Aktuell – 31.10.2014

Qualitätsbericht: Wo bleibt der Aufschrei?

Die Aussagen des Jahrbuchs "Qualität der Medien" machen Sorge. Aber ist deswegen überhaupt jemand beunruhigt? Von Philipp Cueni

"Wir sind in der schlimmsten Krise des Berufsstandes," stellt Kurt Imhof an der Medienkonferenz zum Jahrbuch 14 "Qualität der Medien" fest, und er ergänzt: "Es gibt eine Erosion der journalistischen Berufskultur, aber vom Berufsstand selbst kommt kaum eine Stellungnahme."

"Wo bleibt der Aufschrei?" muss man fragen, wenn man die Hauptbefunde des Jahrbuchs auch nur einigermasen ernst nimmt.

– Die Werbung und die Kaufbereitschaft des Publikums bevorzugen die Unterhaltung auf Kosten von Informationsleistungen. Dem Informationsjournalismus brechen damit Einnahmen weg.

– Auch innerhalb des Informationsjournalismus setz sich der Trend zur Unterhaltung fort, Reichweite verdrängt Qualität.

– In den Segmenten mit weniger hohem Anspruch leidet die Qualität, weil sie nicht gepflegt werden muss; bei jenen mit hohen Ansprüchen, weil sie nicht mehr erbracht werden können.

– Der Konzentrationsprozess bei den Medien setzt sich fort, was auch zu einem Schwund in der Angebotsvielfalt führt.

– Erosion der journalistischen Berufskultur: Sparrunden schmälern die Mittel, Industrialisierung und Marketing-Steuerung im Journalismus.

– Vielfaltsverluste und Veränderung der Themen- und Akteursresonanz sowie Veränderung beim Agenda Building: Medienhypes auch boulevardesker Art beherrschen die ganze Medienarena, jene Akteure und Themen mit dem höchsten Provokations- und Emotionswert haben am meisten Resonanz. Unter dem Reichweitendiktat präsentieren die Medien eine vereinseitigte und polarisierte Welt.

Diesen Aussagen muss man durchaus einige Argumente entgegenhalten: Natürlich gibt es immer noch viele hervorragende Leistungen von hoher Qualität im Journalismus der Schweiz. Vielleicht ist das eine der Schwächen des Jahrbuchs, dies nicht auch deutlich zu beschreiben. Aber die Jahrbuch-Analyse zeigt und belegt Trends, welche unbedingt ernst zu nehmen sind. Die Aussagen des Jahrbuch-Teams werden auch breiter als auch schon gestützt. Bei den ersten Auflagen brandete den Darstellungen zur Lage der Medien noch massive Opposition entgegen. Imhof: "Wir werden auch jetzt wieder kräftig verhauen werden, aber wir sind weniger einsam." Tatsächlich kann man inzwischen feststellen, dass die früheren und aktuellen Hauptbefunde von Imhof und Co. auch von den Analysen der EMEK und von "avenir Suisse" geteilt werden und dass sich sogar der "Immerkritiker" des Verlegerverbands zumindest mit ihrem Buch "Medien und Öffentlichkeit" etwas auf die Debatte eingelassen haben.

Und dennoch stimmt die Aussage von Kurt Imhof. Die Branche führt auch an der Basis die Debatte über ihre eigene Lage kaum. Allenfalls hört man in privaten Gesprächen Klagen und Kritik an der Situation, den Rahmenbedingungen und den Leistungen des Journalismus – aber selten öffentlich.

Edito.ch wird vertieft auf die Frage dieser Abwehrhaltung gegenüber Kritik in der Branche selbst zurückkommen – und auch auf die 380 Seiten der Studie selbst. Als Input für die Diskussion einige prägnante Aussagen von der Medienkonferenz:

– Die Qualitätsbewertung hat bei allen Mediengattungen abgenommen, auch zum Beispiel beim am besten bewerteten öffentlichen Radio. Einzige Ausnahme: die bezahlte Boulevardpresse zeigt bei tiefer Ausgangsposition einen Trend nach oben.

– Der wichtigste Qualitätsfaktor ist die Einordnungsleistung. Und dieser Faktor zeigt über die letzten fünf Jahre deutlich nach unten.

– Bei der TV-Werbung hat der Anteil bei den Fenstern der ausländischen TV-Programme markant zugenommen.

– Der Trend zu "mehr Vereinfachung, weniger Komplexität" begünstigt jene politischen Akteure, welche auf Populismus setzen, während es jene mit lösungsorientierten Ausrichtungen schwerer haben.

Kurzes Fazit von Kurt Imhof: "Das wichtigste Mittel, um die negativen Trends zu brechen, ist in redaktionelle Strukturen zu investieren."

 

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