Nach dem erfolgreichen Crowdfunding will die neue Schweizer Satire-Plattform Petarde bald starten.

Aktuell – 18.03.2022

Im Frühsommer soll die Petarde zünden

Weil der Nebelspalter an Markus Somm und dessen Investoren verkauft wurde, ist eine neue Satire-Plattform lanciert worden: die Petarde. Sie soll bald losgehen – mit etwas Verspätung.

Von Bettina Büsser

Es war eine zündende Idee: Ein bedingungsloses Witzeinkommen für zehn Satirikerinnen und Satiriker sollte das Crowdfunding der Petarde garantieren, je 500 Franken pro Monat, ein Jahr lang. Das potentielle Satire-Publikum nahm die Idee positiv auf, anstatt der angestrebten 120 000 Franken kamen 163 000 Franken zusammen. Unterstützt wurde die Aktion von etablierten Köpfen aus der Szene, der Satirikerin Patti Basler etwa, dem Satiriker Renato Kaiser, dem Cartoonisten Ruedi Widmer – und den Text zum Crowdfunding-Video sprach Peter Schneider.

Den eigentlichen Vorschub für das Projekt hatte Ex-BaZ-Chefredaktor Markus Somm geliefert, als er Ende 2020 gemeinsam mit Investoren den Nebelspalter kaufte. Weil damit massive Veränderungen absehbar wurden, stellte ein Teil der Zeichnerinnen und Zeichner die ­Zusammenarbeit mit dem Nebelspalter ein. Darunter ­waren die Karikaturistin Regina Vetter und die Cartoonisten Tom Künzli (Tomz) und Andreas Ackermann (oger), die heute das Petarde-Kernteam bilden. «Wir ­wollten es nicht einfach so hinnehmen, dass die älteste Satire­zeitschrift der Welt, wie sie sich selber nennt, einfach übernommen und offensichtlich für andere Zwecke genutzt wird», sagt Ackermann. Also stellten sie die Seite wer-braucht-schon-satire.ch ins Netz.

«Ein bisschen neidisch». Es gehe, sagt Ackermann, nicht nur um den Nebelspalter, sondern allgemein um den Rückhalt der Satire in der Deutschschweiz: «In der Westschweiz ist es anders, da gibt es eine grosse Satire-Kultur. Wir sind ein bisschen neidisch.» In der Deutschschweiz hingegen gebe es weniger Publikationsmöglichkeiten, ausserdem gingen die Aufträge zurück. «Und es heisst: Wenn wir einen Shitstorm riskieren, dann streichen wir die Karikaturen lieber gleich ganz.» Offensichtlich gibt es aber noch ein Satire-Publikum. Denn die Resonanz auf «Wer braucht schon Satire?» war so gross, dass das Projekt Petarde entwickelt wurde: Eine Plattform für Satire, nicht nur für Cartoons, Comics und ­Karikaturen, sondern auch für Memes und für Bühnenkünstlerinnen und -künstler. «Wir wollen etwas lancieren, das Satire in ihrer ganzen Breite zeigt», so Ackermann.

Bedingungsloses Witzeinkommen. 120 000 Franken waren das Ziel des Crowdfundings; im Budget ist eine Hälfte davon für Infrastruktur und Löhne, die andere für bedingungslose Witzeinkommen vorgesehen. Weil das Crowdfunding mehr als budgetiert eingebracht hat, wird es zwölf Witzeinkommen geben. Was müssen diejenigen, die sie erhalten, dafür tun? Es gibt laut Ackermann keine Vorgaben, «aber die Freiheit mit dem Witzeinkommen ermöglicht es, Dinge auszuprobieren, die aufwändiger oder spezieller sind». Dass die Resultate dann auf petarde.ch aufgeschaltet werden, ist nicht garantiert: «Es wird sicher eine Gatekeeper-Funktion geben. Rassistisch motivierte Beiträge publizieren wir zum Beispiel sicher nicht. Aber wir werden vielleicht einiges aushalten müssen, denn Satire kann ja sehr weit gehen.»

Start im Frühsommer. Noch (bis Redaktionsschluss) sind auf petarde.ch keine Produkte von Witzeinkommen-Bezügerinnen zu sehen. «Ja, wir haben anfänglich verkündet, dass wir im ersten Quartal starten wollen», sagt Ackermann, «aber das korrigieren wir nun. Unser Ziel ist es, im Frühsommer zu starten.» Die Auswahl der digitalen Infrastruktur, der Aufbau der Redaktion, das Konzept für die Auswahl der Witzeinkommen – das alles brauche Zeit, und: «Wir arbeiten ohne Lohn, sind sehr schlank aufgestellt und Quereinsteiger im Bereich Medien-Start-up.»

Entschieden ist bereits, wer für das erste Petarden-Jahr Witzeinkommen erhalten wird. Fest steht auch, dass der Zugang zur Plattform gratis sein soll: «Wir finden, Satire ist ein Stück Allgemeingut. Aber wir laden die Leute dazu ein, uns zu unterstützen», sagt Ackermann. Denn künftig sollen Petarde und Witzeinkommen durch Member-Beiträge finanziert werden, ausserdem prüft die Kerngruppe aktuell, ob Unterstützung von Stiftungen möglich ist. Die finanzielle Basis soll aber auf jeden Fall von den Members stammen: «Sonst stellt sich schnell die Frage der Unabhängigkeit.»

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