Thema Medien fallen lässt: «Ich habe Ideen, und es werden Projekte an mich herangetragen.»

Persönlichkeitsverletzungen auf Facebook

Im Urteil werden auch «fremde» Einträge auf der Facebook-Seite der «Obersee Nachrichten» mit einbezogen. Ist, wie Bruno Hug argumentiert, allein Facebook für die Inhalte auf Facebook zuständig oder ist dies auch Sache des Mediums, das die Facebook-Seite betreibt? EDITO fragte Martin Steiger, der in Zürich eine «Anwaltskanzlei für Recht im digitalen Raum» führt.

Steiger sieht die Zuständigkeit ähnlich wie das Gericht im ON-Fall: In erster Linie sei immer der Urheber von Inhalten dafür verantwortlich, aber das Zivilrecht biete auch die Möglichkeit, Mitwirkende in die Verantwortung zu nehmen: «Man kann sowohl gegen Facebook als auch gegen Seiten-Betreiber auf Facebook vorgehen. Wer Inhalte Dritter auf seinen Seiten zulässt, muss damit rechnen, eingeklagt zu werden.» Dabei müsse abgewogen werden, ob der Betreiber Kenntnis von mutmasslich persönlichkeitsverletzenden Inhalten hatte, diese offensichtlich persönlichkeitsverletzend waren und wie schnell wie darauf reagiert wurde. «In dieser Hinsicht kann man an einen Verlag mit Facebook-Präsenz meines Erachtens höhere Anforderungen stellen als an eine Person, die ein privates Profil pflegt oder für ihr Hobby einen Seite betreibt», so Steiger.

Das bedeute aber nicht, dass Medien eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ihrer Auftritte organisieren und im Zweifelsfall Einträge gleich löschen müssten. Denn Fälle von mutmasslicher Persönlichkeitsverletzung seien fast immer sehr komplex: «Für die Frage, was widerrechtlich ist, gerade auch im Spannungsfeld von Grund- und Menschenrechten, sind unsere Gerichte zuständig. Ansonsten erhalten wir noch mehr Privatjustiz auf Online-Plattformen.»

Bettina Büsser

Redaktorin EDITO

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