Aktuell – 04.09.2013

SRG-Nöte

Konvergenz in Basel gebremst

SRF ist bei der Suche nach einem neuen Standort für das Studio Basel gescheitert. Damit fehlt eine Voraussetzung für die Realisierung der Konvergenz im Bereich Kultur. Und jetzt? Von Philipp Cueni

Das Konvergenz-Projekt war und ist bei SRF weit oben auf der Prioritätenliste. Ein bedeutender Baustein ist dabei die Verschmelzung der Redaktionen von Radio, TV und Internet innerhalb der Abteilung Kultur. Und zentral ist dafür der Ausbau des neuen Hauptstandortes Basel. Das bedingt  einen Umzug vom bisherigen Radiostudio auf dem Bruderholz in ein grösseres Stadt- und Bahnhofnahes Studio: ein grosses und kostenintensives Vorhaben – strategisch vermutlich richtig.

SRF hat sich bei der Evaluation von möglichen Standorten und Gebäuden in den letzten Monaten ganz auf das Projekt "Postbahnhof" konzentriert. Die Verhandlungen mit der Post als Eigentümerin waren weit vorangeschritten, ein Plan B wurde nicht weiter verfolgt. Dann kam von der Post im letzten Moment ein definitives Nein – für SRF offenbar völlig überraschend. Und jetzt steht SRF beim gewichtigen Konvergenz-Teil "Kultur" sozusagen wieder auf dem Startfeld.

Zwar gab es seit dem Konvergenz-Beschluss bei den Mitarbeitenden der Abteilung Kultur auch sehr viel Skepsis und Ablehnung. An einem gut gestalteten Auftakt-Treffen der Mitarbeitenden aus den Studios Basel und Zürich im Kulturhaus Kaserne Basel schon im Jahre 2011 war aber auch so etwas wie Aufbruchstimmung auszumachen. Das isthon länger vorbei – und seither ist Stillstand angesagt. Der Konvergenzprozess ist in Basel gebremst worden.

Nathalie Wappler, die Leiterin der Abteilung Kultur, sieht das anders: "Wir arbeiten bereits seit zweieinhalb Jahren konvergent. Dabei sind erfolgreiche Projekte wie die Kulturplattform im Internet, der Wagner-Schwerpunkt oder die Zürcher Prozesse realisiert worden. Konvergenz heisst ja nicht nur, dass Radio, TV und Internet zusammengehen, sondern auch Technik und Inhalt. Und dieser Prozess schreitet weiter voran."

Tatsächlich sind einige Redaktionen, etwa die Literatur, zusammengelegt worden. Dennoch muss man sich fragen, wie der Prozess weiter entwickelt werden soll, wenn die Redaktionen nicht an einem Standort arbeiten können. Ein Aspekt übrigens, der zu Beginn der Konvergenz von der Direktion als zentrale Bedingung bezeichnet worden ist.

Heisst die Lösung "Abwarten" – oder doch "Standort Zürich"? Wappler dementiert: "Langfristig ist es nach wie vor das  Ziel von SRF, in Basel eine vollkonvergente Kulturabteilung zu realisieren. Dies hat SRF sowohl Vertretern der beiden Basler Kantonsregierungen als auch der Trägerschaft SRG Basel versichert." Vorerst soll das Studio auf dem Bruderholz für die nächsten "rund 5 Jahre" optimiert werden – es sind bauliche und technische Anpassungen nötig. "Über die Kosten geben wir keine Auskunft", so Wappler.

Wie die Mitarbeitenden auf die neuen Aussichten reagieren, hängt oft von der persönlichen Situation ab: Jene, die später pendeln müssen, sind meist erleichtert um den Aufschub, jene, welchen der neue Standort Basel eine Verkürzung beim Arbeitsweg gebracht hätte, sind  enttäuscht. Wer die Konvergenz ablehnte, ist eh froh, wenn der Ist-Zustand weiterläuft. Und schliesslich gibt es auch einige, welche es schade finden, wenn der Konvergenz-Prozess an Dynamik verliert.

Meist sind es nicht die Strategien der Direktion, welche von den Mitarbeitenden als erstes beurteilt werden, sondern die eigene Alltagsrealität: Die zweimal 20 Minuten zwischen Bahnhof Basel und dem Studio im verschlafenen Bruderholz-Quartier nerven, sagen viele Pendler, welche heute im Radiostudio Basel arbeiten.

 

Wie SRF auf Kritik reagiert.

Ein Kommentar von Philipp Cueni

Es geht hier um Kritik an Programmleistungen aus dem Hause SRG, hier von SRF. Um vorneweg klarzustellen: Unbestritten ist, dass von der SRG täglich eine Vielzahl von wertvollen und hochwertigen Programmen produziert werden.

Auffallend ist aber, dass in den letzten Monaten eine Reihe von Kritik an Leistungen von SRF formuliert worden ist, bei welcher es um mehr als das übliche Mäkeln und Motzen ging. Oft ging es auch um die Frage, wieweit Grundsätze einer Service public-Qualität missachtet worden seien.

Einige Beispiele zur Erinnerung: Gefragt wurde, warum es in einem Hause wie SRF überhaupt passieren kann, dass beim Bericht über ein Fussballspiel ein bewusst falscher Hintergrund-Ton eingeblendet wird, um über eine (erst noch politische) Situation hinwegzutäuschen. Kritisiert worden ist, das vertragliche Setting bei der Show "Voice of Switzerland" ("Knebelvertäge", zu starke Liaison mit der Musikindustrie) passe nicht zu einem Service public. Die Aktion "Jeder Rappen zählt" wurde ausgerechnet von den Hilfswerken kritisiert. Der Busen-Mess-"Gag" von Radio SRF3 beim Gurten-Festival wurde als unpassend für einen seriösen Sender und vom Ombudsmann als "blöd", "peinliche Fehlleistung", "geschmackslos" und "fragwürdig" kommentiert. Und dann gab es eine ganze Reihe von Kritik an die Adresse der Abteilung Kultur: An der Absetzung des Filmmagazins "Box Office", an der Programmreform bei Radio SRF2 Kultur, am neuen Konzept von "Kulturplatz". Ein längerer Artikel in der NZZ am Sonntag zeigt, dass die Kritik am Kurs der Abteilung Kultur bei SRF vielfältig ist – aber nichts mit einem SRG-Bashing zu tun hat. Vielleicht sogar im Gegenteil!

Natürlich kann man über das eine oder andere der erwähnten Beispiele unterschiedlicher Meinung sei – beim einen mehr, beim anderen weniger. Natürlich können nicht immer alle Zuschauerbedürfnisse befriedigt werden und sind immer Teile des Publikums von Programmänderungen enttäuscht.  Es geht auch nicht um die Quantität der Kritik – die ist im Verhältnis zu den gesendeten Stunden eigentlich klein. Es geht hier darum, wie weit diese Kritik wunde Punkte im Service public-Verständnis von SRF trifft. Und vor allem, wie SRF darauf reagiert.

Mein Eindruck ist, SRF tut sich schwer mit Kritik umzugehen. Man reagiert gegenüber Kritik, welche auf dem Service public aufbaut, verhalten, bisweilen genervt. Man verpasst damit eine Gelegenheit, eine Service public –Debatte zu führen oder zum Beispiel über publizistische Grundsätze des Hauses zu diskutieren. Warum nicht auch auf dem Sender? Diskussionen über Fehlleistungen, die nun halt mal auffallen, sind immer auch eine Chance, über die eigenen Grundsätze und den Qualitätsbegriff zu reden. Das findet aber fast gar nicht statt. Man verpasst so, einen Teil des Publikums, welches sich auf unbestrittene Grundsätze des Hauses SRG beruft (Qualität), ernst zu nehmen und für sich zu gewinnen.

Ein wenig geglücktes Beispiel ist die Rechtfertigung von Achim Podak, Bereichsleiter bei der Abteilung Kultur SRF, warum die Filmsendung "Box Office" abgesetzt worden ist. Man werde "Box Office" als "mediales Laborprojekt", als "Pionierprojekt" für das Internet weiterführen. "Denn die publizistische Grundversorgung findet in Zukunft wesentlich "online" und auf "mobiles devices" statt".

Ein solches Laborprojekt mag ja interessant und richtig sein. Trotzdem fragt man sich, warum denn deswegen auf dem traditionellen Fernsehbildschirm gar keine Film-Sendung mehr stattfinden soll. Filmberichterstattung sei ein "bildstarkes Genre", schreibt Podak – und Bilder seien wichtig in der online-Welt. Nur, meinte ich, seien Bilder gerade auch besonders wichtig für das klassische Fernsehen.

Die SRG engagiert sich bekanntlich stark für den Schweizer Film (pacte de l’audiovisuel), (co)produziert eine Reihe von eigenen Fernsehfilmen und auch von Kinofilmen. Und sie zeigt diese Filme im bildstarken Format Fernsehen. Warum soll denn, fragt man sich, nicht auch die bildstarke Filmberichterstattung – so sie gut gemacht und programmiert ist – auf dem gleichen Kanal Interesse wecken können? Ausgerechnet über das Bildmedium Film, in welches die SRG derart viel investiert, soll am Bildschirm nicht mehr in einer eigenen Sendung berichtet und diskutiert werden? Unverständlich.

"Wir wollen Programme und Inhalte produzieren, die von den Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern genutzt werden", schreibt Podak – auch in Zukunft. Also Pionierprojekt. Es scheint aber, meine ich, noch ein langer Weg, bis die Nutzung über online höher sein wird als jene im klassischen Fernsehen. Wenn man bis dann, mit Blick auf eine zukünftige Nutzung, bereits jetzt auch weitere Sendungen nur noch übers Internet produziert, dann müssen wir uns bald wieder auf Pausen im klassischen Fernsehprogramm einstellen.

Etwas ernster: "Guter, bildstarker Online-Journalismus, der informiert und unterhält, das ist das Ziel", schreibt Podak. Wird man aus dieser Logik also bald die bildstarke Tagesschau vom Bildschirm nehmen? Kaum. Die Argumentation von Podak überzeugt nicht.

Immerhin: Am Filmfestival Locarno war eine Aussprache zwischen der Abteilung Kultur von SRF und den Verbänden der "Filmemacher" angesagt. Die SRF Leute hätten viel Verständnis für die Anliegen der Filmer gezeigt, hörte man.

 

Politische Nadelstiche gegen die SRG

Von Philipp Cueni

Im Sommer sind im Nationalrat zwei politische Vorstösse zur SRG eingereicht worden: Von Gregor Rutz (SVP) und von Filippo Leutenegger (FDP, Präsident Aktion Medienfreiheit). Beides Politiker, welche sich immer wieder sehr kritisch zum Leistungsauftrag der SRG äussern.

Leutenegger sagt gegenüber der SRG, der Vorstoss sei nicht gegen die SRG gerichtet. Trotzdem sei die Frage gestellt, mit welcher Agenda er seine regelmässigen Anfragen zur SRG einreicht. Einen Hinweis dazu liefern auch die Mitunterzeichner seines Postulats (u.a. Natalie Rickli, SVP) und sein Engagement bei der Aktion Medienfreiheit.

Leutenegger stellt die Frage, welche inhaltlichen Bereiche im Radio und Fernsehen durch die gebührenfinanzierten Angebote des Service public abgedeckt werden sollen, und "welche Medienangebote ohne weitere Marktverzerrung einem funktionierenden Medienmarkt überlassen werden." Die Frage also nach einer Präzisierung des Service public-Auftrages.

Dass die Definition und die Umsetzung des Programmauftrages der Bundesverfassung immer wieder diskutiert und überprüft wird, ist natürlich richtig. Und diese Debatte tut auch der SRG gut.

Leutenegger zielt vermutlich darauf, dass Leistungen der SRG, welche (in welcher Qualität?) auch über den Markt zu finanzieren sind, einzig den Privaten vorbehalten werden sollen.

Wäre der kommerzielle Unterhaltungsevent der Miss Schweiz-Wahlen ein mögliches Beispiel? Da hat sich die SRG ja bereits zurückgezogen, ohne Schaden für den Service public. Allerdings sieht es so aus, als würden die Privaten daraus keine Erfolgs-Story machen können. Selbstverständlich darf nicht alles aus dem SRG-Programm ausgelagert werden, was grosse Quoten abholen kann. Die SRG darf kein Minderheiten- und Nischensender werden. Bei einzelnen Programmelementen muss man sich allerdings fragen, ob sie ins Service public-Profil passen oder nicht besser dem Markt überlassen werden.

Der kommerzielle Unterhaltungsevent der Miss Schweiz-Wahlen wäre ein mögliches Beispiel. Aus aktuellem Anlass hier ein anderer (bescheidener) Vorschlag an den Bundesrat: Vielleicht empfiehlt er der SRG (SRF), an Stelle des eben neu lancierten Auto-Magazins "Tacho" endlich ein politisches Ausland-Magazin zu schaffen.

Ebenso Fragen zum Leistungsauftrag und zur Konzession der SRG stellt Nationalrat Gregor Rutz (SVP) in einer Interpellation ("Wettbewerbsverzerrungen durch SRG-Konzession"). Rutz schlägt dabei vor, die Konzession an die SRG, welche er heute als zu weit gefasst beurteilt, durch das Parlament und nicht durch den Bundesrat beschliessen zu lassen. Die Frage einer solchen Kompetenzverschiebung bei der Konzessionsvergabe wären absehbar: Es würde auf eine massive Verpolitisierung des Programmauftrages und damit auch der Programmkontrolle hinauslaufen. Und damit genau auf das, gegen was die SVP laufend polemisiert, auf einen "Staatssender".

Der Bundesrat erteilt der Idee von Nationalrat Rutz eine Absage. Und wiederholt in seiner Antwort seine medienpolitische Linie, wie Sie Bundesrätin Doris Leuthard auch im EDITO-Interview dargelegt hat. Fazit: Der Programmauftrag der SRG soll nicht weiter eingeschränkt werden – auch nicht im Internet-Bereich. Der Spielraum der SRG bewege sich durchaus im Rahmen, wie ihn auch unsere Nachbarländer für den Service public definieren.

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