Service public – 18.12.2017

«Wir haben kein Interesse daran, die SRG zu schädigen»

Silvan Amberg, Co-Präsident des «No Billag»-Komitees, vertraut auf die Kraft des Marktes. Er sagt, wie seine Traumschweiz aussieht.

Interview:  Bettina Büsser, Nina Fargahi

EDITO: Wenn man Ihnen und den «No Billag»-Initianten zuhört, entsteht der Eindruck, auch nach einem Ja zu «No Billag» gebe es die SRG weiterhin, einfach ohne Gebühren. Glauben Sie wirklich daran, dass sich die SRG mit Werbung finanzieren könnte?

Silvan Amberg: Wahrscheinlich nicht ausschliesslich. Eine genaue Prognose ist zwar schwierig, aber ich vermute, ein Teil könnte auch über Abos gelöst werden. Ich finde es realistisch, dass man auch in Zukunft bezahlen muss, wenn man weiterhin die gleiche oder eine ähnliche Qualität haben möchte.

Wird «No Billag» angenommen, darf der Staat bereits ab
1. Januar 2019 weder Empfangsgebühren erheben noch Radio- und Fernsehstationen subventionieren oder betreiben, die Konzessionen mit Gebührenanteil werden aufgehoben und neu werden Konzessionen versteigert.

Die Ausführungsbestimmungen treten am 1. Januar 2019 in Kraft, die Gesetzesgrundlage könnte auch später, nach einer Übergangsfrist, in Kraft treten. Denn die Umsetzung liegt in der Verantwortung des Parlaments. Kann die SRG einen Businessplan vorlegen, wie sie sich in der Übergangsfrist umorientieren könnte, spricht aus Sicht der Initianten nichts dagegen, die Gebühren um ein oder zwei Jahre zu verlängern. Uns geht es nur um die Abschaffung der Gebühren, wir haben kein Interesse daran, die SRG zu schädigen.

Mit «No Billag» entziehen Sie der SRG 75 Prozent der Mittel und die Konzession und machen es ihr zumindest schwer, wieder eine Konzession zu erhalten. Das klingt weniger nach «nicht schädigen» als nach «Schlagt die SRG tot und nagelt den Sarg zu».

Das ist eine böswillige Unterstellung. Ich kenne die Leute, die die Initiative ausgearbeitet haben, und ich kann Ihnen versichern, dass niemand von uns eine Anti-SRG-Motivation hatte. Es ist sicher eine fundamentale Herausforderung für die SRG, dass sie sich neu orientieren müsste.

Ich glaube aber nicht, dass bei der Konzession jemand so hoch mitbieten würde, dass die SRG keine Konzession erhielte. Mit der Versteigerung wollen wir sicherstellen, dass die Vergabe nach objektiven Kriterien erfolgt. Wenn der Staat die Konzessionen nach politischen Kriterien vergeben kann, hat er eine Einflussmöglichkeit.

Es gibt keine Voraussetzungen mehr – ausser Geld.

Es gibt keine politische Kontrolle, aber die SRG hat die besten Voraussetzungen für diese Lizenz: Es ist rein ökonomisch praktisch unmöglich, dass ein in der Schweiz verankertes Radio und Fernsehen mit bestehender Infrastruktur und bestehendem Publikum es nicht auf die Reihe kriegt, ein Angebot zu machen, das besser ist als jenes irgendeines ausländischen Anbieters.

«Dass es in den Randregionen zu einer Einschränkung der Angebotsvielfalt kommen würde, ist realistisch.»

Es könnte ja für die bisherige nationale Konzession der SRG auch andere Schweizer Bieter geben.

Die Versteigerung ist ja lediglich eine Übergangslösung, bis die Analog-Frequenzen abgeschaltet werden und die ­Begrenzung der Bandbreite eine Konzession überflüssig macht. Dass in dieser Übergangsphase die SRG keine Konzession erwerben kann, halte ich für ein sehr unrealistisches Szenario mit einer zudem zeitlich eingeschränkten Bedeutung.

«No Billag» würde ja auch 34 private Radio- und TV-Stationen betreffen, die Gebühren erhalten. Manche von ihnen müssten ohne Gebühren schliessen.

Ich kann die Situation von einzelnen Sendern nicht beurteilen. Es mag sein, dass der eine oder andere ohne Gebühren schliessen müsste. Aber das ist aus unserer Sicht keine Rechtfertigung für Zwangsgebühren. Der Bäcker muss seinen Laden auch schliessen, wenn die Leute seine Brötchen nicht kaufen wollen.

Die SRG-Radios sind heute fast ausschliesslich gebührenfinanziert.

Das ist eine grössere Herausforderung. Die Frage ist, wie viele Sender der Schweizer Markt überhaupt brauchen würde. Man muss ja nicht internationale nichtstaatlich finanzierte Internet-Radios im Bereich Musik konkurrenzieren. Es würde eine Konsolidierung in Richtung von Schweizer Spezifika geben: Schweizer News, Schweizer Musik von einem Schweizer Radio. Das ist die Nische für SRG-Radios.

Teuerster Teil des SRG-Angebots sind Informationssendungen. Indem sie über Abstimmungen informieren, haben sie auch eine staatspolitische Funktion. Braucht es das nicht?

Es wird auch in Zukunft eine Nachfrage nach diesem Produkt geben, es wäre eine Nische für die SRG. Aber vielleicht muss sie ihre Kosten um 20 Prozent senken und einen oder zwei Sender schliessen, damit sie kompetitiv ist. Ausserdem gibt es ja neben dem SRG-Angebot sehr viele andere Informationsquellen, Zeitungen, Internet und so weiter. Die Leute können sich also weiterhin informieren.

Die SRG schafft einen finanziellen Ausgleich zwischen den Landesteilen. Müsste sie ihre Kosten um einen Fünftel senken, besteht das Risiko, dass die Tessiner oder die Rätoromanen auf der Strecke bleiben.

Die Randregionen sind sicher stärker unter Druck als die Deutschschweiz. Dass es dort zu einer Einschränkung der Angebotsvielfalt kommen würde, ist realistisch. Ein freiwilliges Angebot spricht aber nicht grundsätzlich gegen eine Quersubventionierung, denn die Leute können ja die Angebote in den Randregionen freiwillig unterstützen. Ausserdem kann man das Ganze deutlich effizienter gestalten: Es braucht nicht zehn Leute aus allen Landesteilen für ein Interview mit einem Bundesrat.

Bei einer Annahme von «No Billag» gehen die Konsequenzen weit über die SRG hinaus und betreffen etwa die Filmbranche. Die SRG schätzt, dass über 13 000 Vollzeitstellen direkt oder indirekt bedroht sind.

Ich habe die Studie nicht gesehen. Aber überall, wo Subventionen wegfallen, gibt es Verluste von Arbeitsplätzen. In vergleichbaren Fällen zeigt sich aber, dass dieser Verlust weniger dramatisch ist als ursprünglich angenommen. Ausserdem geht das Geld, das die Leute einsparen, anderswohin und wird dort entsprechend mehr Stellen schaffen. Vielleicht nicht im Medienbereich.

«Uns geht es nur um die Abschaffung der Gebühren; wir haben kein Interesse daran, die SRG zu schädigen.»

Oder nicht in der Schweiz. Die deutschen Privat-TV haben Werbe-, aber keine Programmfenster.

Es stimmt nicht, dass Geld, das aus der Schweiz ins Ausland fliesst, in der Schweiz keine Arbeitsplätze schafft. Diese Mechanismen sind sehr komplex: Fliesst Geld aus der Schweiz ins Ausland, müssen in entsprechendem Umfang auch wieder Geld oder Investitionen in die Schweiz fliessen, da die Menge Schweizer Franken, die auf dem Markt ist, begrenzt ist. Der einzelnen Person bei der SRG, deren Stelle gestrichen wird, hilft das nichts. Aber wir können nicht mithilfe von Zwangsgebühren Arbeitslosigkeit verhindern, das wäre ein sozialistisches System.

Ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre die Schweiz ja eine grosse Ausnahme in Europa.

Vielleicht ein Vorbild, könnte man sagen. Wenn jetzt die Schweiz beweisen kann, dass es funktioniert, dann kann dies natürlich einen Dominoeffekt auslösen in Europa.

Wie ist das Verhältnis von «No Billag» zur SVP?

Bisher laufen die Strategien relativ unabhängig voneinander. «No Billag» kommt schon eher aus dem bürgerlichen Bereich, ist aber parteipolitisch deutlich breiter als die SVP. Wir werden sicher später detaillierte Gespräche mit der SVP führen, doch ich glaube nicht, dass wir uns komplett auf eine Position einigen.

Sie sind Mitbegründer der «Unabhängigkeitspartei». Sie will «den Zustand der staatlichen Abhängigkeit überwinden, in dem sich ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung heute befindet» und etwa die AHV und die staatlichen Ehe- und Erbvorschriften abschaffen. Wie sieht Ihre Traumschweiz aus?

Wir sind heute in sehr vielen Entscheidungen nicht mehr frei, es wird uns etwa vorgeschrieben, was wir mit bis zu 50 Prozent unseres Geldes machen müssen oder nach welchem Muster wir unsere Beziehungen regeln müssen. In meiner Traumschweiz ist das nicht mehr so, es drohen mir nicht staatliche Sanktionen, staatliche Gewalt, wenn ich mich nicht daran halte. Könnten die Leute wieder mehr selbst entscheiden, etwa in Bezug auf ihre Vorsorge, würde das zu neuen ­innovativen Lösungen führen.

Und würde das Solidaritätsprinzip abschaffen.

Nein, es würde nur die erzwungene Solidarität abschaffen und damit die freiwillige Solidarität wieder stärken. Früher hat man in der Familie für die Älteren und diejenigen mit Problemen geschaut, heute neigt man dazu, sie einfach an den Staat abzuschieben. Das ist ein Abbau von freiwilliger Solidarität.

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