Service public – 18.12.2017

«Ich, ich, ich»

Service Public funktioniert ein wenig wie Meinungsfreiheit: Grundsätzlich muss ich nicht mögen, was du schaust oder was du hörst. Als überzeugter Demokrat setze ich mich aber dafür ein, dass auch deine Bedürfnisse in der Medienvielfalt abgedeckt sind.

Von Reda El Arbi*

Die «No Billag»-Initiative ist eigentlich nur ein Symptom für die gesellschaftliche Entwicklung unter einem superindividualistischen Imperativ. In der Argumentation der SRG-Hasser ist das häufigste verwendete Wort «ICH». «ICH schau das nicht!» – «ICH will nicht für andere bezahlen!» – «MEINE Interessen kommen zu kurz!» – «ICH kann mir das alles woanders kaufen!»
Gemeinsinn und der gesellschaftliche Zusammenhalt – die Grundwerte der Schweizer Willensnation – zersetzen sich wie Zucker im heissen Wasser, weil «Selbstverwirklichung» mit Egoismus und «Freiheit» mit Verantwortungslosigkeit gleichgesetzt wird.

Die SRG soll nicht meine Bedürfnisse abdecken. Sie soll für möglichst viele Schweizer ein Angebot an Information, Unterhaltung und Kultur liefern. Also nicht «MIR», sondern «UNS». Um das zu verstehen, ist ein grundsätzliches kognitives Erfassen des Gemeinschaftsbegriffs notwendig.

Demokratie wird daran gemessen, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht. Bei uns wären das dann die Tessiner, die Rumantschs, die Welschen. Die können sich nämlich reichweiten- und bevölkerungsbedingt kein werbefinanziertes Informations- oder Unterhaltungsangebot leisten, das diesen Namen auch verdient. Indem wir Gebühren bezahlen, zeigen wir uns solidarisch und bezahlen für eine gut informierte Gesamtschweiz, für kulturelle Vielfalt und für Angebote, die wir selbst vielleicht nicht nutzen, die aber unseren Mitbürgern zugutekommen.

Natürlich kommen dann die orthodoxen Marktgläubigen und mokieren: «Wenn man es nicht wirtschaftlich finanzieren kann, ist das Angebot nicht gut genug.» Falsch. Der Schweizer Markt ist zu klein, um ein Schweizer Fernsehen auf privater Basis und in bisheriger Qualität zu finanzieren. Selbst wenn alle Schweizer permanent fern­sehen würden, wären die Einkünfte durch Werbung nicht ausreichend für ein gleichwertiges Angebot. Übrig blieben Franchisen der grossen deutschen Privatsender. Mit einem kleinen Nachrichtenmix für die Schweiz. Die Konsequenz wäre eine schlecht beziehungsweise noch schlechter informierte Gesellschaft, die noch anfälliger ist für verheerende politische ­Projekte, die ihr am Schluss selber schaden. So wie die «No Billag»-Initiative.

Service public funktioniert ein wenig wie Meinungsfreiheit: Grundsätzlich muss ich nicht mögen, was du schaust oder was du hörst. Als überzeugter Demokrat setze ich mich aber dafür ein, dass auch deine Bedürfnisse in der Medienvielfalt abgedeckt sind.
«Dann soll das über die Steuern bezahlt werden! ICH zahle schliesslich genug» – Die ­Architekten des Gebührensystems waren weder demokratische Analphabeten noch ­Idioten. Sie waren sogar ziemlich clever. Die Verteilung der Steuergelder unterliegt dem Parlament, also den gerade herrschenden parlamentarischen Mehrheiten. So könnte übers Budget Einfluss auf die Programmierung der Medien genommen werden.

Fazit: Wir ­hätten statt eines staatlich finanzierten Medienangebots plötzlich ein staatlich ­KONTROLLIERTES. Und das wollen die «No Billag»-Befürworter sicher auch nicht.

*Reda El Arbi ist freier Journalist und Blogger. Er ist Mitglied im Komitee «Nonobillag».

21 Kommentare

#1

Von Mueller Gery
18.12.2017
Einfach nur treffend geschrieben! Mein Kompliment von Herzen und mit Überzeugung. Châpeau!

#2

Von Hans Peter Graf
19.12.2017
Grossartig, Reda el Arbi. Als ehemaliger Pressechef der SVP Schweiz (1977-1986) unterschreibe ich jedes Wort. Mit damals knapp 10% Wähleranteil wären wir von den damals Grossen drei CVP, FDP und SPS medienmässig gnadenlos an die Wand gedrückt worden, wenn es die SRG mit ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht gegeben hätte.
Doch Egoismus hat zu meinem Bedauern leider ein kurzes Gedächtnis und Rachsucht verbunden mit den notwendigen finanziellen Ressourcen einen sehr langen Atem.

#3

Von Linkur@gmx.ch
19.12.2017
Super geschrieben, genau so sieht die Wahrheit aus. Hut ab!????

#4

Von Katharina (Mama hat jetzt keine Zeit)
19.12.2017
Ich kann das gar nicht so oft teilen, wie ich gerne möchte.

#5

Von Der Nörgler
19.12.2017
Gleiches gilt für KK-Prämien, inter- und intrakantonale Finanzausgleiches und das ganze Sozialsystem. Wenn ICH es nicht brauche kann es weg, aber sollte ICH es dann doch mal brauchen, soll es gefälligst da sein. Das ist eine permanente Aushöhlung der Solidarität, vorangetrieben vor allem von der FDP und der SVP. Eigenverantwortung verlangen ist mit einem dicken Portemonnaie auch relativ einfach...

#6

Von Allagreta
19.12.2017
Guter Artikel gegen No Billag. Doch fällt immer wieder sehr unangenehm auf, dass der kommerziell-politische und vor allem faschistoide Faktor der privat finanzierten Medien unter das Bett gewischt wird. Endlich Klartext reden Leute ...das feiert heute nur Trump aber auf Lügen abgestellt ...also harte Fakten auf den Tisch, wie es um die neutrale, sachliche und gut recherchierte Berichterstattung steht...

Binsenwahrheit:
Durch Werbung finanzierte Medien bringen nur das, was den zahlenden Werbebenden genehm ist....und das läuft genauso diskret wie die killing-omerta (schweigen) der mafia. Ein beitrag der Medien, der nicht genehm wäre, und schon ist der Werbeauftrag weg...so einfach ist das. Das, genau das hätte no-billag zur Folge. Also, wer für eine unabhängige Presse ist, LEHNT no-billag AB

#7

Von Pia Spohr
19.12.2017
Dieser Artikel ist so wahr und gestochen scharf geschrieben. Wo kommen wir hin, wenn jeder nur noch für sich schaut. Traurig. Deshalb ein ganz starkes NEIN.

#8

Von Widmer Rene
19.12.2017
Viel treffender kann man diese "Geiz ist Geil" Mentalität nicht in Worte fassen.Bravo???? Dieser Artikel sollten allen Befürworter dieser "Schrott Initiative" unter die Nase gerieben werden.Doch leider ist ein grossteil dieser zumeist SVP lastigen Wählerschaft zu Dumm um diesen Artilel zu verstehen.

#9

Von Gfeller
20.12.2017
Ich könnte es nicht besser formulieren. Ganz zu schweigen, von den unzähligen Arbeitsplätzen, die in der Schweizer Kulturszene zum Teufel gehen. Aber natürlich, ist den Befürworter dieser unheiligen Initiative, dies alles sehr wohl bewusst. Man will lenk und steuerbare Medien, die eine genehme und „ausgewogene“ Berichterstattung bieten, „FOX TV“ lässt grüssen. Es erschreckt mich sehr, was für eine Nation von ICH-MENSCHEN“ wir geworden sind.

Jean-Claude Gfeller

#10

Von Philipp Müller
20.12.2017
Ein guter Kommentar zu einem eher traurigen Thema! Selber schaue ich kaum Fernsehen. Aber für den sozialen Zusammenhalt und eine funktionierende Demokratie braucht es u.a. einen guten Service public und damit verbunden einen staatlich organisierten Fernsehsender mit dem Auftrag einer ausgewogenen Berichterstattung. Genau diese Funktion erfüllen die SRF. Wollen wir das wirklich abschaffen? Besser nicht, auch wenn es halt etwas kostet! Denn was bei einem schlechten Service public passiert, kann man schön an den Beispielen Italien oder USA studieren, wo richtiggehende Kriminelle an die Macht kamen und sich vorab selbst bereicher(te)n anstatt den Interessen der Mehrheit ihres Volkes zu dienen, mit der Folge, dass es mit diesen Ländern weiter bergab geht. So etwas ist nur bei einem schlechten Service public möglich, bei welchem sich die meisten Leute keine eigene Meinung bilden können, sondern von den leeren Versprechungen von Medien-Tycoons verblendet werden.

#11

Von hugo
20.12.2017
in katalonien würde man sagen dass die mehrheit in einer demokratie faschisten sind, weil die mehrheit und nicht die minderheit entscheidet!

#12

Von Na lavur
20.12.2017
Es gibt Menschen auch in der Schweiz, die mit sehr kleinem Einkommen auskommen müssen oder wollen. Genau wie bei den KK-Prämien sollte diesen Menschen der Billag-Beitrag erlassen oder gekürzt werden oder sie haben die Möglichkeit den Beitrag freiwillig zu bezahlen. Man darf nicht vergessen, dass in der Schweiz die Fixkosten eines Haushaltes immer mehr steigen und so die Option ein selbst gestaltete Leben zu führen immer mehr eingeschränkt wird. Wenn man nicht im Medien- oder Kulturbereich sich bewegt, sollte man auch die Möglichkeit haben, sich kreativ zu betätigen. Das hat wenig mit Geiz und Egoismus zu tun, sondern mit dem Recht aller auf Selbstverwirklichung.

#13

Von Reda Philippe El Arbi
20.12.2017
Liebe/r Na Lavur,

natürlich sollen die Gebühren sozialverträglich sein. Und ich denke, dass man da und auch bei der Definition des Service Public noch viel machen muss.

Nur gehts bei der Initiative nicht um die Billag. Im Initiativtext wird dem Bund verboten, öffentlichrechtliche Medien bereitzustellen, mit Geld oder Infrastruktur zu stützen oder zu betreiben.

Die Initiative will nicht die Billag abschaffen, sondern öffentlichrechtliche Medien und den Service Public.

#14

Von Markus Balmer
21.12.2017
...was als dummer Bubenstreich angedacht, ist zur gefährlichen Staublawiene moutiert...iCH bin gegen dieses Vorhaben, die CH zu zerstören...NÖ NoBillag...JA SRG!..

#15

Von Peter
22.12.2017
Ja. Public service..den haben wir doch schon bachab geschickt...und jetzt soll wir Solidarität zeigen..

#16

Von Fridolin Hauser
01.01.2018
Wieder Einer, der dem dummen Volk vordenkt. Zu Gunsten des eigenen Geldsäckels.

#17

Von Reda Philippe El Arbi
03.01.2018
Lieber Friedolin,

erstens arbeite ich in der Privatwirtschaft, und zweitens hast du mit deiner fehlenden Argumentation eigentlich bewiesen, dass der einzige der Hilfe beim Denken bräuchte, du bist.

Sorry, gäll.

#18

Von Julian
05.01.2018
ZITAT: Die «No Billag»-Initiative ist eigentlich nur ein Symptom für die gesellschaftliche Entwicklung unter einem superindividualistischen Imperativ: «ICH schau das nicht!» – «ICH will nicht für andere bezahlen!» - - -
So ein Blödsinn. VOR dem Leuthard-RTVG war genau das Jahrzehnte lang der Status in der Schweiz und es hat gut geklappt: Wer bezahlt, konsumiert und alle anderen werden in Ruhe gelassen (wie bei der Autobahn-Vignette, dem SBB-GA und dem Tagi-Abo).

#19

Von Thomas
08.01.2018
An #18 (Julian). Stimmt eben nicht!!!

Wir bezahlen alle mit unseren Steuern: Den Bau von Autobahnen, den Bau des Schienen-Netzes und sogar das Tagi-Abo wird über die Presseförderung unterstützt. Es ist ein Irrglaube, dass diese Angebote ohne steuerliche Unterstützung in gleichem Umfang wie heute funktionieren würden. Bitte überprüfen Sie ihre Aussagen.

#20

Von Oliver S.
09.01.2018
Ich frage mich in wiefern Herr Arbi recht hat, wenn er behauptet, dass das Fernsehen nicht aus den Steuern zu finanzieren ist. Wäre es denn keine Option das Budget auf irgend eine sinnvolle Weise zu fixieren und es gewissermassen zu schützen? Schliesslich sind wir eine direkte Demokratie und können über jeglichen (auch rassistischen Unsinn) abstimmen.

Desweiteren finde ich es geschmackslos die Befürworter der Initiative alle als egoistische Kleindenker abzutun. Die Medienwelt hat sich weit langsam verändert, als die Technologie welche sie nutzt - viele Services sind heute sowieso netzwerkorientiert und das ist auch gut so; schlichtweg ein Zeichen der Zeit.

Ich zahle Streamingdienste die ich benutze, da motze ich auch nicht, dass ich nicht alle Sendungen schaue und alle Künstler höre - dennoch zahle ich einen fixen Betrag und bin vollumfänglich mit der Gegenleistung zufrieden.

Bei der Billag hingegen zahle ich, ohne Fernseher, weil ich angeblich auf meinem Telefon Radio hören könnte? Warum zahle ich dann nicht eine Gebühr für all die Bücher die meine Augen eventuell lesen könnten? Mir scheint viel mehr, dass viele Medien- und Kulturschaffende aus eigener Betroffenheit sich so empört fühlen, vielmehr als wegen dem Verbrechen an der Gesellschaft.

Auf jeden Fall stimme ich guten Gewissens "Ja", auch wenn ein gewisser Teil der Bevölkerung glaubt einem für dies verfluchen und beschimpfen zu müssen, so bleibt es ein Vorzug der Demokratie ungleiche Meinungen zu akzeptieren.

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