Aktuell – 19.11.2013

Der SPIEGEL, sein Snowden-Manifest und die Öffentlichkeit

Der SPIEGEL machte die Geschichte gross auf: "Asyl für Snowden!" stand auf dem Titel seines Hefts Anfang November. Edward Snowden, im Heft als "Held des digitalen Zeitalters" bezeichnet, seine Taten und seine aktuelle Situation waren Gegenstand einer ausführlichen Geschichte, ergänzt unter anderem mit Interviews und der Forderung nach Asyl für Snowden in Deutschland  – kurz, die Snowden-Geschichte zog sich in allen Facetten quasi durch das ganze Heft.

Teil dieser Geschichte war auch ein kurzer Text unter dem Titel "Manifest für die Wahrheit". Ihr Autor: Edward Snowden. Er hatte das Manifest offenbar an den SPIEGEL geschickt und schrieb darin Sätze wie "Wir haben die moralische Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere Gesetze und Werte Überwachungsprogramme begrenzen und Menschenrechte schützen" oder "Die Bürger müssen dagegen kämpfen, dass Informationen über Angelegenheiten von entscheidender öffentlicher Bedeutung unterdrückt werden".

Gerade der letzte Satz passt, so fand ich beim Lesen, ideal zum Thema Informationsfreiheit, um die es beim Fall Snowden ja auch geht. Damit ist das Manifest auch interessant für die NGO Reporter ohne Grenzen, die sich für Informationsfreiheit weltweit einsetzt, wie auch für EDITO+KLARTEXT. Snowdens "Manifest für die Wahrheit", so dachte ich, gehört auf solche Websites, dieser Aufruf gehört weiterverbreitet. Denn eine Suche im Netz zeigte: Online ist er nicht im Umlauf.

Um korrekt zu sein, fragte ich nach und wandte mich an die Adresse "Fragen zu SPIEGEL-Artikeln". Ich würde, schrieb ich da, dieses "Manifest" gerne auf der Website von ROG Schweiz veröffentlichen, da es für alle Leute, die sich um Informationsfreiheit scheren, wichtig sei. Selbstverständlich mit Quellenangabe, schrieb ich, und: Ist das ok? "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir das "Snowden Manifest" aus SPIEGEL 45/2013 grundsätzlich nicht zur Verwendung genehmigen", lautete die Antwort aus der SPIEGEL-Abteilung Rechte und Lizenzen.

So konnten und können also nur SPIEGEL-Abonnenten Snowdens Manifest lesen; seine öffentliche Erklärung bleibt der SPIEGEL-Öffentlichkeit vorbehalten. Ob Snowden wirklich nur dieses Zielpublikum vor Augen hatte, als er den Text mit "A Manifesto for the Truth" betitelte?

PS: Der Text kursiert natürlich dennoch im Netz, als Scan aus dem SPIEGEL.

Bettina Büsser ist Redaktorin von EDITO +KLARTEXT und arbeitet auch für die Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen

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